Seit Wochen streitet die Politik darüber, wie sie auf die steigende Zahl an Asylbewerbern reagieren soll. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst fordert, dass die Zahl der Menschen, die als Flüchtlinge nach Deutschland kommen, reduziert wird.
"Über gute Integration wird kaum mehr gesprochen"
"Wir müssen darüber sprechen, dass weniger Menschen zu uns kommen, die kein Recht haben, dauerhaft hier zu bleiben - damit wir uns um die gut kümmern können, die ein Recht haben, hier zu sein", sagte der CDU-Politiker am Donnerstag im WDR-Interview.
Die Kommunen seien "am Limit", bei der Unterbringung gebe es Probleme und es werde kaum noch über "wirklich gute Integration" gesprochen, die "dringend nötig wäre".
Am Mittwoch hatte die Bundesregierung neue Pläne zur Migration vorgelegt - unter anderem leichtere Abschiebungen. Wüst weist darauf hin, dass das schon im Mai zwischen den Ministerpräsidenten und dem Kanzler verabredet worden sei. "Seit Mai hat man sich Zeit gelassen, das jetzt umzusetzen und in einen Gesetzentwurf zu schreiben. Seit Mai sind 270.000 Menschen wieder nach Deutschland gekommen. Es wird höchste Zeit."
Nötig sei auch eine Ausweitung der sicheren Herkunftsländer. "Es kann nicht sein, dass Menschen, die aus Ländern kommen, in denen dann am Ende nur fünf Prozent einen Asylgrund haben, jahrelang hier in Verfahren sind und wir am Ende keinen Platz haben für all jene, die wirklich vor Krieg und Vertreibung fliehen."
Konkret nannte Wüst die Maghreb-Staaten in Nordafrika, Armenien und Indien. Für die Menschen von dort brauche es zügigere Verfahren, da am Ende nur "ganz, ganz wenige Menschen" Asyl bekämen.
Regierungschefs der Länder treffen sich
Wüst und die anderen Ministerpräsidentinnen und -präsidenten treffen sich zwei Tage lang in Frankfurt. Freitagabend ist ein Spitzengespräch zwischen dem Kanzler, CDU-Chef Friedrich Merz und zwei Ministerpräsidenten geplant, die stellvertretend für die Länder sprechen. Anfang November soll ein Gipfel der gesamten Regierungschefs mit dem Kanzler stattfinden. Diese Treffen werden nun vorbereitet.
Es soll unter anderem um die Kosten für die Unterbringung von Flüchtlingen gehen. Eine Kernforderung der Länder ist, dass es keine fixe Summe mehr geben soll, sondern dass sich der Beitrag des Bundes an der jeweils aktuellen Zahl von Geflüchteten orientiert. Die Rede ist von einem "atmenden System".
Über die grundsätzliche Frage scheint Einigkeit zu herrschen, nur die Höhe einer solchen Kopfpauschale scheint noch offen zu sein. Der Bund bietet offenbar 5.000 Euro pro Geflüchtetem, Länder und Kommunen erwarten 10.000 Euro.
Im Vorfeld hat NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst den Bund immer wieder kritisiert. Im WDR-Interview sagt er: "Es geht darum, dass der Bund nicht bei steigenden Flüchtlingszahlen weniger Geld dafür zahlen kann."
Ampel-Regierung schnürt Migrationspaket
Neben dem Geld für Länder und Kommunen geht es vor allem um die Grundzüge der Asylpolitik. Braucht es strengere Regeln, damit weniger Menschen nach Deutschland kommen? Da scheint sich inzwischen eine Art Konsens herauszukristallisieren. So sagte der Kanzler am Mittwochabend in der ARD: "Die Zahlen derjenigen, die heute als Flüchtlinge kommen, sind zu hoch. Vor allem, wenn wir wissen, dass es nicht auf geordnete Weise geschieht."
Passend dazu konkretisieren sich die Vorstellungen der Bundesregierung zur Asylpolitik:
- Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) kündigte erleichterte Arbeitsmöglichkeiten für Geflüchtete an.
- Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) stellte einen Gesetzentwurf vor, der Rückführungen von Migranten erleichtern soll.
Arbeitspflicht? Bezahlkarten?
Andere Vorschläge, die auf dem Tisch liegen, sind noch komplett offen und dürften auch von den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten diskutiert werden. Dazu zählt zum Beispiel die Idee einer Arbeitspflicht für Asylbewerber. Denkbar wäre, dass die Länder den Bund auffordern, das Sozialgesetzbuch zu ändern, so dass Asylbewerber und anerkannte Flüchtlinge zu gemeinwohlorientierter Arbeit herangezogen werden könnten.
Ein weiterer Vorschlag lautet, Bezahlkarten statt Geld auszugeben. Damit sollen potenzielle Asylbewerber abgeschreckt werden. Außerdem könnten Flüchtlinge kein Geld mehr in die Heimat schicken - und damit, so die Unterstützer der Idee, falle ein weiterer Anreiz weg, nach Deutschland zu fliehen.
Die Idee gewinnt aktuell mehr Unterstützer - auch wenn das System für die Kommunen zunächst einmal mehr bürokratischen Aufwand bedeutet. Deshalb kommt aus den Ländern auch der Einwand, dass die Umstellung zu umständlich sei.
Unsere Quellen:
- Interview mit Hendrik Wüst im WDR-Fernsehen am 12.10.2023
- Interview mit Olaf Scholz in den ARD-Tagesthemen am 11.10.2023
- Pressekonferenz mit Hendrik Wüst am 10.10.2023
- Nachrichtenagenturen dpa und AFP