Gaskraftwerk in Hamm

Warum NRW nicht einfach auf Gaskraftwerke verzichten kann

Stand: 03.08.2022, 15:04 Uhr

FDP-Chef Lindner will die Stromerzeugung in Gaskraftwerken stark reduzieren und dafür Atomkraftwerke länger laufen lassen. Doch so einfach, wie es klingt, ist es nicht. Beispiel NRW.

Von Rainer StriewskiRainer Striewski

Wenn Atomkraftwerke eines zuverlässig können, dann ist es: Strom erzeugen. Auch mit Gas wird Strom erzeugt. Dennoch lässt sich die eine Technologie nicht einfach durch die andere ersetzen, schon gar nicht in NRW. Denn Gas wird hier nicht allein zur Stromerzeugung genutzt.

Wie sieht der Energie-Mix für NRW aus?

Neben anderen Energieträgern wie Kohle, Mineralöl oder Erneuerbaren Energien ist Gas in erster Linie bedeutsam für die Stromerzeugung in NRW. Den größten Anteil an der Bruttostromerzeugung hat zwar noch immer die Braunkohle - allerdings mit fallender Tendenz.

Im vergangenen Jahr wurden in NRW gut 130 Terrawattstunden (TWh) Strom produziert. Davon stammten 48,4 TWh aus Braunkohlekraftwerken. Auf Platz zwei der Energieträger folgt das Erdgas mit 27,9 TWh. Die Steinkohle sorgte für 22,3 TWh und lag damit gleichauf mit Erneuerbaren Energien, auf die 22,1 TWh entfielen. Zur Einordnung: 2012 kamen von insgesamt 178,4 TWh Stromerzeugung mit 84 TWh noch knapp die Hälfte aus der Braunkohle.

Warum sind Gaskraftwerke so wichtig?

Gaskraftwerke können schnell hoch- oder heruntergefahren werden. Sie werden deshalb insbesondere zum Abfedern von Lastspitzen benötigt. Ihr großer Vorteil gegenüber etwa Atomkraftwerken: Sie können neben Strom auch Wärme liefern, teilweise auch an private Verbraucher. Diese sogenannten "Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen" (KWK) gelten dadurch als systemrelevant.

Allein in Duisburg sind etwa 70.000 Haushalte auf die Fernwärme aus KWK-Anlagen angewiesen. "Wir setzen auf KWK-Anlagen, um den Energieträger Gas möglichst effizient zu nutzen", erklärt Felix zur Nieden, Pressesprecher der Stadtwerke Duisburg. Das Heizkraftwerk Duisburg-Wanheim könne bei Bedarf gezielt gesteuert werden, "so dass wir möglichst viel Wärme und weniger Strom produzieren", erklärt Nieden.

Es gibt zwar auch KWK-Anlagen, die mit anderen Energieträgern betrieben werden, etwa mit Braunkohle oder Heizöl. Den größten Teil an der Stromerzeugung haben aber Erdgasanlagen mit zuletzt 8 TWh im Jahr 2020.

Kraft-Wärme-Kopplung gibt es in NRW in vielen, meist kleineren Anlagen. Sie kommen zusammen auf eine Leistung von knapp 4.000 Megawatt (MW). Das heißt, die Hälfte der Leistung aller Gaskraftwerke im Land entfällt auf "Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen". Würde man die ausschalten, würde es für viele Tausend Fernwärmekunden kalt. Das geht also nicht.

Mit einer Gesamtleistung aller Gaskraftwerke von 8.686 Megawatt liegt NRW im Bundesvergleich weit vorn. In Bayern kommen die Gaskraftwerke auf 4.647 MW, in Hessen 1.889 und in Mecklenburg-Vorpommern 309 MW. Ein Teil der Stromerzeugung ließe sich vom Gas auf andere Energieträger verlagern. Aber nicht dort, wo aus Gas gleichzeitig Strom und Wärme produziert wird.

Wie viel Strom wird in NRW überhaupt erzeugt und verbraucht?

Genaue Zahlen für 2021 gibt es noch nicht, nach ersten Schätzungen lag der Bruttostromverbrauch in NRW aber im vergangenen Jahr bei 135,1 Terawattstunden (TWh). Erzeugt wurden im selben Zeitraum 131,5 Terawattstunden brutto.

Warum "brutto"? Was man von Preisen kennt, ist bei Strom ganz ähnlich: Der "Bruttostromverbrauch" ist ein etwas größerer Wert als der "Nettostromverbrauch". Er enthält auch die Strommengen, die zwar erzeugt werden, aber gar nicht beim Endverbraucher ankommen. Diese Netzverluste entstehen immer dann, wenn der Strom auf dem Weg Leitungen erwärmt und damit unterwegs bereits Energie verbraucht wird.

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