Zwei Explosionen in Köln: Was wir bisher über die Täter wissen

Stand: 18.09.2024, 18:03 Uhr

Mitten in Köln gab es innerhalb weniger Tage Explosionen vor der Disco Vanity und im Bekleidungsgeschäft LFDY. Die Polizei fahndet nach einem Täter und prüft Zusammenhänge. Was wir bisher über Täter und Motive wissen.

Nachdem am Montagmorgen eine Explosion vor dem Vanity Club am Hohenzollernring bereits die Kölner Innenstadt erschüttert hatte, gab es nun in der Nacht auf Mittwoch den nächsten Knall - vor dem beliebten Bekleidungsgeschäfts LFDY ("Live Fast Die Young") in der Ehrenstaße. Bei der Explosion am Montag wurde eine Person leicht verletzt. Bei der Suche nach Tätern und Zusammenhängen steht die Polizei noch am Anfang.

1,80 Meter großer, schlanker Mann

Am Mittwochnachmittag teilte Polizeisprecher Philipp Hüwe mit, dass man nach der zweiten Explosion aufgenommene Spuren und Zeugenaussagen auswerte, um mutmaßliche Täter gegebenenfalls besser beschreiben zu können. Eine Videoaufnahme wie bei der ersten Explosion in der Nacht von Sonntag auf Montag, mit deren Hilfe die Polizei nach dem mutmaßlichen Täter fahndet, gebe es nicht.

Die Hintergründe zu der Tat am Mittwochmorgen sind vollkommen unklar. Polizeisprecher Philipp Hüwe

Zeugen wollen aber um 5 Uhr morgens einen 1,80 Meter großen, schlanken Mann dabei beobachtet haben, wie er die Frontscheibe des Bekleidungsgeschäfts LFDY ("Live Fast Die Young") in der Ehrenstaße einschlug. Er solle eine Tüte in dem Geschäft deponiert haben, die offenbar einen Sprengsatz enthielt und kurze Zeit später explodierte. Anschließend soll er den Aussagen zufolge Richtung Mittelstraße geflohen sein.

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Bis dato kein Zusammenhang zwischen Explosionen in Köln

Ein Passant, der das nach der Explosion ausgebrochene Feuer bemerkte, sei in das Geschäft gegangen und habe Kleidung nach draußen geworfen. Rettungskräfte hätten sich später um ihn gekümmert - er sei nach jetzigem Kenntnisstand unverletzt, so der Polizeisprecher. Warum er in den Laden gegangen war, sei unklar.

Das Bekleidungsgeschäft LFDY nach der Explosion | Bildquelle: Henning Kaiser/dpa

Weniger Glück hatte eine Reinigungskraft bei der Explosion in der Vanity-Disco. Sie wurde durch den Knall leicht verletzt, sei nach ambulanter Behandlung aber wieder aus dem Krankenhaus entlassen worden.

Die Polizei stehe noch ganz am Anfang mit ihren Ermittlungen. Dazu, ob die beiden Explosionen in der Kölner Innenstadt zusammenhingen, äußerte sich der Polizeisprecher nicht. Sollte man aber Hinweise bekommen, dass es Tatzusammenhänge gibt, würden diese in die Ermittlungen einfließen.

Explosionen zu ähnlichen Zeiten mit Sprengsätzen in Tüten

Parallelen zwischen den beiden Explosionen gibt es auf jeden Fall - zeitlich wie auch im Ablauf. Der Sprengsatz am Montag wurde laut Polizei am Montag um 5.45 Uhr vor dem Vanity Club platziert, ebenfalls in einer Tüte. Diese sei ebenfalls explodiert. "Ob es einen Zusammenhang gibt, genau das wird jetzt geprüft", sagt Hüwe. Es gebe zwei Ermittlungsgruppen, und wenn sich Schnittpunkte der Taten ergebe, würden diese "auf kurzem Dienstweg" geprüft.

Der zerstörte Eingangsbereich des Vanity Clubs | Bildquelle: REUTERS/Thilo Schmuelgen

Zu den verwendeten Sprengstoffen machte die Polizei keine Angaben. Man müsse abwarten, "was genau explodiert ist". Da seien externe Gutachten angefordert. Die Experten der Ermittlergruppe gehen davon aus, dass "es sich um eine Art Brandbeschleuniger gehandelt haben muss".

Verdächtiger platziert Sprengstoff vor dem Vanity Club. | Bildquelle: WDR

Es gebe keine Hinweise darauf, dass die Explosionen gegen Menschen gerichtet seien. Gebäude seien das Ziel gewesen, so die Polizei. Die Motive sind dabei völlig unklar, Hinweise auf organisierte Kriminalität lägen bis dato "überhaupt nicht vor".

Gerüchte über Verwicklung der "Mocro-Mafia"

Gäbe es solche Hinweise, werde man auch mit anderen Behörden zusammenarbeiten, gegebenenfalls auch länderübergreifend. Letzteres zielt wohl darauf ab, dass bereits Gerüchte kursieren, die "Mocro-Mafia" aus den Niederlanden können in Explosionen verwickelt sein, von denen es in den vergangenen Wochen eine ganze Reihe in NRW gab - neben Köln auch in Duisburg und Engelskirchen.

Unter dem Begriff "Mocro-Mafia" werden Drogenhändler aus dem Nachbarland zusammengefasst, die teils eine marokkanische Herkunft haben.

Vor Haustür sprengen - in den Niederlanden hunderte Male im Jahr

Die Explosionen tragen laut Oliver Huth, NRW-Landesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, auf jeden Fall die Handschrift der organisierten Kriminalität in den Niederlanden: "Was wir definitiv wissen ist, dass diese Methode, vor Haustüren zu sprengen, in den Niederlanden mehrere hunderte Male im Jahr angewendet werden." Solche Anschläge sollen eine Botschaft ins kriminelle Milieu senden, sagt Huth: "Wir wissen, wo du bist. Wir können dich jederzeit erreichen."

Klare Handschrift der organisierten Kriminalität. Es ist sehr beunruhigend, was da passiert. Oliver Huth, NRW-Landesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter
BDK-Landeschef Oliver Huth | Bildquelle: WDR

Ob man es bei den beiden Explosionen tatsächlich mit solchen Strukturen zu tun habe, müssten die Ermittlungen zeigen.

Professor Arndt Sinn von der Universität Osnabrück | Bildquelle: WDR

Professor Arndt Sinn von der Universität Osnabrück, der zu organisierter Kriminalität forscht, sieht in den jüngsten Vorfällen in NRW eine neue Dimension der Gewalt: "Die Gewaltexzesse, die wir im Moment sehen und die gehäuft auftreten - auch in sehr kurzen Abständen - zeigen, dass die kriminellen Akteure keine Angst mehr davor haben, entdeckt zu werden. Sie nehmen den Rechtsstaat nicht mehr als wehrhaft wahr." Das sei eine sehr "besorgniserregende Entwicklung".

Scharfe Granate unter brennendem Auto in Köln-Ostheim gefunden

Bezüglich der Zusammenarbeit auf höheren Ebenen verwies Hüwe auf einen weiteren Einsatz mit einem brennenden Auto in der Nacht auf Mittwoch - gegen 2.45 Uhr. Da haben Polizisten auf dem Uta-Renn-Platz in Köln-Ostheim nach dem Feuerwehreinsatz unter dem Auto eine scharfe Handgranate entdeckt. Hinzugezogene Spezialisten des LKA sprengten die Granate am Fundort. Ermittler gehen von Brandstiftung aus, und hier ermittelten "die Kollegen der organisierten Kriminalität".

Was die jüngsten beiden Explosionen in Köln betrifft, betont die Polizei Köln indes, dass es derzeit keine Hinweise auf organisierte Kriminalität gebe. Obwohl noch vieles im Unklaren sei, habe man bei der Polizei registriert, dass es jetzt mehrere Explosionen sowie auch Schüsse auf ein Haus gab und werde die Medien am Donnerstag über die Vorfälle informieren. Weil viele Spekulationen kursierten, wolle man die ganzen Vorfälle bei dieser Gelegenheit "einordnen".

Große Hoffnung setzt die Polizei auf die öffentliche Fahndung nach dem mutmaßlichen Verursacher der ersten Explosion mit Hilfe eines Fotos aus der Videoaufzeichnung - Hüwe: "Wir hoffen uns jetzt durch Zeugen den Aufenthaltsort aber auch die Identität herauszufinden, um ihn dann auch direkt aufzugreifen."

Hinweis: Die Pressekonferenz der Kölner Polizei und Staatsanwaltschaft werden wir in einer Sondersendung WDR aktuell am Donnerstag, 19.09.2024, ab 13.55 Uhr live streamen.

Unsere Quellen:

  • Polizei Köln
  • Reporter vor Ort
  • Nachrichtenagentur dpa

Über dieses Thema berichten wir im WDR am 18.09.2024 auch im Fernsehen: Aktuelle Stunde, 18.45 Uhr.