Nach Wahlschlappe: Wie die SPD ihren Wahlkampf in NRW verändern wird

Stand: 16.03.2023, 10:18 Uhr

Die SPD in Nordrhein-Westfalen zieht Konsequenze aus ihrer historischen Niederlage bei der Landtagswahl: Ihr Wahlkampf soll sich fundamental ändern - mit Auswirkungen für alle Parteien.

Von Christoph Ullrich Christoph Ullrich

"Wahlanalyse zur Landtagswahl 2022 - Ergebnisse und Handlungsempfehlungen" heißt der schmucklose Titel der Analyse. Dem WDR liegen die 32 Seiten vor, die am Montag im Landesvorstand der Partei verteilt wurden.

Das Papier ist die Folge aus einer historischen Niederlage. Bei der Landtagswahl im Mai 2022 wählten weniger als 27 Prozent die einstige Regierungspartei. Viele ihrer Wählerinnen und Wähler verabschiedeten sich dabei in das Lager der Nichtwähler.

Die niedrige Wahlbeteiligung von 55 Prozent war und ist damit das vordringliche Problem der SPD. Deshalb widmet sich der Text zu einem großen Teil genau den Menschen, die nicht mehr zur Wahl gegangen sind, obwohl sie früher ihr Kreuz bei den Sozialdemokraten gemacht haben.

Politik macht nur "Symptombekämpfung"

Die Motive für die Nichtwahl sind vielfältig. Aber eine große Zahl der Menschen habe das Gefühl, "dass Politik nur wenig Einfluss auf die großen Krisen nehmen könne und lediglich Krisenmanagement betreiben würde". Diese "Symptombekämpfung" werde als unzureichend empfunden, heißt es weiter.

Im Kern diagnostiziert die SPD eine Kluft zwischen Gesellschaft und Politik, die die Menschen zurück ins Private drängt. Daher müsse die Partei sich mehr auf die alltäglichen Themen der Menschen einlassen. Vor allem in der Bildungspolitik, beim ÖPNV aber auch bei der sozialen Gestaltung der Energiewende sei die Partei gefordert.

Landespolitik keine "Marionette der Bundespolitik"

Auch müsse man klar machen, was die Landespolitik konkret bedeute. "Die Landesebene gilt den Befragten als unsichtbar, unwichtig oder gar als „Marionette“ der Bundespolitik", analysiert die NRW-Partei. Künftige Kampagnen und Initiativen sollten sich daher auf wenige, aber gewichtige Themen beschränken.

Vor allem die demographische Entwicklung der Partei bereitet intern Sorgen. Das Durchschnittsalter der Basis liegt in den Hochburgen bei 62 Jahren, während jedoch besonders jüngere Kandidatinnen in Randlagen immer bessere Ergebnisse erzielten. Diese vereinzelten Erfolge in der sozialdemokratischen "Diaspora" würden allerdings nicht die Verluste in den Hochburgen wie Gelsenkirchen auffangen, weil gerade dort viele Menschen nicht mehr zur Wahl gingen.

Grundlegende Veränderung des Wahlkampfs

Die Handlungsempfehlungen haben aber nicht nur Auswirkungen für die SPD selbst. Sollte die Partei die vorgeschlagenen 19 Maßnahmen umsetzen, könnte dies künftige Wahlkämpfe in NRW grundlegend verändern.

So gebe es zum Beispiel "einen engen, negativen Zusammenhang zwischen SPD-Ergebnissen und dem Abschneiden der Grünen." Diese Schlussfolgerung bedeutet wohl auch eine deutliche Abgrenzung zum einstigen Haupt-Koalitionär. Darauf deutet auch der Satz im Strategiepapier, die sozial gestaltete Bekämpfung der Klimawandel-Folgen müsse als "Megathema" verstanden werden.

Einen hohen Stellenwert misst die SPD dem Einfluss der Briefwahl bei. Die CDU habe von ihr stark profitiert, ihr Vorsprung bei dieser Landtagswahl sei "so eklatant, dass bei diesem hohen Briefwahlanteil der Kampf um Platz 1 deutlich vor der finalen Wahlwoche entschieden wurde."

Briefwahl habe Wahl vorentschieden

Deshalb müssten sich künftige Kampagnen danach ausrichten, zu einem deutlich früheren Zeitpunkt Themen zu setzen. Auch ein TV-Duell kurz vor der Wahl sieht man kritisch. Und auch der Auftritt und die Strategie von Spitzenkandidat Thomas Kutschaty werden hinterfragt.

So wolle man künftig mehr Reizpunkte setzen und damit den politischen Gegner inhaltlich mehr aus der Reserve locken. Dies solle aber auf mehrere Schultern verteilt werden. Bereits zur Kommunalwahl 2025 müsse die Partei aus ihrer Sicht wieder auf Landesebene kampagnenfähig sein, um mit Vorgriff auf die Landtagswahl stärker repräsentiert zu sein.

Bereit für Regierungsverantwortung

Dem schwarz-grün Regierungsbündnis wird eine "Selbstzufriedenheit" attestiert, die aus Sicht der SPD bald verflogen sein könne. Man müsse daher auch vor dem Wahltermin 2027 bereit sein, "Regierungsverantwortung zu übernehmen".

Aus der Analyse will der SPD Vorstand einen Antrag für den Landesparteitag in Münster formulieren. Im Mai sich dort Thomas Kutschaty - trotz der Niederlage 2022 - erneut zum Chef des größten Landesverbandes wählen lassen. Die Umsetzung des Papiers ist somit also auch an die politische Zukunft Kutschatys gekoppelt.

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