Was die NRW-Industrie zu Habecks Gas-Sparplänen sagt

Stand: 20.06.2022, 17:07 Uhr

Die Industrie spart Gas und bekommt dafür Geld - so der Plan von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, um die Gasspeicher schneller zu füllen. In NRW löst das gemischte Reaktionen aus, auch für private Haushalte wird darüber diskutiert.

Von Christian Wolf

Temperaturen von über 30 Grad - die Zeichen stehen auf Sommer. Doch trotzdem ist der nächste Winter zumindest in der Politik derzeit präsent. Denn Russland hat seine Gaslieferungen massiv gedrosselt und nun wächst die Sorge, dass es nicht genug Gas geben könnte, wenn in ein paar Monaten die Heizungen wieder angemacht werden müssen.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat am Wochenende einen Plan vorgelegt, wie die großen Gasspeicher im Land trotzdem noch gefüllt werden können, bevor der Bedarf ab Herbst wieder zunimmt. Die Devise lautet: Weniger Gas verbrauchen. Sowohl die Industrie als auch die Privathaushalte sollen in nächster Zeit sparsamer sein, damit das Gas, was derzeit noch aus Russland zu uns kommt, in die Speicher für den Winter fließen kann.

So soll ein Auktions-Modell an den Start gehen, damit die Industrie auf Gas verzichtet. Unternehmen, die sich bereit erklären, ihren Verbrauch zu senken, sollen dadurch als Kompensation Geld bekommen. Die Auktionen dienen als Anreiz.

Industrie signalisiert Unterstützung - aber zieht auch Grenzen

Erste Rückmeldungen sind positiv. "Wir müssen den Verbrauch von Gas so stark wie möglich reduzieren, jede Kilowattstunde zählt", sagte Industriepräsident Siegfried Russwurm am Montag der Deutschen Presse-Agentur.

Doch manche Unternehmen können nicht noch mehr Energie einsparen. Das Bonner Unternehmen Atlantic ist auf die Herstellung von Schleifscheiben für die Industrie spezialisiert - ein energieintensives Geschäft. In den letzten zwei Jahren wurde der Gasverbrauch schon um 40 Prozent reduziert. Mehr geht nicht. "Wir haben nicht die Möglichkeit, die Temperatur zu reduzieren von dem Ofen. Denn dann werden unsere Produkte nicht mehr hart", sagt Geschäftsführer Sebastian Nollau. Ein temporäres Ausschalten funktioniere auch nicht. Denn das Herunter- und wieder Hochfahren dauere Monate. Ansonsten gehe der Ofen kaputt.

Auch die nordrhein-westfälische Stahlindustrie hat einen hohen Verbrauch. Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, stimmt zu, dass alle Möglichkeiten zur Einsparung von Erdgas ausgeschöpft werden sollen. Habecks Vorschlag werde daher unterstützt. Aber Kerkhoff schränkt ein: "In den Prozessen der Stahlerzeugung ist Erdgas allerdings kurzfristig kaum ersetzbar." Um Schäden an den Anlagen zu vermeiden, müsse die Lieferung intakt bleiben.

CDU: Vorschläge kommen zu spät

CDU-Politiker Jens Spahn und Hendrik Wüst (r)

Ex-Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (l.) und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst, beide CDU

Bei CDU und FDP in NRW gibt es zum Teil Zustimmung, zum Teil Kritik für die Gas-Pläne. Die CDU-Fraktion im Düsseldorfer Landtag will sich mit Verweis auf die laufenden Koalitionsgespräche mit den Grünen zwar nicht äußern. Das übernimmt aber Jens Spahn. Der Münsterländer ist zwar auch in den Verhandlungen um Schwarz-Grün in NRW dabei, kann als Bundespolitiker aber offener sprechen. So kritisiert Spahn: "Hätten wir im März schon begonnen, mehr Kohlekraftwerke, weniger Gaskraftwerke laufen zu lassen, dann wären die Speicher jetzt vielleicht schon zehn Prozent voller".

Habeck gehe zudem nur den halben Weg, da er Kernkraftwerke nicht länger laufen lasse, sagte der CDU-Politiker im ARD-Morgenmagazin. Bevor Bürger zum Frieren aufgefordert würden, sollte die Politik alle anderen Alternativen prüfen.

Kohle statt Gas

Zu Habecks Plan gehört auch, dass kein Gas mehr genutzt werden soll, um Strom herzustellen. Stattdessen sollen eine Zeit lang wieder mehr Kohlekraftwerke zum Einsatz kommen. Das eingesparte Gas soll dann in die Speicher fließen.

Der scheidende NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) begrüßte das am Montag. Entsprechende Forderungen habe die NRW-Landesregierung schon Anfang Mai gestellt. Mit Blick auf die eigentlich nötigen CO2-Einsparungen sei das zwar "nicht zu begrüßen". Doch kurzfristig handele es sich um eine "sehr sinnvolle Maßnahme". Die Situation sei angesichts der gedrosselten Gaslieferungen aus Russland "ernst".

Geld auch für privates Energiesparen?

Der Düsseldorfer Ökonom Jens Südekum hat einen weiteren Vorschlag: Nicht nur die Industrie soll Geld bekommen, wenn sie Gas einspart, sondern auch jeder zuhause. "Ganz konkret: Bonuszahlungen für solche Haushalte, die 20, 30 Prozent ihres Gasverbrauchs reduzieren", sagte Südekum dem WDR. Das würde zwar bedeutet, dass es in der Wohnung kühlere Temperaturen gibt. "Aber diejenigen, die das machen und die sich das auch vorstellen können, das zu tun, die sollten finanzielle Anreize tatsächlich bekommen. Denn nur so schaffen wir es, dass der Haushaltssektor insgesamt genug einspart."