Kleinkredite boomen

WDR aktuell 05.09.2023 26:49 Min. Verfügbar bis 05.09.2025 WDR Von Diana Ahrabian

Per Klick verschuldet: Viel mehr Kleinkredite durch Paypal, Klarna und Co.

Stand: 05.09.2023, 20:29 Uhr

Nie schien ein Leben auf Pump leichter als heute: Über Anbieter wie Paypal oder Klarna ist ein Ratenkredit nur einen Klick entfernt. Tatsächlich stellt die Schufa fest: Vor allem die Zahl der Kleinkredite ist rasant gestiegen.

Von Nina Magoley

Musste man früher noch zur Bank, um formreich einen Kredit zu beantragen, reicht mittlerweile ein Klick beim Onlinekauf - und schon kann man den gewünschten Artikel in Raten bezahlen. "Buy Now, Pay Later" heißt diese Zahlfunktion, sie wird angeboten von Zahlungsdienstleistern wie Klarna oder Paypal: "Jetzt kaufen, später bezahlen."

Zuwachs bei jungen Schuldnern von 60 Prozent

Eine komfortable Entwicklung - die allerdings leicht zum Verhängnis werden kann. So ist die Zahl der Ratenkreditverträge laut Schufa im vergangenen Jahr um fast ein Drittel gestiegen. 9,1 Millionen Kredite zählt die Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung derzeit in Deutschland. Besonders auffällig: Vor allem Kleinkredite werden mehr. Rund 42 Prozent aller neu abgeschlossenen Ratenkredite liegen derzeit unter 1.000 Euro - das sind satte 90 Prozent mehr als im Jahr davor.

Und: Bei Kunden zwischen 20 und 24 Jahren wuchs die Zahl der Kreditnehmer laut Schufa um fast 60 Prozent. Auch bei den Kleinkredit-Kunden zwischen 20 und 39 Jahren verdoppelte sich die Zahl. Gleichzeitig verbuchen die Schuldnerberatungen ebenfalls einen Zuwachs von Beratungsfällen von bis zu 30 Prozent.

"Man verliert schnell den Überblick"

Gerade für junge Menschen sei die "Buy now, pay later"-Zahlmethode eine echte Falle, sagt Roman Schlag von der Schuldnerberatung der Caritas Aachen: "Man verliert sehr schnell den Überblick." Junge Leute wollten "mithalten, können das oft finanziell aber eigentlich gar nicht". Manchmal beobachteten sie bei der Schuldnerberatung, dass sogar kleinste Käufe wie Kosmetikartikel über Raten bezahlt würden.

Auch der 29-jährige Marco hat diese Funktion öfter genutzt - oft nur für Kleinigkeiten. Da die Rechnung erst später kommt, fiel ihm gar nicht auf, dass er sich immer weiter verschuldete: "Das sammelt sich dann eben an und ich glaube, ich muss noch 2.500 Euro zurückzahlen", stellt er heute fest.

Für Annabel Oelmann von der Verbraucherzentrale in Bremen eine logische Folge: "Wenn ich so ganz leicht und ganz schnell Geld bekomme, dann neige ich meistens auch dazu, leichter Geld auszugeben und im Zweifelsfall auch, eine Kategorie höher zu kaufen, weil es ja so einfach geht." Das sei in der Regel der erste Schritt in Richtung Überschuldungsgefahr.

Inflation kommt noch hinzu

Roman Schlag von der Caritas in Aachen sagt aber auch: Die Zahl der Menschen, die wegen inflationär gestiegener Kosten tatsächlich Schwierigkeiten hätten, ihre Lebenshaltungskosten zu bestreiten, sei ebenfalls gestiegen. Die vermehrten "Lockangebote" von Bezahldiensten wie Paypal oder Klarna würden das Problem aber verschärfen.

Knackpunkt sei eine fehlende finanzielle Bildung besonders bei jungen Menschen, meint Schlag. Schulen müssten viel "lebenspraxisorientierter" lehren. Beispiel: "Wie sieht meine Traumwohnung aus? Kriege ich tolle Möbel vielleicht auch im Sozialkaufhaus, preiswerter und noch dazu nachhaltiger?" Für solche Ideen müssten Schulen das Bewusstsein stärken.

Ausgabenliste machen, Taschengeld festlegen

Gerade den jungen Kunden bei der Schuldnerberatung rate das Team in Aachen, eine Liste der fixen monatlichen Ausgaben zu machen - und dann ein realistisches monatliches Taschengeld festzulegen, das nicht überschritten werden soll.

Unsere Quellen:

  • Pressemeldung der Schufa
  • Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände
  • Experte Roman Schlag, Caritas Aachen
  • Expertin Annabel Oelmann, Verbraucherzentrale Bremen
  • Betroffener

Über dieses Thema berichten wir im WDR am 05.09.2023 auch im Fernsehen: WDR aktuell 21.45 Uhr und am 06.09.2023 im WDR 5 Morgenecho.

Weitere Themen