Eine Junge schreibt in sein Heft

Kinder mit Lernschwäche: Experten sehen dringenden Handlungsbedarf

Stand: 08.02.2023, 14:03 Uhr

Wie können Kinder mit Problemen beim Lesen, Schreiben und Rechnen am besten unterstützt werden? Dazu wurden Bildungsexperten im Landtag gehört. Ihr Rat an die Politiker ist eindeutig.

Von Susi Makarewicz

In NRW besteht dringender Handlungsbedarf im Umgang mit Schülern mit einer Rechen- oder einer Lese- und Rechtschreibschwäche. Darüber waren sich alle Fachleute in der Landtagsanhörung schnell einig. Zwar gibt es einen Erlass zum Thema. Allerdings stammt er aus dem Jahr 1991. Ein mögliches Hilfsmittel wirkt heute besonders wie aus der Zeit gefallen: "Auch die Benutzung einer Schreibmaschine kann hilfreich sein", heißt es dort.

Falscher Umgang mit Erlass

Wegen seines Alters werde dieser LRS-Erlass an Schulen oft als Kann-Vorschrift betrachtet, an die sich nicht zwingend gehalten werden müsse, berichtete Tanja Blum vom Verein Kölner Arbeitskreis für LRS und Dyskalkulie. Der Verein sieht einen "dringenden Reformbedarf". Kein anderes Bundesland habe so veraltete schulrechtliche Bestimmungen wie NRW.

Rechenschwäche: Vorgaben fehlen

Wie mit Kindern mit Problemen beim Mathelernen umgegangen werden soll, dafür gibt es bisher gar keine schulrechtlichen Vorgaben, kritisierten die Fachleute. Auch die Sicht des Schulministeriums auf die Rechenschwäche sei veraltet.

Rechenschwäche bei Kindern

So hatte das Ministerium in einem Bericht angegeben, es sei unklar, ob es sich dabei um ein "diagnostizierbares Phänomen" handele. In ihrer Stellungnahme betont Nicole Ramacher-Faasen, Professorin für Kindheitspädagogik an der Internationalen Hochschule in Düsseldorf, aber: Die WHO habe die Rechenschwäche längst als Störung anerkannt.

Schulkinder werden unterschiedlich gut gefördert

Deutlich wurde in der Anhörung auch, wie unterschiedlich mit betroffenen Schülern umgegangen wird. Ob und wie viel Förderung sie erfahren, hängt von den Eltern, den Lehrkräften und der Schule ab. So berichtet der Arbeitskreis für LRS und Dyskalkulie, dass manche Schulen ein Attest einforderten, um die Lernschwäche anzuerkennen. Eine Attestpflicht ist im Erlass aber gar nicht vorgesehen. Aus Sicht des Vereins treffe dabei noch nicht mal die Schulen die Schuld, denn das Schulministerium und die Bezirksregierungen würden zum Teil widersprüchliche Auskünfte erteilen.

Ungleiche Behandlung

Das Ministerium sollte die Unterschiede im Umgang verstärkt im Blick haben und bei Bedarf eingreifen, fordert der Arbeitskreis. Auch müsse der Umgang mit dem sogenannten "Nachteilsausgleich" stärker festgeschrieben werden. So nennt man Erleichterungen bei den Prüfungen, die die Nachteile einer Lernschwäche ausgleichen sollen. Zum Beispiel kann den Kindern mehr Zeit beim Ablegen einer Prüfung zugestanden werden.

Ob und wie ein Kind gefördert wird, hänge oft von den Eltern ab. Organisieren sie für ihr Kind zum Beispiel selbst eine Lerntherapie, kostet das rund 300 Euro im Monat. Beantragen sie eine Kostenübernahme durch das Jugendamt, dauere das bis zu einem Jahr.

Weitere Lösungsvorschläge

Ein offensichtlicher Rat der Fachleute war, den LRS-Erlass von 1991 zu aktualisieren und eine neue Regelung in Bezug auf die Rechenschwäche zu verhängen. Immer wieder betonten sie aber auch, wie wichtig ein frühes Gegensteuern bei Lernschwächen sei. Das verhindere Wissenslücken, sei aber auch für das Selbstwertgefühl der Kinder wichtig.

Deshalb müssten Lehrer in ihrer Ausbildung lernen, Lernschwächen zu erkennen und umfassend über Fördermöglichkeiten aufgeklärt werden. Auch externe Fachleute wie Lerntherapeuten sollten an Schulen eingesetzt werden, um eine passgenaue Förderung der Schüler sicherstellen. In Berlin sei dies bereits gängige Praxis.

Der Vorsitzende des Schulausschusses, Florian Braun (CDU), kündigte an, dass sich die Mitglieder über die Experten-Vorschläge bis Mitte März zu beraten wollen.

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