Die Kölnbäder werden ab dem 1. April Frauen das Schwimmen ohne Oberteil erlauben. Das hat Kölnbäder-Sprecherin Franziska Graalmann dem WDR bestätigt. "Es geht künftig um die ausreichende Bedeckung der primären Geschlechtsmerkmale", so die Sprecherin. Zunächst hatte der Kölner Stadt-Anzeiger berichtet.
Bislang müssen Frauen ihre Brust bedecken, wenn sie sich im Wasserbecken befinden. Oberkörperfreies Sonnen auf den Liegewiesen ist - genau wie "oben ohne" saunieren - bereits erlaubt.
Oben ohne baden in Köln gilt "bis auf Weiteres"
Grund sei die bundesweite Oben-Ohne-Diskussion der vergangenen Jahre gewesen, sagt Sprecherin Graalmann. Unter anderem in Göttingen wurde eine Frau ohne Oberbekleidung eines Schwimmbads verwiesen. Daraufhin gab es Shitstorms im Internet, Klagen und Initiativen, die sich mit dem Thema beschäftigten.
"Offenbar gibt es ein sich veränderndes gesellschaftliches Bewusstsein, dem wir hier Rechnung tragen." Die Entscheidung gelte "bis auf Weiteres" für alle 13 Schwimmbäder, die von den Kölnbädern betrieben werden, so Graalmann.
In Social-Media-Kommentaren wurden aber auch Stimmen laut, die sich gegen nackte Brüste in der Öffentlichkeit aussprachen. Unter anderem fürchten einige Männer die Blicke andere Männer auf die Brüste ihrer Frauen und Freundinnen, Eltern möchten ihre Kinder vor dem Anblick halb nackter Frauen bewahren und religiösen Muslimen ist die Bekleidung von Frauen wichtig.
Einige, meist junge Frauen, haben die Sorge belästigt zu werden, sollten sie ihr Oberteil lüften. In Köln will man sich erstmal anschauen, ob sich überhaupt so viele Frauen trauen, oben ohne baden zu gehen.
Zumindest für den Anfang rechnet Graalmann damit, dass das Angebot nur vereinzelt angenommen wird. "Es lässt sich schlecht vorhersagen, allerdings deutet nichts darauf hin, dass jede Person, die heute mit einem Bikini zu uns kommt, ab April nur die Bikinihose tragen wird. Es ist auch weiterhin erlaubt, so in die Bäder zu kommen wie bisher. Dies umfasst eine große Bandbreite an angemessener Badebekleidung: Tankini, Badeanzug, Burkini und Bikini."
Scham oder Freiheit?
Die Kölnerinnen, denen Gendergerechtigkeit wichtig ist, werden aller Voraussicht die neu gewonnenen Freiheit nutzen. Fast ein Drittel der befragten Frauen einer Umfrage der Deutschen Presseagentur aus dem vergangenen Jahr lehnt "oben ohne" aber ab. 46 Prozent der Männer finden es dagegen gut, wenn Frauen selbst entscheiden können, ob sie mit oder ohne Bikinioberteil baden gehen möchten.
Auch in Siegen und Dortmund sind unbedeckte Brüste erlaubt
Auch in Siegen müssen weibliche Brüste seit dem vergangenen Jahr nicht mehr bekleidet sein.
Eine klare Mehrheit im dortigen Stadtrat stimmte damals dafür, dass unbedeckte Brüste in den städtischen Bädern genauso erlaubt sein sollen wie der Burkini. Damit bezogen die Siegener ungewöhnlich deutlich Stellung zu einem Thema, worüber in anderen NRW-Städten noch heftig diskutiert wird.
Beschimpfungen, Beleidigungen, Amok-Drohung
In den Siegener Bädern haben die Badegäste von der neuen Regelung kaum Gebrauch gemacht, erklärte eine Sprecherin der Stadt. Bürgermeister Steffen Mues spricht stattdessen von zahlreichen Beschwerden. "Es hat sicher nie zuvor so viele Beschimpfungen und Beleidigungen aus der ganzen Republik, sowohl anonym als auch nicht anonym, gegen den Bürgermeister, Mitarbeiter des Bürgeramtes und die Politik allgemein gegeben wie nach diesem Beschluss. Höhepunkt im negativen Sinne war eine Amok-Drohung per E-Mail gegen einen Mitarbeiter der Stadtverwaltung." Die Polizei haben diesen Drohenden jedoch mithilfe einer Spezialsoftware ausfindig machen können.
In den vier Freibädern der Sportwelt Dortmund gab es noch nie ein Verhüllungsgebot für sekundäre Geschlechtsteile wie Brüste. Noch vor 20 Jahren hätten dort rund ein Drittel aller weiblichen Badbesucher ihre Brüste gezeigt, so ein Sprecher von Sportwelt Dortmund. Das habe mit der Zeit aber deutlich abgenommen.
Belästigungen machen Brustfreiheit unattraktiv
Mittlerweile zeigten sich auf den Liegen oder im Wasser nur noch vereinzelt Frauen ohne Bikinioberteil. Ein Grund dafür könnte sein, dass es nicht selten vorkomme, dass Frauen unter Wasser von Männern belästigt und sogar berührt würden. Die Anzahl der dem Personal gemeldeten Vorfälle würde in den vergangenen fünf Jahren vor der Pandemie trotz vorhandener Securitymitarbeiter auf einem etwa gleichbleibendem Level stagnieren.
Jedes Bad hat eigene Hausordnung
Ist "oben ohne" im Schwimmbad also gar nicht generell untersagt? Am Ende entscheidet die Hausordnung eines Schwimmbades darüber, was man ausziehen darf. Viele Badeordnungen schreiben vor, dass Gäste sittsam oder angemessen gekleidet sein sollen. Was das konkret bedeutet, entscheidet das Personal. Manchmal wird das Sonnen oben ohne toleriert, selten das Schwimmen - oft keins von beiden. In städtischen Bädern mache Kommunen die Regeln, sind die Bäder in privater Hand, entscheiden die Betreiber. Das heißt also: In jeder Stadt und in jedem Bad gelten andere Regeln.
Berliner Oben-ohne-Aktivistin erhält Drohungen
In der vergangenen Woche hatten auch die Berliner Bäderbetriebe klargestellt, dass das Schwimmen "oben ohne" für alle Personen gleichermaßen erlaubt sei.
Die Aktivistin Lotte Mies, die in einem Schwimmbad in Berlin im Dezember wegen ihrer Oberkörperfreiheit rausgeworfen wurde, hatte sich in der Initiative „Gleiche Brust für alle“ engagiert und so erfolgreich für das Oben-Ohne-Baden in Berlin eingesetzt. Die 33-Jährige erhält laut aktuellen Medienberichten Drohungen von Frauen und von Männern. Dennoch plane sie, sich weiter für die Rechte von Frauen einzusetzen. "Wenn es wärmer wird, wollen wir Aktionen wie etwa Picknicks und Wanderausflüge oben ohne starten", sagte Mies.
Über das Thema berichtet die Lokalzeit aus Köln am 15.03.2023 auch im WDR-Fernsehen und im Hörfunk auf WDR 2.