Wölfe in NRW: Abschuss erlaubt - aber nur auf dem Papier

Stand: 26.08.2022, 16:08 Uhr

Die neue Wolfsverordnung in NRW sollte Probleme lösen und im Notfall sogar den Abschuss auffälliger Tiere erlauben. Doch die Vorgaben der EU lassen dies derzeit offenbar nicht zu.

15 bis 20 Wölfe leben laut Naturschutzbund NRW (NABU) derzeit in Nordrhein-Westfalen. Doch auch wenn die Zahl der Tiere überschaubar ist: Die Probleme, die sie verursachen, sind groß. Immer wieder reißen die Wölfe Nutztiere wie Schafe und Ziegen; auch Ponys wurden schon angegriffen und getötet.

Die Weidetierverbände protestierten und verlangten besseren Schutz, die Politik reagierte. Im März 2022 trat die Wolfsverordnung des Landes NRW in Kraft. Diese regelt die Maßnahmen im Umgang mit auffälligen Tieren und sollte laut der damaligen Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) helfen, den Umgang mit dem Wolf zu erleichtern und Konflikte zu entschärfen. Unter anderem sah die Verordnung vor, dass im äußersten Fall ein Wolf auch "entnommen", sprich: abgeschossen werden könne.

Strenge Schutzvorgaben für Wölfe in der EU

Heinen-Essers Nachfolger Oliver Krischer (Grüne) sieht das allerdings anders. Er verweist in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der SPD, die dem WDR vorliegt, auf die strengen EU-Vorgaben. Diese sicherten dem Wolf, der hierzulande knapp 200 Jahre lang als ausgestorben galt, einen umfangreichen Schutzstatus zu. Für Krischer bedeutet das, "dass ein Bestandsmanagement mit Regulierungsabschüssen von Wölfen (...) nicht zulässig ist". Er sieht für NRW "weder eine fachliche Rechtfertigung noch eine Aussicht auf Erfolg, den Schutzstatus des Wolfes in Deutschland zu ändern".

Und dem WDR sagte Krischer, der Abschuss von Wölfen sei keine Lösung: "Das würde auch der Wolf nicht mit sich machen lassen. Das ist eine Art, die von alleine hier hin kommt. Und wenn wir einen Wolf abschießen, dann wird es sicherlich bald so sein, dass der nächste auftaucht. Und wo soll das enden?" Wichtig sei, die Herden zu schützen.

Neue Zuständigkeiten in der Landesregierung

Der umweltpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, René Schneider, schließt aus der Antwort der Landesregierung auf seine Anfrage: "Das, was vor der Landtagswahl im Frühjahr noch als Schlüssel zu einem besseren Wolfsmanagement gepriesen wurde, war also nicht mehr als weiße Salbe." Mit Spannung werde seine Fraktion verfolgen, "wie sich die Teilung der politischen Verantwortung auf zwei verschiedene Ministerien auswirken wird".

Denn die neue Landesregierung hat die seit vielen Jahren in einem Ministerium gebündelten Zuständigkeiten für Umwelt und Landwirtschaft nun aufgespalten: Umweltminister ist Oliver Krischer von den Grünen, Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen von der CDU. Der SPD-Abgeordnete Schneider vermutet: "Während der Umweltminister den Wolf zu schützen hat, wird die Agrarministerin den Rufen aus der Landwirtschaft folgen und einer Entnahme das Wort reden."

Kein Wolfsabschuss in NRW ohne das OK von Krischer

In der aktuellen NRW-Wolfsverordnung heißt es, dass die oberste Naturschutzbehörde des Landes eine "Gefährdungslage" durch einen Wolf bestätigen muss. Ist die Gesundheit von Menschen gefährdet oder drohen ernste wirtschaftliche Schäden, soll im Einzelfall über eine "Entnahme" entschieden werden. Allerdings: Die oberste Naturschutzbehörde ist in diesem Fall das Umweltministerium. Und das sieht derzeit auch keine Gefährdung. Das letzte Wort wird also Krischer haben.

Umweltminister: Wolfsrisse betreffen meist nur "Hobbyhalter"

Laut Krischer gebe es zudem keine Hinweise, dass die Wölfe gegenüber Menschen auffällig geworden wären. Und auch die wirtschaftlichen Schäden seien kein Anlass zum Einschreiten. Die meisten Wolfsangriffe auf Nutztiere gebe es bei "Hobbyhaltungen" mit wenigen gehaltenen Tieren. René Schneider von der SPD vermutet: "Als Hohn dürften es die Berufsschäfer empfinden, wenn ihnen attestiert wird, sehr viel weniger von Nutztierrissen betroffen zu sein als die Hobby-Schäfer."

Schneider sieht die im Gegensatz von Umweltminister Krischer die Beweidung von Deichen durch Schafe gefährdet: Deichverbände und Schäfer warnten eindringlich: "Wenn Berufsschäfer aufgrund vermehrter Risse und kaum zu schaffender Schutzmaßnahmen aufgeben, stehen schlicht keine Herden zur Beweidung der Deiche mehr zur Verfügung." Die Deichbeweidung durch Schafe gilt als ökologisch besonders wertvoll: Im Gegensatz zu Rasenmähern haben sie eine Geschwindigkeit, die Insekten die Chance bieten, aufzufliegen. Flächen werden sukzessive, also schrittweise und nicht auf einen Schlag "gemäht". Und der "goldene Tritt" der Schafe wird geschätzt, weil er ganz nebenbei den Deich stabilisiert.

Der Wolfsbestand in Deutschland und NRW

Nachdem NRW jahrelang als "Wolfserwartungsland" galt, siedeln sich die Tiere seit 2018 hier wieder an. Derzeit gibt es Wolfsgebiete im Raum Schermbeck am Niederrhein, im Hohen Venn, im Oberbergischen Land sowie in der Senne.

Die "Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf", kurz DBBW, verzeichnet für NRW für 2021/22 zwei Rudel, und ein territoriales Einzeltier. Bei den beiden Rudeln sei eine Reproduktion nachgewiesen, insgesamt 12 Welpen wurden bestätigt. Da die Wölfe von Osteuropa aus eingewandert sind, befinden sich die größten Wolfsvorkommen in Ostdeutschland. Auch Niedersachsen verfügt über eine größere Wolfspopulation mit 20 Territorien.

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