Bundeswehr in Schulen: Ausnahme oder Pflicht?
Stand: 08.03.2024, 11:45 Uhr
In NRW können Schulen Jugendoffiziere in den Unterricht einladen. Das ist freiwillig. Angesichts der veränderten Sicherheitslage will Bayern das zur Pflicht machen. Und NRW?
Von Martina Koch
"Ich bin für Euch Jos“, bietet Jugendoffizier Jos Meinköhn der Klasse gleich das Du an. Er wurde vom Schiffer-Berufskolleg Rhein in Duisburg in den Politikunterricht eingeladen. In einer Doppelstunde spricht er über Sicherheitspolitik und die Aufgaben der Bundeswehr. Die angehenden Binnenschiffer sind zunächst skeptisch. Aber der 31-Jährige Meinköhn weiß, wie er die Klasse gewinnen kann. Er erzählt über seine Erfahrungen beim Auslandseinsatz in Litauen und spricht offen über die aktuellen Probleme der Bundeswehr.
Information oder doch Werbung?
Jugendoffizier der Bundeswehr
"Ehrlich gesagt fand ich das cool“, sagt Luca Wesche (18) hinterher. Bisher hatte ihn die Bundeswehr nie interessiert, jetzt habe er eine andere Sicht. Natalie Hauser (19) fand es sehr spannend. Sie hatte eigentlich erwartet, dass es darum gehen würde, wie man zur Bundeswehr komme. Aber das sei sehr abgegrenzt gewesen. Tatsächlich hat Jugendoffizier Meinköhn alle Fragen, die mit Nachwuchswerbung in Verbindung gebracht werden könnten, nicht beantwortet. Nico Nobel (19) hat den Vortrag dennoch als Nachwuchsgewinnung für die Bundeswehr verstanden. "Wenn man über die Bundeswehr redet, ist es trotzdem Werbung“, meint Nico. Anderen sei es wahrscheinlich auch so gegangen, vermutet er.
Bundeswehr an Schulen bleibt umstritten
Politiklehrerin Katrin Michiels lädt den Jugendoffizier immer wieder ein. Insgesamt seien die Reaktionen der Schüler hinterher positiv. Natürlich könne sie auch die Theorie vermitteln. Aber die persönlichen Erfahrungen des Soldaten seien immer beeindruckender und hinterließen mehr Spuren. Doch genau darin sieht die Lehrergewerkschaft GEW eine Gefahr der Manipulation. Schule sei ein Schutzraum für Kinder und Jugendliche, die Bundeswehr dürfe kein Exklusivrecht über Heranwachsende haben, sagt Ayla Celik, GEW-Landesvorsitzende.
Ayla Celik, Vorsitzende GEW NRW
"Alle, die für Demokratie und Friedenspolitik werben, können keine Kooperation von Schulen und Bundeswehr befürworten. Das ist ein Widerspruch in sich“, so Celik. Auch die Landesschüler*innenvertretung (LSV) will die Bundeswehr nicht in Schulen sehen, so steht es in ihrem Grundsatzprogramm.
Schulbesuche von Bundeswehr zur Pflicht machen?
Die ehemalige Staatssekretärin für Integration in NRW und heutige Bundestagsabgeordnete Serap Güler (CDU) hat mit ihrer Fraktionskollegin Kerstin Vieregge ein Konzeptpapier zur Bundeswehr vorgelegt. Darin fordern beide Politikerinnen verpflichtende Schulbesuche von Jugendoffizieren ab der 9. Klasse. Außerdem solle jeder Schüler einmal in seiner Schulzeit eine Kaserne von innen gesehen haben.
Die bayerische Landesregierung hat angesichts der grundlegend veränderten Sicherheitslage im Januar einen Gesetzentwurf zur Förderung der Bundeswehr vorgelegt. Danach würden in Bayern künftig die Schulen mit den Jugendoffizieren im Rahmen der politischen Bildung zusammenarbeiten.
In NRW ist Landtagsmehrheit gegen Pflicht
In NRW gibt es seit 2012 eine Kooperationsvereinbarung zwischen Land und Bundeswehr. Damit sind die meisten Landtagsparteien zufrieden.
Der Bundeswehrbeauftragte der CDU-Landtagsfraktion, Dietmar Panske, setzt auch weiterhin auf Freiwilligkeit. Man könne das Angebot noch ein bisschen breiter ausfächern, aber eine Verpflichtung bringe an dieser Stelle nicht weiter, so Pankse.
Auch bei der SPD sieht man keine Notwendigkeit, die bisherige Verabredung zu ändern. Im Falle einer Pflicht müsse man aufpassen, dass das Thema Waffen und Krieg nicht unreflektiert stattfindet oder verharmlost wird, so Dilek Engin, schulpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion.
Die Grünen möchten die Entscheidung den Lehrkräften überlassen, welche Expertise sie in den Unterricht holen. In sicherheitspolitischen Fragen sei es wichtig, dann ausgewogen Jugendoffiziere und Friedensbewegung einzuladen, betont Lena Zingsheim-Zobel, schulpolitische Sprecherin der Grünen in NRW.
FDP und AfD wollen mehr Jugendoffiziere in Schulen
Die FDP wünscht sich, dass die Jugendoffiziere viel häufiger von Schulen eingeladen werden. Der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion Marc Lürbke wirft in dem Zusammenhang den Grünen vor, jahrelang dagegen gearbeitet zu haben. Ob am Ende eine Pflicht das Richtige sei, müsse man schauen, so Lürbke. In jedem Fall müsse die Bundeswehr neben der Teilnahme am Unterricht auch mehr Möglichkeiten bekommen für sich zu werben, so Lürbke.
Die AfD will Jugendoffiziere verpflichtend in Schulen sehen und plant dazu einen Antrag in den Landtag einzubringen. Das kündigt Christian Blex (AfD), schulpolitischer Sprecher seiner Fraktion, an. Bisher seien die Informationsveranstaltungen durch Jugendoffiziere vom Wohlwollen des Direktors abhängig gewesen und da habe es große Vorbehalte gegeben. Deshalb solle eine Pflicht kommen.
Personaloffensive der Bundeswehr stockt
Bundeswehr auf "MyJob OWL"
Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Zeit- und Berufssoldaten sowie freiwillig Wehrdienstleistenden um rund 1.500 gesunken. Aktuell hat die Bundeswehr 181.500 Männer und Frauen. Bis 2031 sollen es gut 20.000 mehr sein. Aber die Nachwuchswerbung kommt offenbar nicht voran. Auf der Jobmesse "MyJob OWL" an diesem Wochenende in Bad Salzuflen hat die Bundeswehr den größten Stand aller Arbeitgeber. Auch ein Tornado-Kampflugzeug steht in der Halle, um die Aufmerksamkeit der jungen Menschen zu wecken.
Bundeswehr in der Schule?
Westpol. 10.03.2024. 29:36 Min.. UT. DGS. Verfügbar bis 10.03.2029. WDR. Von Martina Koch.