Der Schatten eines Mannes mit Aktentasche vor heller Fensterfront.

Lobbyranking 2024: Mäßige Noten für NRW

Stand: 13.08.2024, 14:00 Uhr

Lobbyisten versuchen, Regierungen im Interesse von Unternehmen zu beeinflussen. Die Landesregierung geht offenbar nur mäßig dagegen vor.

Von Nina Magoley

Wie transparent ist Politik in Deutschland? Was weiß man über Nebeneinkünfte von Politikern, über ihre Verbindungen in die Wirtschaft? Welche Regeln haben die einzelnen Bundesländer für eine integre und transparente Politik? Zum dritten Mal hat der Verein Transparency Deutschland die einzelnen Bundesländer von Neuem unter die Lupe genommen. Ergebnis ist ein sogenanntes "Lobbyranking" - eine Art Hitliste der Transparenz.

NRW im oberen Mittelfeld

Das Ergebnis: NRW liegt in diesem Jahr auf Platz sechs - und hat sich damit sogar leicht verbessert im Vergleich zum Vorjahr. Allerdings hapert es hierzulande ausgerechnet an den wichtigsten Transparenzpunkten.

Überprüft werden die Länder auf vier Aspekte:

  • Lobbyregister: Gibt es eine öffentliche Liste der Lobbyisten, die als Teil oder im Auftrag eines Unternehmens Einfluss auf die Politik ausüben wollen?
  • Legislativer Fußabdruck: Ist ausreichend dokumentiert, wie eine Gesetzesvorlage entstanden ist? So soll transparent werden, welche Interessen sich möglicherweise in Gesetzesvorhaben widerspiegeln.
  • Karenzzeit: Ausgeschiedene Politiker sollen eine bestimmte Zeit warten müssen, bis sie in ein Unternehmen der freien Wirtschaft einsteigen.
  • Verhaltensregeln: Das sind meist Anzeigepflichten und Verbote, das Regelwerk enthält meist auch Sanktionen.

Zwar haben sich 12 der 16 Bundesländer gegenüber dem Lobbyranking 2022 leicht verbessert. Dennoch erfüllen 13 Bundesländer auch in diesem Jahr nicht einmal die Hälfte der möglichen Transparency-Kriterien. Offenbar mangele es bei vielen Entscheidungstragenden "trotz des bröckelnden Vertrauens in demokratische Institutionen am nötigen politischen Willen für moderne Regeln für eine saubere Politik", sagte Norman Loeckel von Transparency Deutschland am Dienstag bei der Vorstellung des Rankings.

Am besten schnitt - wie schon im Vorjahr - Thüringen ab, das 69 Prozent der Kriterien erfüllt. Das Land hatte laut Transparency Deutschland noch im Juni ein Lobbyregister vorgelegt. Die geringste Transparenz für ihre Bürger stellte die Landesregierung von Bremen her.

Den ausführlichen Bericht zu allen Bundesländern hat Transparency Deutschland auf seiner Homepage veröffentlicht:

NRW: Schwachpunkte und Stärken

Während ein Lobbyregister, das einflussnehmende Akteure aus der Wirtschaft auflistet, für die Bundesregierung gesetzlich vorgeschrieben ist, existiert so etwas in NRW überhaupt nicht. Zwar hatte die schwarz-grüne Regierung die Einführung 2021 in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt, doch umgesetzt wurde bislang nichts.

Zuvor war Anfang 2021 ein führender Lobbyist der Impfsparte des Pharmakonzerns Sanofi in den "Krisenkoordinationsrat Corona" der Landesregierung berufen worden.

Der "Legislative Fußabdruck" - die Dokumentation der Entstehung von Gesetzen - ist in NRW gerade mal zu 14 Prozent erfüllt. In acht Bundesländern gibt es eine solche Dokumentation gar nicht. Thüringen erfüllt diese Aufgabe dagegen zu 86 Prozent, Berlin zu 72 Prozent und Baden-Württemberg zu 64 Prozent.

Gute "Noten" - 68 Prozent - bekam NRW bei den Verhaltensregeln: Politiker legten ihre Einkünfte weitgehend offen, auch mögliche Interessenkonflikte durch Verbindungen in die Wirtschaft seien meist transparent dargestellt.

Bei der Einhaltung der Karenzzeit steht NRW mit 56 Prozent ebenfalls besser da als viele andere Bundesländer. Allerdings, das kritisiert Transparency Deutschland, drohen hier keinerlei Sanktionen, wenn diese Frist ignoriert wird.

Der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD)

Von der Politik direkt ins Geschäft: Ex-Kanzler Schröder

Berühmtes Beispiel für die Ignoranz einer Karenzzeit war der ehemalige SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder, der noch in seiner Amtszeit das Projekt Nord Stream anleierte, um dann nach seinem Ausscheiden direkt in den Vorstand des Unternehmens zu wechseln.

Lobbyismus kann auch positiv sein

Lobbyismus muss nicht immer negativ sein - wie in den unrühmlichen Fällen des Masken-Deals oder der Wirecard-Affäre. Interessenvertretung sei wichtig, sagte Loeckel im WDR-Interview: "Politik kann nunmal nicht Fachexpertise auf allen Ebenen der Gesellschaft und der Technologie haben."

Damit für das Allgemeinwohl gute Entscheidungen getroffen werden können, müssten Experten außerhalb der Politik angehört werden. Problematisch werde es erst dann, "wenn hier eine Schlagseite entsteht, wenn bestimmte Interessensgruppen bevorzugt behandelt werden". Das sei heute weniger zu beobachten als vor der Corona-Zeit.

Lobbyismus-Transparenz: "Corona-Skandale haben viel bewegt"

WDR 5 Morgenecho - Interview 13.08.2024 06:49 Min. Verfügbar bis 13.08.2025 WDR 5


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Kein Bezug zu politischen Parteien

Die Zeitreihe der Lobbyrankings, die Transparency Deutschland seit 2021 anfertigt, zeige, dass mangelnde Transparenz nicht mit bestimmten politischen Parteien zusammenhänge, sagte Projekt-Co-Leiter Loeckel. Vielmehr sei zu beobachten, dass eine Regierung zunehmend unwilliger werde, Neuerungen einzuführen, je länger sie im Amt sei. So habe die rot-rot-grüne Regierung im vorbildlichen Thüringen die Lage in dem Bundesland nach ihrem Antritt deutlich verbessert.

Aber auch Korruptionsskandale könnten zu mehr Transparenz in der Politik eines Landes führen, weil damit meist einbrechende Umfragewerte für die jeweilige Regierung verbunden seien, sagt Loeckel. "In Deutschland ist die Sensibilität da hoch - anders als beispielsweise in Italien, wo die Wähler meist resigniert haben." So sei Bayern zwar seit einer Ewigkeit CSU-regiert - die Verwicklung in die großen Korruptionsskandale wie den Masken-Deal, Wirecard oder die Aserbeidschan-Connection habe dazu geführt, dass die bayerische Landesregierung bei der Lobby-Transparenz deutlich nachgebessert habe.

Quellen:

  • Lobbyranking 2024, Transparency Deutschland
  • Interview Projekt-Co-Leiter Norman Loeckel

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