Kinderschutzbund fordert mehr Datenspeicherung im Netz

Stand: 03.06.2022, 15:34 Uhr

Nach dem Missbrauchskomplex von Wermelskirchen fordert der deutsche Kinderschutzbund mehr Möglichkeiten zur Datensicherung im Internet. Lob gibt es für NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU).

Von Selina Marx

Der deutsche Kinderschutzbund will, dass bestimmte Daten im Internet länger gespeichert werden können. Konkret sollen IP-Adressen bis zu 4 Wochen gesichert werden dürfen, wenn es einen Anfangsverdacht für Pädo-Kriminalität gibt. Dazu gehört beispielsweise die Weitergabe von Videos die sexuellen Missbrauch von Kindern zeigen. Mit einer solchen Speicherung hätte der Missbrauchskomplex von Wermelskirchen eventuell verhindert werden können, sagte Joachim Türk, Vorstandsmitglied des Kinderschutzbundes, am Freitag.

"Fast jeder Akt an sexualisierter Gewalt gegen Kinder hat eine digitale Komponente", erklärte Türk. Denn meistens würden die Taten dokumentiert und digital ausgetauscht. "Wir können das nicht bekämpfen ohne im Internet aktiv zu sein". Daher begrüßt der Kinderschutzbund viele Vorschläge eines aktuellen Plans der EU-Kommission zur Bekämpfung von Kindesmissbrauch, besonders das anlasslose Scannen von Material auf Servern.

Mehr Altersverifikation, aber keine Chat-Kontrolle

Gleichzeitig lehnt der Verein den Vorschlag der EU-Kommission ab, Chats anlasslos direkt zu überprüfen. "Auch Kinder haben ein Grundrecht auf vertrauliche Kommunikation", betonte Joachim Türk. Außerdem würden nur in seltenen Fällen Videos und Bilder über Chats direkt ausgetauscht. Wichtiger und zielführender sei es, die Server mit dem gespeicherten Material zu finden.

Die EU-Kommission hatte im Mai einen 135-seitigen Entwurf vorgelegt, der unter anderem vorsieht, dass Onlinedienste, wie z.B. Email-Anbieter, Social-Media-Plattformen oder Messengerdienste, Inhalte ihrer Nutzer nach Missbrauchsdarstellungen scannen. Kritiker fürchten jedoch, dass so Grundrechte der Bürger auf Privatsphäre im Netz eingeschränkt werden.

Lob für Innenminister Reul

Zu den aktuellen Ermittlungen im Missbrauchskomplex von Wermelskirchen sagte der Präsident des Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers: "Das erschüttert die Gesellschaft zu Recht!". Er riet Eltern sich von fremden Babysittern immer ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis zeigen zu lassen. Das schrecke einen Teil der Täter sicherlich ab.

Außerdem lobte er, dass NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) den Kampf gegen sexualisierte Gewalt gegen Kinder in seiner Amtszeit priorisiert und die Behörden hier gestärkt habe. Er wünsche sich, dass andere Bundesländer dem Vorbild von NRW folgen würden.

Eindimensionales Täterbild

Die Vizepräsidentin des Kinderschutzbundes, Prof. Sabine Andresen, kritisierte bei dem Gespräch, dass das Täterbild in der Gesellschaft immer noch "zu eindimensional" sei. "Wir warnen immer vor dem bösen Fremden, aber auch der nette Nachbar oder die freundliche Tante kommen in Frage." Meist sogar stammten die Täter und Täterinnen aus dem nahen Umfeld des Kindes.

Deshalb sei es wichtig, dass Eltern und Lehrer besser geschult würden, etwa durch Kinderschutzbeauftragte an Schulen. Sie müssten wissen, was bei Verdachtsfällen zu tun sei.

Der Fall Wermelskirchen

Der Kölner Polizei und Staatsanwaltschaft war zuletzt ein Schlag gegen einen Mann aus Wermelskirchen gelungen. Der 44-Jährige soll mehreren Kindern über Jahre hinweg sexualisierte Gewalt angetan und seine Taten gefilmt und fotografiert haben. Häufig war er der Babysitter der Kinder gewesen. Die bisher entdeckten Fälle gelten als noch umfrangreicher und grausamer als die Missbrauchsfälle von Lügde.

Die Polizei war dem Täter über Ermittlungen zum Missbrauchskomplex von Münster auf die Spur gekommen. Die Einsatzkommission Rose hatte den Mann bei der Auswertung von Handys und Computern entdeckt, die Kölner Polizei dann seinen Namen herausgefunden.

Über dieses Thema berichtet der WDR am 03.06.22 u.a. im Westblick.