Gesundheitsamt-Mitarbeiter am Telefon bei der Nachverfolgung von Corona-Infektionsketten.

Gesundheitsämter nutzen Pandemie-Software kaum

Stand: 04.05.2021, 11:29 Uhr

Nur 15 von 53 Gesundheitssämtern in NRW nutzen die Software "Sormas". Eigentlich sollte das Programm die Kontaktverfolgung nach einer Coronainfektion beschleunigen.

Von Anne Bielefeld

Fieberhaft versuchen die Mitarbeiter des Gesundheitsamtes in Essen alle frischen Corona-Meldungen zu verarbeiten, Kontaktpersonen zu ermitteln. Wieder schiebt eine Mitarbeiterin ein Fax durchs Gerät.

Im Gesundheitsamt Essen läuft es noch immer analog, wenn ein Corona-Infizierter aus einer anderen Stadt kommt. So kann eine ganze Woche vergehen, bis jemand informiert ist. Wichtige Zeit, in der viele andere Menschen hätten geschützt werden könnten.

Umstellung zu aufwendig

Doch auch in Essen ist die Pandemie-Software "Sormas" noch nicht im Einsatz. Dabei hatte NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) im Februar erneut Druck gemacht. Alle 53 Gesundheitsämter in NRW sollten das Programm endlich nutzen, um Kontaktdaten von infizierten Personen digital über Stadtgrenzen hinweg austauschen zu können.

Die Recherche des WDR-Politikmagazins "Westpol" hat ergeben, dass erst 15 Gesundheitsämter im Land mit "Sormas" arbeiten. "In einem laufenden Betrieb, wo Sie zwischen 150 und 250 positive Meldungen am Tag haben, können Sie keine Systemumstellung durchführen", sagt Juliane Böttcher, Leiterin des Essener Gesundheitsamtes.

Vergebliches Warten auf den Anruf

Was es heißt, wenn sich niemand vom Amt meldet, hat Familie Sonntag aus Essen erlebt. Michael Sonntag und sein Sohn Raphael hatten sich mit Corona infiziert. Erst am Ende der selbst auferlegten Quarantäne gab es den ersten Kontakt, erzählt Michael Sonntag. "Da kam dann kein Anruf, sondern ich habe mich gemeldet und habe die Antwort bekommen: Ja, Sie haben alles richtig gemacht, eigentlich hätten wir uns melden müssen."

Keine Zeit für Sormas

Noch nutzten die meisten Kommunen ihre eigenen Programme zur Kontaktverfolgung. Mitten in der dritten Welle sei es nicht machbar "Sormas" zu installieren, heißt es auch aus Bielefeld. Mitarbeiter müssten dafür geschult werden. Das Gesundheitsamt Bielefeld wünscht sich zwar eine einheitliche digitale Infrastruktur bei der Kontaktverfolgung für Bund und Land. Zeit, sich darum zu kümmern, sei dafür aber erst nach der Corona-Pandemie.

Grünen-Fraktion beantragt Fragestunde

Inzwischen hat die Opposition auf die Berichterstattung von Westpol reagiert. Für Donnerstag haben die Grünen eine Fragstunde im Digitalausschuss beantragt. Sie wollen, dass Wirtschaftsminister Pinkwart erklärt, wie die Regierung die Gesundheitsämter bei der Implemenitierung von SORMAS unterstützen will. "Dass weniger als ein Drittel der Gesundheitsämter die digitale Kontaktnachverfolgung mit SORMAS implementiert hat, ist ein Armutszeugnis für den NRW-Digitalminister. Pinkwart lässt offenbar die Kommunen, die seine hochtrabenden Ankündigungen umsetzen sollen, dann mit der Umsetzung alleine", sagte der digitalpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Matthi Bolte-Richter.