Leitentscheidung Braunkohle: Reicht das fürs Klima?

Stand: 08.10.2020, 12:27 Uhr

Die neue Leitentscheidung reißt im NRW-Landtag alte Wunden wieder auf: Die Einen sehen den Hambacher Forst gerettet, die Anderen kritisieren zu geringe Abstände zu Dörfern.

Von Sabine Tenta

Es geht um die Heimat tausender Menschen, um die Zukunft einer ganzen Region, um Arbeitsplätze, den Kampf gegen die Klimakrise, um Strom und Wärme für Industrie und private Haushalte: Die am Donnerstag von der Landesregierung eingebrachte neue Leitentscheidung Braunkohle ist eines ihrer wichtigsten planerischen Vorgaben. Hier wird entschieden, wie es mit dem Hambacher Forst, den Umsiedlungen der Dörfer weitergeht. Und wie es weitergeht nach dem Ende des Braunkohle-Abbaus. Festlegungen für die nächsten Jahrzehnte also. Entsprechend turbulent war die Debatte dazu.

Pinkwart: "sehr gute Zukunftsperspektive"

NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) sagte, die Leitentscheidung setze wesentliche Punkte des Kohle-Kompromisses um. Durch das von 2045 auf 2038 vorgezogene Ende der Braunkohle im Rheinischen Revier verblieben 1,2 Milliarden Tonnen Braunkohle in der Erde. Das helfe, die Pariser Klimaziele zu erreichen. Der Region eröffne die Leitentscheidung "insgesamt eine sehr gute Zukunftsperspektive".

Zum Ende seiner Rede kündigte er eine Bürgerbeteiligung an: Bis Ende 2020 könnten sich die Betroffenen zur neuen Leitentscheidung äußern. Es werde mehrere Termine geben mit der Möglichkeit einer Online-Teilnahme.

SPD will "breiteres Fundament"

Auch der SPD-Abgeordnete Stefan Kämmerling fand durchaus Lob: "Diese Leitentscheidung enthält eine Menge Gutes, sie enthält eine Menge Richtiges". Aber im Detail hatte er durchaus Kritik: So forderte er, die Fortsetzung des Tagebaus Garzweiler nicht nur mit dem Hinweis auf die Energieversorgung zu begründen. In der bislang letzten Leitentscheidung von 2016 hätten SPD und Grüne Gutachten herangezogen. Die neue Leitentscheidung brauche "ein breiteres Fundament".

Grüne: Nicht auf RWE verlassen

Wibke Brems (Grüne) findet, die Leitentscheidung "leitet nicht und sie entscheidet nicht". Sie orientiere sich zu eng an den Wunschvorstellungen von RWE. An die Regierung gewandt sagte Brems: "Sie müssen ein unabhängiges Gutachten erstellen lassen, statt sich auf RWE zu verlassen." Denn es gebe geänderte Rahmenbedingungen. Ansonsten könnten Anwohner mit einer Klage gegen ihre Umsiedlung vor Gericht erfolgreich sein.

Brems ist überzeugt, dass der sowohl der Hambacher Wald als auch die Dörfer erhalten werden könnten. Sie Landesregierung die forderte auf, RWE den Hambacher Forst abzukaufen und der NRW-Stiftung zu übereignen. Besonders laut wurde es in den Fraktionen von CDU und FDP, als Brems die Abstandsregeln für Windräder und im Tagebau verglich: Windräder dürften nach einer Entscheidung von CDU und FDP nur 1.500 Meter an Wohnbebauung heranrücken. Braunkohlebagger aber laut neuer Leitentscheidung bis auf 400 Meter.

Fakt ist: Die 2016 von SPD und Grünen beschlossene vorherige Leitentscheidung sah einen Abstand zwischen 100 und 300 Metern zwischen Dörfern und Abrisskante vor. Der wird nun auf 400 Meter erhöht, bei einem früheren Ausstieg auf 500 Meter.

AfD: Vorwurf der Planwirtschaft

Der AfD-Abgeordnete Christian Loose sagte: "Planwirtschaft, wir kommen", die Planwirtschaft heiße nun Leitentscheidung. Loose bekräftigte seine Ablehnung der Windenergie und kritisierte den Kohle-Ausstieg. Er zweifelte den menschengemachten Klimawandel erneut an. Durch den Erhalt des Hambacher Forstes mache sich Armin Laschet gemein mit "Antifa und Terroristen."

Die kontroverse Debatte am Donnerstag hat gezeigt: Die nun vorgelegte Leitentscheidung ist der Auftakt zu einer intensiven weiteren politischen Debatte.