In Deutschland wird durchschnittlich jede Sekunde einmal der Notruf gewählt. Die "112" wird in der Regel gewählt, um einen Rettungswagen oder die Feuerwehr zu verständigen. Die "110" wird genutzt, um die Polizei zu alarmieren, etwa bei einem Verbrechen oder einem Unfall ohne Personenschaden.
Bei diesem "110-Polizei-Notruf" soll es künftig deutschlandweit möglich sein, den Standort des Anrufers genau zurückzuverfolgen. Darauf haben sich nach SWR-Informationen das Innenministerium und der oberste Datenschützer in Baden-Württemberg geeinigt. Wegen rechtlicher Bedenken war eine Nutzung der Ortungsdaten bisher untersagt. Wie genau funktioniert bald die Handy-Ortung? Und welche besondere Rolle spielt das Land Baden-Württemberg? Fragen und Antworten.
Was wird sich beim "110-Notruf" ändern?
Wer bisher die "110" wählte, durfte nicht immer genau geortet werden. Die Ortungsdaten aus ganz Deutschland flossen zwar zentral an einen Server im Schwarzwald - konnten aber wegen der unklaren Rechtslage in Baden-Württemberg bisher nicht abgerufen und weitergeleitet werden. Hintergrund dafür waren Bedenken der Datenschützer. Das soll sich jetzt ändern.
Landesdatenschutzbeauftragter Tobias Keber
Denn die rechtliche Hürde scheint jetzt überwunden. So stimmte der Landesdatenschutzbeauftragte von Baden-Württemberg, Tobias Keber, einem bundesweiten Pilotbetrieb zu. Dabei soll es der Polizei in ganz Deutschland erlaubt sein, moderne Technik für die Handy-Ortung zu nutzen. Voraussetzung: Die Standortdaten werden "nur zur Hilfe und nicht zur Strafverfolgung" genutzt.
Wie läuft es bisher?
Bisher ist die genaue Ortung beim Polizei-Notruf "110" kaum möglich. Denn: Die Polizei muss bisher mit alter Technik orten, wenn ein Anrufer nicht sagen kann, wo er sich genau befindet. Das kann im Zweifel wertvolle Zeit kosten. Die Polizei nutzt bislang für die Ortung die Funkzelle, aus der ein Anruf kam. In Innenstädten funktioniert das laut Experten in einem Radius bis 500 Metern, aber auf dem Land können das mehrere Kilometer sein.
Zum Verständnis: Mit einem Notruf über die "110" erreicht man - egal ob vom Festnetz oder vom Handy - die örtliche zuständige Leitstelle der Polizei. Doch wenn man in einer Gefahrenlage oder Notsituation nicht genau weiß, wo man sich befindet, kann das zum Problem werden.
Was sagen Datenschützer?
Datenschützer befürchten, dass die Polizei die Handy-Ortungs-Daten für weitere Ermittlungen nutzen könnte. Deswegen bestand der Landesdatenschutzbeauftragte Keber auch darauf, dass bei der Handy-Ortung Datenschutzvorgaben beachtet werden.
Dabei war ihm besonders wichtig, dass die Nutzung der Daten durch die Standortübermittlung "nur zur Hilfe und nicht zur Strafverfolgung erfolgt". Oder anders gesagt, die Handy-Ortung müsse "streng zweckgebunden" sein. Deswegen werde im Innenministerium jetzt an der Rechtsgrundlage gearbeitet.
Was entgegnet die Polizei?
Ralf Kusterer, Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft
Die Polizei macht auf die Wichtigkeit der Handy-Ortung aufmerksam - und kritisiert die hohen rechtlichen Hürden. Der Baden-Württembergische Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Ralf Kusterer etwa sagte der Dpa, dass gerade bei der Ortung von "110" in der Regel höchste Eile geboten sei.
Wer diese Ortung nicht zulasse, gefährde Leib und Leben. Kusterer kritisierte auch, dass die Prüfung beim Ministerium schon viel zu lange andauere.
Wie funktioniert die Ortung bei einem "112-Notruf"?
Wer die "112" ruft, also Feuerwehr, Rettungswagen oder Notarzt, der kann problemlos geortet werden. Seit Jahren nutzen die meisten Leitstellen der Rettungsdienste und Feuerwehr für die Ortung das Verfahren "Advanced Mobile Location" (AML). Dabei werden auf dem Smartphone beim Wählen des Notrufs "112" verschiedene Sensoren wie das GPS eingeschaltet und die Daten automatisch übertragen.
Wenn die "112" gewählt wird, sucht das Handy automatisch das stärkste verfügbare Netz. Das bedeutet auch, dass ein Notruf über ein anderes verfügbares Netz geleitet wird, wenn der eigene Anbieter vor Ort Funklöcher oder Netzstörungen hat. Notrufe haben außerdem immer Vorrang vor anderen Anrufen.
Laut Telekom-Statistik erfolgen mittlerweile über 90 Prozent der Anrufe bei Feuerwehr und Polizei über Mobilfunknetze. Davon erreichen 80 Prozent die Leitstellen über moderne Mobilfunktechnologien wie LTE (4G) und 5G.
Funktioniert die Ortung auch bei älteren Handys?
Die Übertragung des genauen Standorts funktioniert nur, wenn für den Notruf ein Smartphone verwendet wird. Ältere, herkömmliche Mobiltelefone können keine genauen Positionsdaten übermitteln. Im Januar 2024 wurden bei rund 80 Prozent der mobilen Notrufe AML-Daten der Endgeräte übermittelt, also bei rund vier von fünf Anrufen.
Wer zum Beispiel nach einer Panne oder einem Auto-Unfall Hilfe braucht, für den hat der ADAC Tipps zusammengestellt, wie sich der Standort an Autobahnen und Bundesstraßen bestimmen lassen.
Quellen:
- dpa
- Bericht des SWR
- Artikel des ADAC
- Tipps für Verbraucher von der Bundesregierung
Über dieses Thema berichten wir im WDR am 19.03.224 auch im Hörfunk bei WDR Aktuell.