Wenn wir mitreden können, sind wir eher bereit, eine Mehrheits-Entscheidung zu akzeptieren. Darum sind Wahlen oder auch die immer häufiger eingesetzten Bürgerräte ein wichtiges Element unserer Demokratie. Mitreden und mitentscheiden - das sind Kernelemente unserer Gesellschaft. Sie soll durch ein neues Projekt an den Schulen im Land gestärkt werden. Es wird getragen vom NRW-Schulministerium und der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung. Bildungsministerin Dorothee Feller (CDU) und die Geschäftsführerin der Stiftung, Anne Rolvering, stellten das Vorhaben am Montag in Düsseldorf vor.
Das wünschen sich Hannah und Carl
Ebenfalls dabei waren die 13-jährige Hannah Wiemhöfer und der 14-jährige Carl Metz. Sie besuchen die 7. und 8. Jahrgangsstufe der Gesamtschule Münster Mitte. Während die Ministerin und die Geschäftsführerin recht abstrakt einen mehrjährigen "ergebnisoffenen" Prozess skizzierten, sagten Hannah und Carl ganz konkret, was sie sich wünschen: Die Schule solle ein "safe space" sein, es dürfe keine Angst vor Diskriminierung geben, gewaltfreie Sprache sei wichtig, kleinere Klassen und mehr Lehrkräfte ebenso. Carl nannte als weitere Beispiele den Ausbau der Digitalisierung und eine bessere Durchmischung der Communitys, um Vorurteile abzubauen. Hannah forderte mehr Projektarbeit, denn "wenn man seine Stärken entfaltet, dann hat man eine bessere Vorstellung von seiner Zukunft".
Das klingt nach einer Wunschliste XXL, aber Hannah hatte auch noch ein Beispiel, dessen Umsetzung wohl eher zu schaffen sein müsste: Sie würde gerne bei der Auswahl des Mensaessens mitreden. Es ist also ein weiter Bogen von den ganz großen zu den kleinen Dingen im Schulleben, die junge Menschen beschäftigen.
Beteiligung von Anfang an
Schulministerin Feller erhofft sich von dem Beteiligungsprogramm eine Stärkung des Demokratieprozesses. Sie setzt dabei auf die Kompetenzen, die entstehen, wenn man andere überzeugen und Mehrheiten gewinnen muss. Und weil die Beteiligung der Schülerschaft so wichtig sei, gebe es jetzt auch noch keine Formate oder Vorschläge, sondern alles soll mit den Jugendlichen zusammen erarbeitet werden.
Selbst den Name des Projekts, das jetzt noch den sperrigen Arbeitstitel "Beteiligungsprozess für Schülerinnen und Schüler zur Förderung der Demokratiekompetenz" trägt, sollen die Betroffenen mitbestimmen können, wie Anne Rolvering von der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung erklärte. Dorothee Feller sagte: "Nur wer sich ernst genommen fühlt, wird auch mitmachen."
Und wenn die Schüler am Ende ein Schulfach abschaffen wollen?
Die Schulministerin ist sich durchaus bewusst, dass am Ende auch Forderungen stehen könnten, die ihr nicht genehm sind. "Vielleicht wollt ihr ein Fach abschaffen?", sagte die CDU-Politikerin und schaute Hannah und Carl Gesamtschule Münster Mitte fragend an. "Aber auch darüber müssen wir dann diskutieren." Denn der Austausch von Argumenten gehöre ebenso zum Prozess dazu.
Die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung und das Schulministerium hoffen, durch dieses neue Programm in einem größeren Umfang junge Menschen für das Mitdenken und Mitentscheiden gewinnen zu können, als es bisherige Formate tun. Nach der Erfahrung von Anne Rolvering werden durch Jugendparlamente oder Debattierzirkel die ohnehin schon eloquenten und interessierten Schülerinnen und Schüler angesprochen.
So soll das Programm ablaufen
Bis 2026 sollen ein Beteiligungsprozess an 250 Schulen in NRW durchgeführt werden. Schulen können sich um eine Teilnahme bewerben, das Programm soll ab März breit beworben werden. Es richtet sich an Schülerinnen und Schüler der 6. bis 8. Jahrgangsstufe an allen allgemeinbildenden Schulen in NRW.
Die 250 ausgewählten Schulen erhalten Unterstützung durch die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung. Gemeinsam sollen dann Themen und Formate für eine Beteiligung entwickelt werden. Bei der Auswahl der Schulen will das Ministerium auf eine ausgewogene Mischung achten. Schulformen, Regionalität und Sozialindex spielten beispielsweise eine Rolle, erklärte Feller.
In einem späteren Schritt werden 25 ausgewählte Schulen verstärkt unterstützt, unter anderem können diese bis zu 1.000 Euro Fördergeld erhalten. Als "Höhepunkt und Ausdruck der Wertschätzung" soll es 2026 zum Abschluss einen Jugendkongress im NRW-Landtag geben. Dorothee Feller hofft, am Ende dauerhaft neue Beteiligungsformate an den Schulen in NRW etablieren zu können.
Beispiel Schülervertretungswahl in Neuss
Vielleicht bewirbt sich ja die Janusz-Korzak-Gesamtschule aus Neuss um eine Teilnahme am Programm. Sie zeigte im letzten Jahr beispielhaft, wie sich junge Menschen an die Demokratie heranführen lassen. Dort wurde die Wahl der Schülersprecher wie eine Landtagswahl aufgezogen - mit Wählerverzeichnis, Wahlkabinen und ehrenamtlichen Wahlhelfern. Der Erfolg war riesig: In der Mittagspause standen die Schülerinnen und Schüler Schlange, um ihre Stimme abgeben zu können. Am Ende lag die Wahlbeteiligung bei über 90 Prozent.
Über dieses Thema berichten wir im WDR-Landesmagazin Westblick auf WDR5 ab 17:04 Uhr am 15.01.2024.