Im vergangenen September hatte Barbara Dauner-Lieb ihre erste mündliche Verhandlung als Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs. „Davor war ich aufgeregt“, räumt sie ein. Sie habe vor allem vor den Formalia, die sie beachten musste, Bammel gehabt. Als Präsidentin leitet sie die Verhandlungen.
Es ging um ein Thema, das nicht für das ganz große Aufsehen in der Öffentlichkeit sorgte: Die Verwaltungskosten für den Schutz von Prostituierten. Einige Kommunen, wie Bielefeld, Köln und Dortmund, forderten vom Land Geld dafür, dass sie sich um den Schutz von Prostituierten kümmern.
Gute Kommunikation sei besonders wichtig
Als Vorsitzende Richterin kann Barbara Dauner-Lieb, wie an jedem Gericht, bei Entscheidungen nicht „durchregieren“. Sie hat bei der Urteilsfindung nur eine Stimme - wie alle anderen Verfassungsrichter auch. Umso wichtiger ist aber das Argumentations- und Sprachgeschick. Und das hat sie.
„Wenn Sie die Kommunikation nicht mitdenken, werden sie weniger erfolgreich sein, als Sie sein könnten“, sagt sie. Das gelte für alle Richter. Das Fachwissen sei zwar die Basis. „Aber das eigentlich Entscheidende ist, wie ich das Fachwissen zur Problemlösung einsetze“, sagt Dauner-Lieb.
Der Verfassungsgerichtshof müsse die Worte noch sorgfältiger wählen als andere Gerichte. Das sei eine große Herausforderung, sagt Dauner-Lieb. Auf die Beschlüsse und Urteile aus Münster achten nicht nur Politik sowie Bürgerinnen und Bürger – sondern auch die Fachgerichte. „Es ist kaum möglich, für alle passend zu formulieren.“
Dabei fällt Barbara Dauner-Lieb bislang gerade durch ihre klaren Worte auf. Sie profitiert davon, dass sie seit Jahrzehnten Professorin in Köln ist. „Die Universität ist wie ein Zoo. Es ist wunderbar, es ist anregend.“ Sie rede daher wohl anders als viele, die seit Jahrzehnten in der Justiz arbeiten.
Zu ihrem Amt kam sie überraschend. Als die parteiübergreifende Mehrheit für einen anderen Kandidaten platzte, wurde Dauner-Lieb gefragt. „Ich wurde Montagabend angerufen, für die Wahl am Mittwochmorgen.“ Die heute 67-Jährige wollte eigentlich etwas kürzertreten, nur noch nebenbei arbeiten.
Erstes Ziel: Die Suche nach eigenem Gerichtsgebäude
Statt Ruhestand mit Reisen und Buchschreiben, managt sie heute also die Geschicke des ranghöchsten Gerichts in NRW. In ihrer Antrittsrede im Landtag hat sie direkt eine Duftmarke gesetzt. Sie forderte ein eigenes Gebäude für das Gericht.
Damit knüpfte sie dort an, wo ihre Vorgängerin schon vieles versucht hatte. Bis heute nutzt der Verfassungsgerichtshof nur die Räume des Oberverwaltungsgerichts in Münster mit, Dauner-Lieb hat ihr Büro in einem umfunktionierten Besprechungsraum eingerichtet.
Jetzt Übergangsräume, dann eigener Neubau
Als die Gebäudesuche nicht voran kam, erhöhte sie den Druck. Sie überlegte öffentlich, es gäbe auch außerhalb Münsters geeignete Standorte. Das zog. Heute, ein Jahr nach ihrer Ernennung, gibt es konkrete Baupläne in der Münsteraner Innenstadt. Und Anfang August zieht das Gericht in Übergangsräume.
Derweil hat Barbara Dauner-Lieb schon an die künftige Landesregierung eine Forderung: Die Justiz verdiene mehr Wertschätzung. Das gelte auch bei der Personalausstattung. Sie hofft daher auf einen neuen Justizminister, der auch etwas zu sagen hat. „Es wäre gut, wenn ein echtes Schwergewicht ins Amt käme oder im Amt bliebe“, sagt sie.
Über dieses Thema berichtet der WDR auch in der WDR5-Sendung Westblick am 08.06.2022.