Kein Wasser für den Kleingarten – Millionen Kubikmeter für die Industrie
Stand: 21.08.2022, 12:29 Uhr
Kleingarten mit Flusswasser gießen? Das ist an vielen Orten gerade verboten. Die Industrie aber nutzt Millionen Kubikmeter Rheinwasser, trotz sinkender Pegel. Wie kommt das – und was unternimmt die Politik?
Von Daniela Becker & Per Quast
Joachim Fogger bewässert seinen Garten
Horst Brochhagens Beet ist staubtrocken. Er ist Vorsitzender des Kleingärtnervereins in Köln-Dellbrück. Eine Anlage des Vereins liegt direkt am kleinen Kemperbach – der war früher die Wasserquelle für die kleinen Gärten und Beete.
Inzwischen muss zum Bewässern - wenn überhaupt - mit einem hunderte Meter langen Schlauch Trinkwasser herangeholt werden. Wegen der anhaltenden Trockenheit darf aktuell in der ganzen Stadt Köln kein Wasser mehr aus Bächen oder Flüssen entnommen werden.
Chemie-Riese nutzt Rheinwasser zum Kühlen
Auch aus dem immer schmaler werdenden Rhein darf aktuell kein Wasser entnommen werden. Eigentlich, denn die Industrie zapft weiterhin ab - mit Genehmigung der Behörden. Zum Beispiel der Chemieparkbetreiber Currenta in Leverkusen.
Für die Produktion und zum Kühlen werden riesige Mengen benötigt. Wieviel genau, teilt Currenta auf Anfrage nicht mit, verweist nur darauf, dass die Menge "variiert, je nach Produktionsleistung". Der Großteil des entnommenen Wassers fließe gereinigt wieder zurück in den Rhein. "Grob gesagt acht bis neun von zehn Litern", heißt es von Currenta.
Gebrauchtes Wasser ist deutlich wärmer
Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) in NRW kritisiert: Das wieder eingeleitete Wasser sei mit Biozioden verunreinigt, außerdem werde es viel wärmer zurück in den Fluss geleitet, als es entnommen wurde.
"Damit die Kühlung funktioniert, brauchen sie am besten drei Grad Kelvin Differenz zwischen der Temperatur, die der Fluss gerade hat, und dem, was sie nachher wieder einleiten", sagt BUND-Wasserexperte Matthias Schmitt.
Das heißt, wenn das Wasser 26 Grad warm ist, werde es mit 29 Grad wieder eingeleitet. "Das hat die Folge, dass der Sauerstoffgehalt weniger wird und die Tiere Probleme bekommen", so Schmitt.
Currenta antwortet dem WDR: Das abgeleitete Kühlwasser entspreche den Vorgaben der Abwasserverordnung.
RWE und Evonik entnehmen große Mengen Wasser
Auch bei RWE und Evonik hat der WDR nachgefragt, wie groß die jährliche benötigte Wassermenge ist.
• RWE gibt an, im Jahr 2021 rund 500 Mio. m³ Grundwasser und 35 Mio. m³ Flusswasser (aus Erft, Inde und Rur, Lippe, Datteln-Hamm-Kanal, Rhein-Herne-Kanal, Rheinuferfiltrat) entnommen zu haben. Der Großteil davon sei benötigt worden, um den Grundwasserspiegel an den Braunkohletagebauen zu senken, um dort die Standsicherheit zu gewährleisten.
• Evonik benötigt deutschlandweit rund 90 Mio. m³ Wasser – der Großteil werde wieder abgeführt, heißt es.
Wer darf ans Wasser?
Ob Currenta, RWE oder Evonik: Trotz Trockenheit und Wasserknappheit haben die Unternehmen eine Genehmigung für die Wasserentnahme. Die Bezirksregierungen in NRW vergeben diese Genehmigungen. Und die Wasserrechte gelten meist Jahrzehnte - unabhängig von Dürreperioden.
Prof. Claudia Pahl-Wostl
Ein Umstand, der nicht länger zu verantworten ist, kritisiert die international anerkannte Wissenschaftlerin Prof. Claudia Pahl-Wostl von der Universität Osnabrück.Sie arbeitet mit einem internatioalen Forscherteam zusammen, welches Satellitenbilder ausgewertet hat.
Das Ergebnis: Deutschland gehört zu den Regionen mit dem höchsten Wasserverlust weltweit. "Die Wassermenge, die gespeichert ist in den Grundwasserressourcen, im Boden, in Oberflächengewässern, aber auch sonst in Pflanzen hat einfach signifikant abgenommen in den letzten circa zehn bis 20 Jahren."
Rheinland-Pfalz begrenzt Wasserrechte
In Rheinland-Pfalz hat die Landesregierung bereits umgesteuert. Die neue Strategie lautet: Die Vergabe von Wasserrechten soll zeitlich stärker begrenzt werden. Außerdem wird in festgelegten Intervallen überprüft, wieviel Wasser entnommen werden darf. Ist der Grundwasserspiegel gesunken, muss auch die Entnahme gedrosselt werden.
Landesumweltminister Oliver Krischer
All das werde jetzt auch in NRW diskutiert, kündigt Minister Oliver Krischer (Grüne) im Interview mit dem WDR an. "Wir werden alle Maßnahmen ergreifen, gegebenenfalls bis hin zu Gesetzesänderung, wenn das erforderlich sein sollte, um beispielsweise Genehmigungen zu befristen oder Unternehmen zu Wassersparmaßnahmen zu verpflichten."
Wie schnell das umgesetzt werden wird, darauf will sich der Umweltminister nicht festlegen. Er kündigt eine Aufarbeitung an. Das werde eine Sisyphos-Arbeit.
Über dieses Thema berichtet unter anderem im WDR Fernsehen das Magazin Westpol, Sonntag, 19:30 Uhr.