Auf ihr Konto gehen nach jetzigem Stand der Ermittlungen die Schüsse, Explosionen und Fälle von Entführungen sowie Geiselnahmen der vergangenen Monate. Es gebe keine Hinweise, dass sich die niederländische Mafia hierzulande breitmache, so die Kölner Staatsanwaltschaft gegenüber dem WDR.
Am Einfamilienhaus in Köln-Rodenkirchen, in dem ein Spezialeinsatzkommando (SEK) der Kölner Polizei Anfang Juli eine brutale Geiselnahme mit Folterungen beendete, sind immer noch die Spuren des Einsatzes sichtbar. Ein Container steht in der Einfahrt. Der Treppenabsatz, den ein gepanzertes Einsatzfahrzeug schwer beschädigt hatte, wird repariert. Seit dem Beginn der Ermittlungen zu diesem Fall und vielen anderen Ereignissen deuteten Informationen scheinbar auf die niederländische, sogenannte "Mocro-Mafia" hin.
Fünf Monate Ermittlungen und 35 Beschuldigte: "Ein Kölner Problem"
Nach rund fünfmonatigen Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft gibt es jetzt 35 Beschuldigte. 15 Männer sind in Deutschland in Haft, ein Mann in Paris. Die wenigsten davon stammen aus den Niederlanden.
Laut Kölner Staatsanwaltschaft mache sich die sogenannte "Mocro-Mafia" hier nicht breit - vielmehr gebe es Hinweise darauf, dass eine Kölner Gruppierung den Weiterverkauf organisiere. Der Staatsanwalt fügt im Interview mit dem WDR hinzu, dass das momentan eher ein Kölner Problem sei. In den Ermittlungen der Behörden taucht nach WDR-Informationen häufig der Name "Kalk" auf. Bezogen auf den Kölner Stadtteil könnten demnach viele Mitglieder von dort stammen.
Diebstahl von 350 Kilo Cannabis in den eigenen Reihen
Die Kölner Bande soll 700 Kilo Cannabis aus den Niederlanden bezogen haben. Dann aber verschwanden 300 bis 350 Kilo der Lieferung und sind bis heute nicht aufgetaucht. Laut den Ermittlungen macht die Kalker Bande Leute aus den eigenen Reihen für den Diebstahl verantwortlich und hat mittels Folterungen, Geiselnahmen und Explosionen versucht, die Schuldigen zu finden. Das Geschäft mit den niederländischen Lieferanten soll sich auf Kommissionsbasis in einer Höhe von zwei Millionen Euro bewegt haben.
Eingekaufte Schwerkriminelle aus den Niederlanden
Die Diebe aus den eigenen Reihen wollten sie mit Hilfe von eingekauften Schwerkriminellen aus dem Nachbarland fassen. Die sind für vergleichsweise wenig Geld zu engagieren, davon ist Robin Hofmann überzeugt. Er ist Kriminologe an der Universität Maastricht. Er sagt, dass es einen ganzen Pool von Kriminellen in den Niederlanden gebe, Männer aus den Vorstädten von Rotterdam oder Amsterdam, die auch spezialisiert seien auf Sprengungen und auch Morde.
Festnahmen in den vergangenen Wochen
In den vergangenen Wochen machten vor allem zwei Verhaftungen Schlagzeilen. Am Flughafen Charles de Gaulle wurde ein 22-jähriger Deutsch-Iraker festgenommen. Nach WDR-Recherchen war er innerhalb der Bande in Kalk für die Lagerung der 700 Kilo verantwortlich. Er sitzt in Auslieferungshaft und ist möglicherweise für die Serie von Explosionen verantwortlich. Am vergangenen Freitag wurde in Köln ein 25-jähriger Deutscher mit türkischen Wurzeln festgenommen. Die Kölner Staatsanwaltschaft sagt, dass es ein eklatantes Gewaltpotenzial gebe.
Zu viel Gewalt in den Niederlanden
Von denen offenbar in den Niederlanden eingekauften Gewalttätern fehlt jede Spur. Obwohl es teilweise gestochen scharfe Fahndungsfotos gibt. Die hat in den Niederlanden aber bisher niemand veröffentlicht. Für den Kriminologen Robin Hofmann in Maastricht ist das wenig verwunderlich. Er sagt, dass es in den Niederlanden fast täglich Bombenanschläge gebe, dass die Gewalt so weit verbreitet sei, dass Fotos von Verdächtigen in den Zeitungen nur noch eine Randnotiz seien.
Erste Anklage gegen mutßmaßliche Kölner Bandenmitglieder im Winter
Die Ermittlungen in Köln aber kommen offenbar gut voran. Noch in diesem Winter sollen die ersten Anklagen laut Staatsanwaltschaft fertig sein. Explosionen gab es seit Wochen nicht mehr. Ein mögliches Zeichen, dass die wichtigsten Drahtzieher der Kalker Bande in Haft sind.
Hinweis der Redaktion zum Begriff "Mocro-Mafia":
Auch wir verwenden diese Bezeichnung, weil sie weit verbreitet ist. Da die Bezeichnung umstritten ist, setzen wir sie in Anführungszeichen. Denn anders als der Name suggeriert, besteht das Netzwerk den Daten zufolge eben nicht ausschließlich aus Mitgliedern mit marokkanischen Wurzeln. Vielmehr handelt es sich um multinationale Banden, die etwa Kontakt zu spanischen Kriminellen halten und vor allem Geschäfte mit Kokain und Cannabis machen.
Quellen:
- WDR-Informationen
- Kölner Polizei und Staatsanwaltschaft
- Robin Hofmann, Kriminologe an der Universität Maastricht
Über dieses Thema berichten wir im WDR am 28.11.2024 auch im Hörfunk: WDR 5 Nachrichten, 6 Uhr.