Gefahr Nipah-Virus

Aktuelle Stunde 15.09.2023 21:08 Min. UT Verfügbar bis 15.09.2025 WDR Von Julia Marlen Demann, Kristina Klusen

Nipah-Virus in Indien: Müssen wir uns Sorgen machen?

Stand: 16.09.2023, 13:26 Uhr

Im Süden Indiens sind nach dem Ausbruch des Nipah-Virus zwei Menschen gestorben, mindestens vier wurden in Krankenhäuser gebracht. Die Behörden reagieren mit einem Lockdown. Warum die nächste Pandemie trotzdem unwahrscheinlich ist.

In Indien reagieren die Behörden nach dem Ausbruch des Nipah-Virus mit einem Versammlungsverbot und Schulschließungen. Mehr als 700 Personen, darunter 150 Mitarbeiter des Gesundheitswesens, seien nach Kontakt mit Infizierten isoliert worden.

Das Virus war 2018 schon einmal im Bundesstaat Kerala ausgebrochen, dann noch mal 2021. Damals starben mindestens zehn Menschen. Auch diesmal ist der Distrikt Kozhikode betroffen. Die benachbarten Bundesstaaten Karnataka und Tamil Nadu verlangen inzwischen Tests von Reisenden aus Kerala.

Was ist das Nipah-Virus?

Das Nipah-Virus ist seit Ende der 1990er-Jahre bekannt. "Es hat schon mehrfach zu Ausbrüchen in Südostasien geführt und wird über Flughunde übertragen", erklärt Julia Demann von der WDR-Wissenschaftsredaktion. Auch über Schweine gab es schon einen Ausbruch in Malaysia, wie die Virologin Isabella Eckerle dem WDR sagt.

Zu Infizierungen kann es etwa durch verunreinigte Dattelpalmen kommen. In einigen Regionen in Indien werden die Dattelpalmen angeritzt. Über Nacht wird der süße Sirup in Tongefäßen gesammelt. Das Problem: Der Saft schmeckt nicht nur Menschen. Infrarot-Aufnahmen zeigten nach Angaben von Eckerle, dass auch Flughunde nachts von den angeritzten Stämmen fressen und mit ihrem Urin den Saft kontaminieren. Auch über durch Flughunde angeknabbertes Obst, das später Menschen essen, kann es zu Infizierungen mit dem Nipah-Virus kommen.

Das Virus kann auch von Mensch zu Mensch übertragen werden, "dann aber eben durch infektiöse Flüssigkeiten", so Demann. Man müsse schon einen erkrankten Menschen pflegen, um sich zu infizieren.

Was löst das Virus aus? 

Eine Infektion führt zu grippeähnlichen Symptomen, Atembeschwerden, Gehirnentzündungen bis hin zum Koma. "Die Symptome treten 4 bis 18 Tage nach der Infektion, in einzelnen Fällen auch erst nach einigen Wochen, auf", sagt Julia Demann. Die Sterblichkeitsrate liegt laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) zwischen 40 und 75 Prozent.

Gibt es Impfstoffe oder Medikamente? 

Nein, es gibt weder einen Impfstoff gegen das Nipah-Virus noch gibt es spezifische Medikamente. Aktuell können nur die Symptome behandelt werden. Es wird aber weltweit an einem Impfstoff geforscht - unter anderem an der Universität Leipzig. Dort setzen Fachleute Künstliche Intelligenz ein, um die Virengruppe der Paramyxoviren zu untersuchen, zu denen auch das Nipah-Virus gehört.

Was bedeutet das Nipah-Virus für uns in Deutschland?

Prof. Isabella Eckerle, Leiterin Zentrum fuer Viruserkrankungen, Universitaetsspital Genf

"Es ist extrem unwahrscheinlich, dass das Nipah-Virus sich in Europa und damit auch in Deutschland ausbreitet", sagt Virologin Eckerle dem WDR. Zumal es sich nicht um ein leicht übertragbares Virus handele. Von Mensch zu Mensch werde es nur bei engem Kontakt weitergegeben, etwa bei fehlenden Schutzmaßnahmen in der Familie oder im Krankenhaus. Wer nach Indien reist, sollte aber keinen Palmensaft trinken, rät Eckerle.

Uns droht also demnach nicht die nächste weltweite Pandemie durch das Nipah-Virus?

"Nein, nicht durch diesen Ausbruch in Indien und auch nicht durch das Virus, was dort vorkommt", sagt Eckerle dem WDR. Prinzipiell sei die Familie der Paramyxoviren, zu denen auch das Nipah-Virus gehört, aber eine Virusfamilie, die wir im Auge behalten sollten, denn sie umfasst viele Mitglieder, die von Tieren auf Menschen übertragen werden und darunter auch Viren mit hoher Übertragbarkeit.

Zoonosen - Krankheiten, die von Tieren auf Menschen übertragen werden können - sind bereits vor Tausenden von Jahren aufgetreten. Doch in den vergangenen 20 bis 30 Jahren haben sie sich vervielfacht.

Laut einer im Jahr 2018 in der Fachzeitschrift "Science" veröffentlichten Schätzung gibt es 1,7 Millionen unbekannte Viren in Säugetieren und Vögeln. 540.000 bis 850.000 von ihnen haben demnach das Potenzial, Menschen zu infizieren.

Quellen:

  • Virologin Isabella Eckerle gegenüber dem WDR und via X (ehem. Twitter)
  • WDR-Wissenschaftsredakteurin Julia Demann im WDR-Fernsehen
  • Nachrichtenagentur KNA
  • Nachrichtenagentur AFP
  • Robert-Koch-Institut

Weitere Themen