Etwas mehr als 16.000 Euro Einkommen haben freie Musiker 2024 in Deutschland im Durchschnitt im Jahr - brutto, wohlgemerkt. Für freie Schriftstellerinnen, Schauspieler, Maler oder Bildhauerinnen sieht die Lage nicht viel besser aus: Das durchschnittliche Jahreseinkommen aller freiberuflich Kreativen liegt aktuell bei rund 20.000 Euro.
Das hat die Künstlersozialkasse errechnet, eine Art staatliche Sozialversicherung, bei der etwa die Hälfte der freischaffenden Künstler kranken- und rentenversichert ist. Zwar haben die meisten ihren Beruf studiert und einen akademischen Abschluss - zum Leben reicht das Einkommen aber in der Regel nicht. Für finanzielle Rücklagen bei Krankheiten oder eine ausreichende Altersversorgung schon gar nicht.
Ein Grund, warum man immer wieder auf Pizzaboten, Kellner oder Taxifahrerinnen trifft, die sich im Gespräch als hauptberufliche Künstler outen. Doch die Kunst allein, das zeigt sich dann, reicht nicht zum Überleben.
Mehr Geld für alle ab 2026
Das will die NRW-Landesregierung jetzt ändern - zumindest für diejenigen, die in Programmen der Kulturellen Bildung arbeiten, die allein vom Land gefördert werden. Das sind Programme wie beispielsweise "Künstler in die Kita" oder "Kultur und Schule". Für selbstständige, professionelle Künstlerinnen und Künstler gilt hier ab 1. August eine Honorar-Untergrenze von 55 Euro brutto pro Stunde, plus Spesen wie zum Beispiel Reisekosten.
Bislang wurden in solchen freien Jobs für 45 Minuten in der Regel 27,50 Euro gezahlt, für eine Stunde also rund 30 Euro. Die neue Honorar-Untergrenze bedeutet also für diese Programme im Bereich der Kulturellen Bildung ein deutliches Plus.
Die flächendeckende Einführung in allen Sparten, so das NRW-Kulturministerium, soll dann ab Januar 2026 folgen. Dann gelte die Honorar-Untergrenze für alle, die für Kulturprojekte arbeiten, an denen das Land mit mindestens einem Cent Förderung beteiligt ist.
Brandes: "Wer Vollzeit arbeitet, muss davon leben können"
"Wertvoller Beitrag": NRW-Kulturministerin Ina Brandes
"Künstlerinnen und Künstler leisten für unsere Gesellschaft einen wertvollen Beitrag", sagt NRW-Kulturministerin Ina Brandes (CDU). Diese Arbeit müsse einen fairen Preis haben: "Wer Vollzeit arbeitet, muss von dieser Arbeit seinen Lebensunterhalt bestreiten können." Von einer Honorar-Untergrenze werde auch die Qualität der Kulturangebote profitieren, ist sich Brandes sicher: "Wer sich ohne Nebenjobs voll auf seine Arbeit konzentrieren kann, wird auf einem noch höheren Niveau arbeiten können."
NRW ist das erste Flächenland, das solche Honoraruntergrenzen auf einer gesetzlichen Grundlage zur Pflicht macht.
14.000 Euro Bruttoeinkommen für Jazzmusiker
Zuverdienst als Straßenmusiker
Für Janning Trumann, Jazz-Posaunist mit eigenem Quartett in Köln, ist das zunächst eine gute Nachricht: Im Podcast "RheinBlick" erzählt er, wie viele Jazzmusiker sich mit Nebenjobs abstrampeln müssen, um halbwegs über die Runden zu kommen. Laut Deutschem Musikinformationszentrum liegt das durchschnittliche Jahresarbeitseinkommen für Jazzmusiker 2024 bei rund 14.000 Euro brutto. "Viele haben mehrere Einnahmequellen: Sie unterrichten, geben Konzerte, arbeiten als Musikdienstleister." Wenn es gut laufe, komme dabei ein zum Leben ausreichender Monatslohn heraus.
Auch andere Künstler können sich ohne Nebenjobs ihren Hauptberuf, für den sie meist studiert haben, in der Regel nicht leisten. Schuld an der prekären Lebenssituation vieler Künstler sei nicht nur die schwankende Auftragslage, sagt der kulturpolitische Journalist Peter Grabowski im Podcast "RheinBlick" - "auch die schlechte Bezahlung in der Branche, die wiederum viel zu tun hat mit den Förderbudgets der öffentlichen Hand" trage dazu bei.
Förderetats für Veranstalter müssen auch steigen
Cologne Jazzweek: "150 Euro pro Abend funktioniert nicht mehr"
Und hier liege auch der Wermutstropfen bei der eigentlich erfreulichen neuen Honorar-Untergrenze, sagt Musiker Janning Trumann. Er ist auch Veranstalter des jährlichen internationalen Festivals "Cologne Jazzweek" in Köln. Wenn das Land für solche Projekte nicht gleichzeitig die finanziellen Förderungen erhöhe, bedeute das für die Veranstalter, dass sie künftig beim Programm sparen müssen: "Wir haben genauso viel Geld im Topf, wie bisher, müssen die Künstler aber besser bezahlen." Dem Künstler "einfach ein Angebot zu machen von 150 oder 200 Euro für einen Abend" - das funktioniere künftig nicht mehr.
Trumann erinnert an den Koalitionsvertrag der schwarz-grünen Landesregierung von 2022. Darin heißt es: "Wir werden den Kulturetat bis zum Ende der Legislaturperiode schrittweise um 50 Prozent erhöhen. Diese Erhöhung darf aber nicht zu Einsparungen bei der kommunalen Kulturförderung führen." In den ersten zwei Jahren dieser Legislaturperiode, sagt Trumann, habe es keine Erhöhung des Etats oder der Förderungen gegeben. Vielmehr werde allenthalben vom Sparen geredet.
Ministerium bleibt vage
Auf WDR-Anfrage sagte ein Sprecher des NRW-Kulturministeriums am Mittwoch: Da das Ministerium "keine Detailkenntnis" davon habe, wie einzelne Künstlerinnen und Künstler bislang bezahlt werden, lasse sich die Höhe der Mehrkosten "seriös nicht beziffern". Der Vorlauf bis Einführung der erweiterten Honorar-Untergrenzen am 1. Januar 2026 gebe den Veranstaltern aber "die Möglichkeit, sich auf die neuen Bedingungen einzustellen".
Wie das gehen soll, erschließt sich aus Sicht von Musik-Veranstaltern wie Janning Trumann nicht ganz: Eine Erhöhung der Ticketpreise sei derzeit keine Option, sagt er, Mäzene oder größere Sponsoren hielten sich im Moment ebenfalls zurück. "Wenn wir das ernst meinen mit der besseren Bezahlung, müssten die Förderetats steigen."