Stimmzettel aus einer Wahlurne

Gericht kippt 2,5-Prozent-Hürde bei Kommunalwahl

Stand: 21.11.2017, 13:29 Uhr

  • Verfassungsgericht kippt Sperrklausel bei Kommunalwahlen
  • Kleinere Parteien wie Piraten, Linke und NPD hatten geklagt
  • Erschwert die Parteienvielfalt in Kommunalverwaltung die Arbeit?

Von Rainer Striewski

Kleinere Parteien und Einzelbewerber können auch künftig mit weniger als 2,5 Prozent der Wählerstimmen in Kommunalparlamente einziehen. Die vom Landtag beschlossene Sperrklausel bei der Wahl von Gemeinderäten und Kreistagen in NRW ist verfassungswidrig. Das hat der Landesverfassungsgerichtshof am Dienstag (21.11.2017) entschieden.

Die Klausel bewirke eine Ungleichbehandlung, weil Stimmen für Parteien und Wählervereinigungen, die an der 2,5-Prozent-Hürde scheiterten, ohne Einfluss auf die Sitzverteilung blieben, so die Richter. Das gilt allerdings nicht bei den Wahlen der Bezirksvertretungen und der Verbandsversammlung des Regionalverbandes Ruhr. Dort stehe die Sperrklausel im Einklang mit der Landesverfassung, so das Gericht. Sperrklausel 2016 in NRW eingeführt

Die Sperrklausel sollte verhindern, dass zu viele Kleinstparteien und Einzelkämpfer in die nordrhein-westfälischen Kommunalparlamente einziehen - und damit aus Sicht der großen Parteien die Arbeit der Politiker erschweren.

Dagegen hatten mehrere Parteien geklagt. Neben den Landesverbänden von NPD, Die Partei, Linke, ÖDP und Tierschutzpartei gehörten auch die Bürgerbewegung Pro NRW, die Partei Freie Bürger-Initiative/Freie Wähler und die Piratenpartei dazu. "Ich bin froh, dass das Gericht unserem Antrag gefolgt ist und wir so den weiteren Abbau demokratischer Grundsätze und politischer Beteiligung verhindern konnten", sagt Dennis Deutschkämer, Landesvorsitzender der Piraten NRW.

Urteil ein "Scheitern mit Ansage"

Der Landesverband NRW des Vereins "Mehr Demokratie" bezeichnete das Urteil als ein "Scheitern mit Ansage". "SPD, CDU und Grüne haben sich bei ihrer Entscheidung von vornherein auf dünnem Eis bewegt. Jetzt sind sie ins Eis eingebrochen", so Landesgeschäftsführer Alexander Trennheuser.

Zersplitterung der Räte befürchtet

Heimatministerin Ina Scharrenbach (CDU) bedauerte hingegen die Entscheidung des Gerichts. "Eine Hürde von 2,5 Prozent für den Einzug in alle Kommunalvertretungen hätte zu stabileren Arbeitsgrundlagen in den politischen Gremien in den Gemeinden, Kreisen und Städten geführt", so Scharrenbach. Die SPD bezeichnete das Urteil als "schwer nachvollziehbar".

Auch die kommunalen Spitzenverbände nahmen das Urteil mit Bedauern zur Kenntnis. Sie befürchten eine weitere Zersplitterung der Räte und Kreistage. Pro Kommune gebe es bereits durchschnittlich acht Fraktionen und Gruppierungen.

Zahl der Kleinparteien hat zugenommen

SPD, CDU und Grünen hatten die Einführung der Sperrklausel 2016 damit begründet, dass in den vergangenen Jahren die Zahl der Kleinstparteien stark zugenommen und zu einer "Zersplitterung" der Kommunalverwaltungen geführt hätte. Dass aber die 2,5-Prozent-Sperrklausel zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der Gemeinderäte und Kreistage erforderlich sei, sei weder im Gesetzgebungsverfahren noch im Rahmen der Organstreitverfahren in der gebotenen Weise deutlich gemacht worden, führte die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs, Ricarda Brandts, in der Urteilsbegründung aus.

Bis 1999 galt in NRW bei Kommunalwahlen eine Sperrklausel von fünf Prozent. Das Landesverfassungsgericht hatte schon diese Hürde für ungültig erklärt. Die Folge: In Räten und Kreistagen sitzen teilweise mehr als zehn verschiedene Gruppierungen und Parteien.