Jacques Tilly im Westblick-Interview

Statt Orden hätte Jacques Tilly lieber Kritik

Stand: 23.08.2024, 17:10 Uhr

Der Düsseldorfer Karnevalswagenbauer Jacques Tilly hat die höchste Auszeichnung des Landes NRW erhalten. Er sieht das ambivalent.

"Er scheut keine Institution, keine Staatsmacht, keine Autorität. Wo es Missstände gibt, deckt Jacques Tilly sie kritisch und mit beißender Satire auf." So begründete NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) die Verleihung des Landesverdienstordens an den Düsseldorfer Karnevalswagenbauer. Dieser erhielt die höchste Auszeichnung des Landes am Freitag zusammen mit 10 weiteren Persönlichkeiten.

"Anscheinend etwas falsch gemacht"

Tilly freute sich zwar über diese höchste Auszeichnung des Landes, betonte anschließend im WDR-Gespräch aber auch: "Das ist für einen Satiriker schon etwas ambivalent. Man will eigentlich eher nicht mit Orden behängt, sondern kritisiert werden", so Tilly. "Man will, dass die Leute betroffen sind und sich vielleicht sogar ärgern über die Wagen - aber nicht, dass man von allen Seiten beglückwünscht wird. Dann hat man anscheinend etwas falsch gemacht." Unterm Strich wäre er aber sehr dankbar, so Tilly.

Wüst demnächst als Pappfigur?

Und er verriet, was er während der Preisverleihung getan hat: "Ich habe mir Herrn Wüst genau angeguckt." Denn die Kanzler-Frage in der Union wäre ja noch offen. "Es kann schon sein, dass ich Rosenmontag Herrn Wüst als Pappfigur durch die Straßen fahren lasse", so Tilly. Seine Wagen sind bekannt dafür, mit politisch-satirischer Handschrift aktuelle gesellschaftspolitische Entwicklungen zu verarbeiten:

Rosenmontagszug 2024: Die Motivwagen von Jacques Tilly

Eine Figurengruppe einer palestinänsischen Familie wird von einer Hamas-Figur vor einen israelischen Panzer gedrängt - Rosenmontagszug in Düsseldorf

Der Wagen zum Nahost-Konflikt zeigt die Hamas, die ihre eigenen Landsleute als lebende Schutzschilde gegen den Israelischen Panzer verwendet. Israel und die Hamas kämen beide auf dem Wagen nicht gut weg, betont Tilly.

Der Wagen zum Nahost-Konflikt zeigt die Hamas, die ihre eigenen Landsleute als lebende Schutzschilde gegen den Israelischen Panzer verwendet. Israel und die Hamas kämen beide auf dem Wagen nicht gut weg, betont Tilly.

Mit dem ersten Wagen, der die Halle verlässt, setzt Jacques Tilly gleich ein positives Zeichen. Es ist ein Dankeschön an alle Einsatzkräfte. Feuerwehrleute, Sanitäter und Polizisten - ihnen sollte Dank und Respekt entgegengebracht werden. Ohne sie wäre auch der heutige Rosenmontagszug gar nicht erst möglich.

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz bekommt beim diesjahrigen Rosenmontagszug sein Fett weg. In der Stirn der überlebensgroßen Figur klafft ein riesiges Loch und der Kanzler wird hier als "Hohlaf Scholz" betitelt. Scholz sei wohl doch nur ein kleiner Beamter, sagt Tilly, und als Kanzler überfordert.

Der Wagen zum Krieg in der Ukraine ist inzwischen "zwei Jahre alt, doch leider noch immer aktuell". Er zeigt, wie Putin versucht, die Ukraine zu verschlingen. Diese trägt die Aufschrift: "Erstick dran!!!" Der Wagen fuhr bereits 2022 durch die Stadt - aufgrund der Corona-Pandemie fiel der Zug aber aus. Heute sieht man den Wagen also zum ersten Mal im Rosenmontagszug. Tilly hofft jedoch, dass der Wagen zum letzten Mal mitfahren muss.

Der Wagen kritisiert die russisch-orthodoxe Kirche und deren Oberhaupt Patriarch Kyrill, der Putin bedingungslos unterstützt. Homosexualität werde in Russland gesetzlich unter Strafe gestellt, Minderheitenrechte würden mit Füßen getreten. Zudem sei Kyrill ein Kriegshetzer, so Tilly.

Die Maske der AfD ist gefallen - spätestens nach den jüngsten Correctiv-Enthüllungen. Der Wagen soll zeigen, dass sich die AfD lange hinter dem Label "rechtskonservativ" versteckt habe. Inzwischen sei aber klar, dass die AfD in großen Teilen eine rechtsextreme Partei sei.

Ein kleiner Raubfisch mit der Sprechblase "Wir sind das Volk!" - und ein viel größerer bunter und freundlicher Fisch mit der Aufschrift "Wir sind Mehr!". Die vielen Demos der vergangenen Tage und Wochen gegen Rechtsextremismus hätten gezeigt, dass die Rechten nur eine kleine, radikale Mehrheit von Schreihälsen sei, so Tilly.

Ein Wagen mit lokaler Bedeutung: Der monatelange Streit um den Bau einer neuen Oper in Düsseldorf. Die Grünen wollten nicht mitspielen. Da hat Oberbürgermeister Stephan Kellers kurzerhand die SPD-Opposition gefragt, die ihm die Mehrheit für das Großprojekt verschafft - aber nur unter der Bedingung, dass mehr bezahlbare Wohnungen gebaut werden.

Auch Donald Trump darf beim Rosenmontagszug 2024 natürlich nicht fehlen. Sein Motivwagen zeigt eine Karikatur von Trump, der gerade dabei ist, die US-amerikanische Flagge in Hakenkreuzform zu schneiden.

Auch das neue Bündnis Sahra Wagenknecht ist Thema beim Rosenmontagszug. Der Wagen zeigt Sahra Wagenknecht als Königin und Düsseldorfs Ex-SPD-Oberbürgermeister Thomas Geisel als ihr Schleppenträger. Damit spricht Tilly hier ein weiteres lokales Thema an: Den für viele überraschenden Wechsel Geisels zum neuen Bündnis Sahra Wagenknecht.

Diesen Wagen hat Tilly bereits im Sommer als Auftragsarbeit der NRW-Krankenhäuser gebaut. Löhne könnten nicht mehr gezahlt werden, Insolvenzen drohten, aber Bundesgesundheitsminister Lauterbach scheine das nicht zu interessieren.

Die Klimakrise tippt dem Reporter vorsichtig auf die Schulter. Die Kriege in der Ukraine und in Nahost waren in den vergangenen Jahren im Fokus der Öffentlichkeit. Mit diesem Wagen sagt Tilly: Die Klimakrise steht der Menschheit als eigentliche Krise noch ungelöst bevor.

Die US-Republikaner haben erst jüngst die Finanzhilfen für die Ukraine blockiert, auf die diese dringend angewiesen ist. Trump opfere die Ukraine, so Tilly. Damit sei er der beste Verbündete Putins und verrate die westlichen Werte.

Der Landesverdienstorden wurde 1986 anlässlich des 40. Landesgeburtstags gestiftet. In diesem Jahr wurde er exakt zum 78. Gründungsjubiläum Nordrhein-Westfalens verliehen. Ordensträger können maximal 2.500 lebende Persönlichkeiten sein.

Landesverdienstorden für Karnevalist Jacques Tilly

WDR 5 Westblick - aktuell 23.08.2024 06:03 Min. Verfügbar bis 23.08.2025 WDR 5


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In diesem Jahr wurden neben Tilly unter anderem Ricarda Brandts, die frühere Präsidentin des nordrhein-westfälischen Verfassungsgerichtshofes, ausgezeichnet, ebenso die ehemalige Landesbeauftragte für den Opferschutz, Elisabeth Auchter-Mainz, und der stellvertretende Vorsitzende der jüdischen Gemeinden in Nordrhein-Westfalen, Robert Neugröschel.