In leuchtendem Orange zeigt sich der herbstliche Wald.

Klimawandel bedroht den Wald - aber Waldbauern zögern beim Umbau

Stand: 01.12.2022, 13:45 Uhr

Trockenheit, Stürme und Käfer: Dem Wald in NRW geht es nach wie vor schlecht. Die Landwirtschaftsministerin hat Pläne zur Rettung - aber die privaten Waldbesitzer ziehen bislang nicht mit.

Von Nina Magoley

Seit Jahren schon ist die jährliche Pressekonferenz der Landesregierung zum Zustand des Waldes eine traurige Veranstaltung. Auch in diesem Jahr ist das Ergebnis des Waldzustandsberichts 2022 kaum überraschend: Dürre, Waldbrände, Stürme und der Borkenkäfer haben dem Wald in Nordrhein-Westfalen weiter zugesetzt.

Für die Erstellung des Waldzustandsberichts werden jedes Jahr die selben über 10.000 Waldbäume begutachtet - vor allem hinsichtlich des Verlusts von Blättern und Nadeln. Mit rund rund 935.000 Hektar ist fast ein Drittel der Fläche NRWs bewaldet. 135.000 Hektar davon beschreibt der Waldzustandsbericht als "Schadflächen".

Immerhin: Rund ein knappes Drittel der untersuchten Bäume seien völlig gesund, ohne Verlust von Blättern oder Nadeln, vermeldete die neue NRW-Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen (CDU) am Donnerstag. Ein weiteres gutes Drittel - 34 Prozent - zeigten eine geringe "Verlichtung" der Baumkrone, 38 Prozent der Bäume seien stark geschädigt. Im vergangenen Jahr war dieser Anteil mit 40 Prozent etwas größer gewesen. Dieser Rückgang in der Bilanz liege aber zum Teil auch daran, dass viele der beobachteten Fichten schlichtweg gar nicht mehr da seien, räumte ein Experte des Ministeriums ein.

Welche Baumarten sind besonders gefährdet?

Abgestorbene Fichten

Opfer des Borkenkäfers: Fichten

Die Fichten sind seit Jahren mit Abstand am stärksten gebeutelt: Attackiert vom Borkenkäfer und mit flachen Wurzeln dauerhaft "unter Wasserstress", ist die Fichte in tieferen Lagen inzwischen fast vollständig verschwunden. Bei den Eichen sind nur 14 Prozent der Bäume völlig gesund, fast die Hälfte hat bereits viele Blätter verloren. Ähnlich sieht es bei der Buche aus. Allein die kräftige Kiefer trotzt dem Klimawandel etwas besser, aber auch hier zeigen 32 Prozent einen deutlichen Verlust von Nadeln.

Was will die Landesregierung tun?

"Der Wald ist unser wichtigster Klimaschützer", erklärte Ministerin Gorißen. Um diesen "Naturschatz" für nachfolgende Generationen zu erhalten, brauche es gesunde und kräftige Bäume, die besser geschützt sind gegen Hitze, Trockenheit und Schädlingsbefall. Aus eigener Kraft, so sehen es die Experten beim Landwirtschaftsministerium inzwischen, könne sich der Wald in NRW nicht mehr erholen. Geplant sei daher, in "klimaangepassten Mischwäldern" tausende neue Bäume zu Pflanzen. Vor allem Buchen, Eichen, Linden, aber auch importierte Arten wie die nordamerikanische Douglasie.

70 Millionen Euro Fördermittel für die Forst- und Holzwirtschaft hat das Land für 2023 geplant. Die Förderrichtlinie "Extremwetterfolgen" sei vereinfacht worden, um Waldbesitzern den Zugang zu erleichtern. Auch die Einrichtung eines Forschungsnetzwerks Wald NRW sei geplant.

Wo liegen die Probleme?

Zunehmendes Problem sind offenbar die privaten Waldbesitzer. Mehr als zwei Drittel des Waldes in NRW ist in Privatbesitz, und damit letztlich auch Handelsware. Viele Forstbesitzer leben vom Verkauf gefällter Bäume, jahrzehntelang wurden Wälder eher nach Ertragsaussichten als unter Naturzschutzaspekten bepflanzt und bearbeitet. Der Nutzungsdruck steige von Jahr zu Jahr, kritisiert der Naturschutzbund (NABU) NRW aktuell, der Wald verkomme vielerorts zur "Holzproduktionsstätte".

Silke Gorißen, Landwirtschaftsministerin NRW, zum Waldzustandsbericht 2022 am 01.12.2022

Für den Wald zuständig: Landwirtschaftsministerin Gorißen

Ministerin Gorißen appellierte eindringlich an die rund 150.000 privaten Waldbesitzer, sich Beratung und Unterstützung beim Land zu holen. Bislang seien nur 23 Prozent der bereitgestellten Fördermittel abgerufen worden. Auch im Vorjahr war das Interesse hier mau, dennoch hatte Gorißens Vorgängerin im Ministerium, Ursula Heinen-Esser (CDU), es abgelehnt, den Privaten irgendwelche Vorgaben beim Umgang mit ihren Waldflächen gesetzlich aufzuerlegen. Auch Parteikollegin Gorißen will es beim Appell belassen: "Wir haben da einen langen Atem". Es gebe offenbar große Unsicherheiten und einen großen Beratungsbedarf, sagte sie.

Mit Nachdruck empfahl Gorißen das Internetportal "Waldinfo.de". Waldbesitzer finden dort speziell für ihr Gebiet Informationen und Rat zur sinnvollen Mischbepflanzung und individuelle Anbauempfehlungen.

Was sagt die Opposition?

Für einen Dialogprozess mit den privaten Waldbauern fehle die Zeit, kritisierte René Schneider, umweltpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag NRW, anschließend. "Diese Zeit haben weder die Forstbesitzer noch ihr Wald." Vor allem die Besitzer kleiner Wälder hätten sich in Forstbetriebsgemeinschaften zusammen getan. Deren finanzielle Förderung will die Landesregierung derzeit anpassen. Daher herrsche dort "eine Art Schwebezustand, in dem die vielen tausend Waldbesitzer nicht wissen, wie es künftig weitergeht", so Schneider.

Was sagen die wissenschaftlichen Experten?

Im Lager de Naturschutzexperten gibt es durchaus die Auffassung, dass der Wald dem Klimawandel eigene Strategien entgegensetzen kann, wenn man ihn sich selbst überlässt. Der Zustand von Forstwäldern und naturbelassenen Wäldern werde "gerne durcheinandergeworfen", sagte Maximilian Weigend, Direktor der Botanischen Gärten der Universität Bonn, am Donnerstag im WDR Radio. Dem naturnahen Wald gehe es "zum Teil noch gut und zum Teil nicht mehr so gut. Dem Forst aber geht es ganz katastrophal schlecht.

Auch der NABU NRW fordert für einen effektiven Klimaschutz "mehr Wälder ohne jegliche Holznutzung – auch im Privat- und Kommunalwald". Zehn Prozent der Gesamtwaldfläche von NRW müsse in Wildnisentwicklungsgebiete umgewandelt werden, im Staatsforst sollten es 20 Prozent sein. "Wo es Sinn macht, tun wir das", sagte darauf Ralf Petercord, Referatsleiter für Waldbau im NRW-Landwirtschaftsministerium, konkrete Festlegungen hätten aber "keinen positiven Effekt".