Grundwasser im Keller: Verzweifelte Hausbesitzer fühlen sich im Stich gelassen
Stand: 03.05.2024, 12:35 Uhr
In vielen Kellern kommt das Wasser schon von unten durch die Mauer, weil der Grundwasserspiegel stark steigt. Hausbesitzer sind ohnmächtig, Versicherungen zahlen nicht und die Politik braucht neue Antworten.
Von Martina Koch und Asmund Nottekämper
Der Keller von Stephan Postberg steht unter Wasser
Bei Stephan Postberg in Dinslaken laufen seit Oktober die Pumpen im Keller. Dreimal pro Woche muss er den Schimmel von der Wand kratzen. Das Wasser kommt von unten durch die Mauern in seinen Keller unaufhörlich. Die Fliesen musste er rausreißen, Möbel sind kaputt. Dazu die Stromkosten. Der Schaden betrage bestimmt schon so 40 Tausend Euro, schätzt Stephan Postberg.
Jeder muss selbst vorsorgen
Die Familie wohnt seit knapp 30 Jahren in dem Haus. Probleme mit Grundwasser im Keller hatten sie nie. Das Haus wurde 1984 gebaut, allerdings ohne besondere Isolierung gegen Wasser von unten. Das war damals nicht vorgeschrieben. Eine nachträgliche Außensanierung würde 37.000 Euro kosten, so ein Angebot, das Stephan Postberg eingeholt hat. Sein Haus von unten trocken halten muss jeder selbst, so ist das bisher in Deutschland geregelt.
Versicherung zahlt nicht
Stephan Postberg
Stephan Postberg hat auch eine Versicherung gegen Elementarschäden abgeschlossen. Er wusste nicht, dass Grundwasserschäden damit nicht abgedeckt sind, sondern nur Überflutungen von oben. Er sei fassungslos. „Man denkt, man ist versichert und bleibt im Regen stehen“, stellt Stephan Postberg frustriert fest.
Stadt kann allein nicht helfen
Seine Nachbarn sind auch betroffen. Allein in Dinslaken rund 300 Häuser. Die Betroffenen hatten auf Hilfe von der Stadt gehofft. Doch die ist dazu nicht verpflichtet und hat kein Geld. Bürgermeisterin Michaela Eislöffel (parteilos) will die Menschen aber nicht alleine lassen, auch um den gesellschaftlichen Frieden nicht zu gefährden, wie sie im WDR-Interview sagt. Die Stadt hat ein Gutachten in Auftrag gegeben, um die Ursachen zu klären.
Welchen Anteil hat der frühere Bergbau an der Situation, das Rhein-Hochwasser oder ist es bereits eine Folge des Klimawandels? Außerdem errichtet die Kommune weitere Grundwassermessstellen. Aber es könne nicht sein, dass sie als Kommune alleine Lösungen finden müsse, so die Bürgermeisterin. Deshalb hat sie Ende April an das NRW-Innenministerium geschrieben. Dabei geht es um die Frage, ob das gestiegene Grundwasser auch als Naturkatastrophe eingestuft werden müsste?
Landesregierung sieht wenig Handlungsbedarf
Erst im Februar hatte das Land die neue Soforthilferichtlinie veröffentlicht. Danach bekommen Menschen, die sich nach einer regional begrenzten Naturkatastrophe in einer akuten Notlage befinden, mindestens 2.000 Euro vom Land. Allerdings fällt Grundwasser bisher nicht unter die Definition Naturkatastrophe.
Landesumweltminister Oliver Krischer (B‘90/Grüne)
Landesumweltminister Oliver Krischer (B‘90/Grüne) will zwar jetzt gucken, was man im konkreten Fall tun könne, aber grundsätzlich sieht er keinen Änderungsbedarf. Es sei in der Verantwortung des Einzelnen, wir er sein Haus baue und es gegen zu hohe Grundwasserstände abzusichern, so Krischer gegenüber dem WDR.
Politik müsse sich neu mit Grundwasser beschäftigen
Der Wasserwirtschaftsverband Emscher Genossenschaft und Lippeverband (EGLV) findet dagegen, dass Politik sich der Frage stellen müsse. Aktuell gebe es einen historisch hohen Grundwasserstand, so der EGLV-Vorstandsvorsitzender Professor Uli Paetzel. „Wir werden es mit Extremitäten zu tun haben, nicht nur beim Thema Regen und Dürre, sondern auch beim Grundwasser“, so Paetzel.
Der Klimawandel werde dazu führen, dass sich Politik stärker mit dem Grundwasser beschäftigen müsse. Man müsse über grundsätzliche Lösungen nachdenken. Könne die Gesellschaft zulassen, dass jeder einzelne Vorsorge treffe oder müsse man in eine flächendeckende Grundwasserregelung eintreten, fragt der EGLV-Chef.
Nicht nur Ruhrgebiet betroffen
Tatsächlich sind neben Dinslaken viele Kommunen im Land betroffen. Ständiges Grundwasser im Keller wird von Dortmund durch das ganze westliche Ruhrgebiet bis an den Niederrhein gemeldet. Und auch aus Paderborn oder Lippstadt kommen Meldungen. In Krefeld zum Beispiel war jahrelang im Stadtteil Kliedbruch das Grundwasser abgepumpt worden.
Dann hatte man das aus ökologischen Gründen eingestellt. Doch seit Januar laufen die Pumpen wieder. Außerdem erarbeiten die Kommunalen Betriebe Krefeld aktuell eine Strategie, die ein nachhaltiges Wassermanagement zwischen großer Trockenheit und starkem Regen gewährleisten soll.
SPD sieht Land in der Pflicht
André Stinka, Sprecher für Wirtschaft und Klimaschutz der SPD
Der Sprecher für Wirtschaft und Klimaschutz der SPD-Landtagsfraktion, André Stinka, fordert ein Umdenken beim Grundwasser. Die Landesregierung müsse das Wassermanagement in ihre Klimaanpassungsstrategie aufnehmen. „Das Land kann sich nicht aus der Verantwortung stehlen, weil es eben sehr große Investitionen in den nächsten Jahren bedarf, um Trockenheit gerecht zu werden, aber auch um hohe Wasserstände abzuleiten", so Stinka.
In Dinslaken fühlt sich Stephan Postberg ziemlich ohnmächtig. Er und seine Nachbarn nur darauf hoffen, dass die Politik das Grundwasserproblem neu angeht. In dieser Woche hatten sie zumindest etwas Glück. Die heftigen Gewitter sind an ihnen vorbeigezogen.
Darüber berichten wir auch im Fernsehen in der Sendung Westpol am Sonntag, 5.5.2024, ab 19:30 Uhr.
Das Ruhrgebiet steht unter Wasser
Westpol. 05.05.2024. 10:08 Min.. UT. DGS. Verfügbar bis 05.05.2029. WDR. Von Martina Koch, Asmund Nottekämper.