Straßenausbaubeiträge: Die Letzten beißt die Stichtagsregel
Stand: 12.01.2024, 12:35 Uhr
Die schwarz-grüne Landesregierung will die Straßenausbaubeiträge in NRW endgültig abschaffen. Doch bei der Anhörung dazu im Landtag zeigte sich am Freitag: So ganz ist der Protest noch nicht befriedet.
Von Wolfgang Otto
Es wirkt wie ein schwacher Nachhall der großen Bürgerproteste von vor fünf Jahren gegen die Straßenausbaubeiträge. Ein rundes Dutzend Protestierende hat sich vor dem Landtag eingefunden. Sie fordern die Abschaffung der Sonder-Abgabe für Anlieger. Das ist merkwürdig, denn gleichzeitig beraten Sachverständige und Verbandsvertreter im Landtag eine Gesetzesänderung der Landesregierung. Damit sollen eben jene Straßenausbaubeiträge endgültig aus dem Kommunal-Abgabengesetz gestrichen werden. Damit sind die verhassten Beiträge eigentlich Geschichte.
Der vermaledeite Stichtag
"Nur für uns leider nicht", sagt Johannes Paeßens, einer der betroffenen Demonstranten aus Uedem im Kreis Kleve. Drei Straßen wurden dort von Grund auf saniert, rund 50 Anwohner mussten teils hohe Straßenausbaubeiträge dafür entrichten – bis zu 23.800 Euro.
Das Problem: Für die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge gibt es einen Stichtag. Für alle Ausbau-Maßnahmen, die nach dem 1.1.2018 beschlossen wurden, werden die Anwohner nicht mehr zur Kasse gebeten. Für alle Fälle davor aber schon. "Wir schrammen 30 Tage an dem Stichtag vorbei", stellt Johannes Paeßens bitter fest.
Ähnliche Fälle gibt es auch in anderen Gemeinden des Landes. Ihr Anliegen wird bei der Anhörung zum Beispiel vom Bund der Steuerzahler NRW vertreten. Der Vorsitzende Rik Steinheuer spricht von einer absurden Situation: "Ausgerechnet diejenigen, die sich beim Protest gegen die Straßenausbaubeiträge damals über die Maßen engagiert haben, fallen jetzt durchs Rost".
Der lange Ausstieg
2019 hatte der Bund der Steuerzahler die Wut-Welle gegen die Straßenausbaubeiträge im Land in einer Volksinitiative gebündelt. Fast eine halbe Million Unterschriften kamen zusammen, damit war es die größte Volksinitiative in der Geschichte des Landes.
Es folgte ein Abschied auf Raten: Zunächst übernahm die damals noch schwarz-gelbe Landesregierung 50 Prozent, dann – kurz vor der Landtagswahl 2022 – 100 Prozent der Straßenausbaubeiträge. Dafür wurde ein Förderprogramm aus der Landeskasse aufgelegt. Doch Förderprogramme können leicht wieder einkassiert werden.
Mit der Streichung der Abgabepflicht aus dem Kommunalabgabengesetz macht Schwarz-Grün jetzt den Deckel auf den Sarg der Straßenausbaubeiträge. Die Kommunen rechnen ihre Kosten künftig direkt mit der Landesregierung ab, dafür stehen jährlich 65 Millionen Euro bereit.
Protest befriedet - aber nicht für alle
NRW-Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU) zeigt sich mit dem Ergebnis zufrieden. Aus ihrer Sicht ist der Großprotest damit befriedet. Sie glaubt auch nicht, dass sich an dem Stichtag noch etwas ändern wird: "Der Koalitionsvertrag ist an dieser Stelle sehr klar und damit ist dann, glaube ich, auch Rechtsklarheit und Frieden gewahrt".
Der Bund der Steuerzahler, aber auch SPD und FDP im Landtag, sind da anderer Meinung. Justus Moor, der kommunalpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, spricht von einer "Bestrafung" durch Schwarz-Grün – "ausgerechnet für diejenigen, die sich damals für die Abschaffung der Beiträge eingesetzt haben".
Härtefallregelung?
Die gemeinsame Forderung an die Landesregierung lautet deshalb: Der Stichtag sollte vorverlegt werden. Auch ein Härtefall-Fonds würde helfen, aus dem Stichtags-Opfer zumindest teilweise entschädigt werden könnten.
"Das ist unsere letzte Chance", sagt Johannes Paeßens auf der Wiese vor dem Landtagsgebäude. "Was meinen Sie, warum wir hier in der Kälte stehen?" Vorige Woche hat die Nachbarschaft in der Gartenstraße in Uedem eine 98-jährige Anwohnerin zu Grabe getragen. Ihre Beitragsrechnung hatte sie vorher noch beglichen.