Sechs Jahre ist es her, dass das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster entschied, dass der Hambacher Forst nicht abgeholzt werden darf. Es war ein Sieg für die Umweltschützer, die jahrelang für den Erhalt des kleinen Waldstücks gekämpft hatten, auch mit einer Besetzung. Ein Bretterhaus der damaligen Aktivistinnen soll sogar ins Museum - ins Bonner Haus der Geschichte.
Doch wie steht es um den Hambacher Forst, und welche Pläne hat die Politik für den Wald? Eine Bestandsaufnahme.
Hambacher Forst und neues Waldstück besetzt
Der Hambacher Forst ist weiterhin besetzt. Ziemlich bald nach der großen, weltweit beachteten Räumung im Jahr 2018 sind Aktivistinnen und Aktivisten schlicht zurückgekommen, sie leben bis heute dort. Dazu kommt aktuell: Seit rund einer Woche ist ein weiteres Waldstück in der Nähe besetzt - das so genannte "Sündenwäldchen" am ehemaligen Manheimer Sportplatz. Der entscheidende Unterschied zum Hambacher Forst: Hier droht ein neuer Konflikt, denn dieses etwa sechs Hektar große Waldstück soll von RWE abgebaggert werden. In diesem Bereich soll nämlich die so genannte "Manheimer Bucht" gegraben werden, als Teil des geplanten Sees, der im riesigen Tagebau Hambach entstehen soll.
Die Besetzer befürchten nach eigenen Angaben, dass das Waldstück in diesem Winter gerodet werden soll - das wollen sie mit ihrer Besetzung verhindern. RWE teilt auf Anfrage mit, in dem Waldstück stünden "derzeit keine Rodungen an". Sie hoffe, dass "alle Beteiligten ruhig und besonnen vorgehen und eine deeskalative Lösung gefunden wird", sagte die Grünen-Landtagsabgeordnete Antje Grothus, die sich seit vielen Jahren für den Hambacher Forst einsetzt und in deren Wahlkreis Manheim liegt.
Biotop-Verbund noch nicht absehbar
Neben dem OVG-Urteil von 2018, der den Erhalt des Hambacher Forsts bedeutete, ist vor allem die so genannte Leitentscheidung der Landesregierung von 2021 für die weitere Zukunft des Hambacher Forsts maßgeblich.
Darin heißt es unter anderem: "Um die Waldfunktionen des Hambacher Forstes langfristig zu entwickeln und zu sichern, ist er mit den genannten umliegenden Wäldern zu vernetzen. Dazu sollen insbesondere Verbindungsflächen bzw. ökologische Trittsteine zwischen Hambacher Forst, Merzenicher Erbwald und der Steinheide hergestellt werden." Zu diesem Zwecke werde die Politik "ein Konzept für den Hambacher Forst sowie die notwendige Vernetzung mit den Bürgewäldern unter aktiver Beteiligung der Öffentlichkeit entwickeln".
Im Herbst 2024 ist diese Biotop-Vernetzung noch immer in weiter Ferne.
Ministerium: "Wir kümmern uns"
"Wir kümmern uns und arbeiten daran, einen Biotop-Verbund herzustellen", teilt das Grünen-geführte Umweltministerium auf Nachfrage mit. Dafür werde derzeit der Braunkohlenplan entsprechend überarbeitet. "Maßnahmen zur dauerhaften, auch naturschutzrechtlichen, Sicherung des Hambacher Waldes und zur Vernetzung mit den umgebenden Waldbereichen werden derzeit in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe (...) überarbeitet", heißt es aus dem Ministerium weiter.
Die knappen Flächen zwischen der Tagebau-Grenze und der A4, die für den Biotop-Verbund in Frage kommen, sind dafür noch nicht gesichert. Insbesondere die jüngst genehmigte Erweiterung des Kiestagebaus Forster Feld in diesem Bereich sorgt für Ärger bei Umweltschützern, die sich für die Biotop-Vernetzung einsetzen.
Gutachten werden vorbereitet
Auch die Bewertung der "Gesamtsituation des Waldes", wie sie die Leitentscheidung vorsieht, liegt noch nicht vor. "Nachdem der Erhalt der noch existierenden Waldflächen absehbar war, wurde die Erhebung aktueller Daten (Biotopkartierung im Wald) vorbereitet", teilt das Ministerium mit. Man gehe jedoch von starken Schäden am Hambacher Forst aus, verursacht durch Stürme und Dürrejahre, aber auch durch den Tagebau.
Das geplante, unabhängige Gutachten zu sämtlichen Tagebaufolgekosten liegt ebenfalls noch nicht vor. Für die Ausschreibung dieses Gutachtens erarbeiteten Umweltministerium und Energieministerium aktuell "eine Leistungsbeschreibung", hieß es auf Anfrage.
Grüne Grothus lobt Regierungsarbeit
Die Grüne Antje Grothus, die auch dem zuständigen Unterausschuss Bergbausicherheit im Landtag vorsitzt, ist mit den Schritten bei der Waldvernetzung zufrieden. "Das Thema lag lange brach, erst unter der jetzigen Landesregierung kommt Bewegung in die Sache. Unser grünes Umweltministerium hat sich die Gegebenheiten vor Ort angeschaut und geht mit Elan und Expertise voran", teilte sie auf Anfrage mit. Sie erwarte, "dass die Ergebnisse der einberufenen Arbeitsgruppen dann auch zügig umgesetzt werden. Der Wald muss endlich vernetzt werden und zur Ruhe kommen können."
SPD und FDP kritisch
Die oppositionelle SPD ist dagegen nicht zufrieden. "Bei der Frage 'Was kommt nach der Braunkohle im Rheinischen Revier' kommt diese Landesregierung einfach nicht voran. Das gilt für Gewerbe- und Industrieflächen ebenso wie für die Biotopvernetzung", sagte Lena Teschlade, die Beauftragte der SPD-Fraktion für das Rheinische Revier, auf Anfrage. "Wir brauchen Perspektiven für Arbeitsplätze und für die Wirtschaft. Leider liefert schwarz-grün weder wirtschaftlich noch ökologisch."
Für die FDP teilte der energiepolitische Sprecher Dietmar Brockes mit: "Der Schutz des Hambacher Forsts erfordert Geduld und wird im Rahmen des Strukturwandels im Rheinischen Revier Jahrzehnte in Anspruch nehmen." Zugleich mahnte er: "Der Erhalt des Hambacher Forsts ist vereinbart, beschlossen und befindet sich in der Umsetzung. Nun ist es von oberster Priorität, zu dem zu stehen, was gemeinsam beschlossen wurde."
Unsere Quellen:
- Antwort des Umweltministeriums auf WDR-Anfrage
- Antwort von RWE Power auf WDR-Anfrage
- Stellungnahme Antje Grothus auf WDR-Anfrage
- Stellungnahme Lena Teschlade auf WDR-Anfrage
- Stellungnahme Dietmar Brockes auf WDR-Anfrage
- Mitteilung der Aktivistengruppe "Hambi bleibt"
- Leitentscheidung 2021
- Eigene Recherchen des Reporters