Medienexperte gegen Verbot von Handys an Schulen
Stand: 02.06.2023, 20:18 Uhr
An einer Realschule in Hemer werden die Smartphones der Schüler vor Unterrichtsbeginn eingesammelt - freiwillig. Der Medienexperte Thomas Feibel hält das trotzdem für den falschen Weg. Er nimmt aber auch die Eltern bei der digitalen Erziehung in die Pflicht.
"Wann haben Verbote schon mal irgendwas gebracht", fragt Medienexperte Thomas Feibel, der in Berlin ein Büro für Kindermedien leitet. Sein "Thema" sei nicht, wie er das Handy aus den Händen der Kinder bekommt. Ihm gehe es darum, sie zu einem verantwortungsvollen Umgang mit dem Smartphone zu befähigen.
Gute Erfahrungen mit handyfreier Zone in Hemer
In Hemer hat sich die Schule in Abstimmung mit Eltern- und Schülervertretern für eine freiwillige Abgabe des Smartphones vor Unterrichtsstart entschieden. Zuvor seien dort von Schülern wiederholt Gewaltszenen gefilmt und ins Internet gestellt worden. Damit habe man gute Erfahrungen gemacht. Der Ärger auf dem Schulhof sei zurückgegangen, berichtet Schulleiter Udo Sonnenberg.
Für den Umgang mit Smartphones an Schulen gibt es keine Leitlinien von Schulministerien. Letztlich wird das in jeder Schule selbst entschieden. Feibel empfiehlt einen "konstruktiven" Ansatz, in dem die Kinder und Jugendlichen eingebunden werden - etwa bei der Aufstellung von Regeln zur Mediennutzung.
Die Probleme seien groß, weil die digitale Erziehung lange vernachlässigt worden sei. Noch vor dem Umgang mit dem Smartphone beklagt Feibel das Fehlen einer frühen Medienbildung. Es fehle etwa an "Basics" im Umgang mit Computern, wobei man schon vor 20 Jahren gewusst habe, dass diese für Kinder mal wichtig werden. In der digitalen Erziehung sieht Feibel noch "sehr viel Luft nach oben", wobei neben den Schulen auch Eltern gefordert seien.
Regelloses Aufwachsen mit Handys ist das Problem
Sie seien die ersten, die ihren Kindern Regeln im Umgang mit Medien näherbringen müssten, und da sieht Feibel Defizite: "Entscheidend ist das regellose Aufwachsen - das ist das Problem." Die meisten Kinder könnten beispielsweise selbst entscheiden, wie viel Zeit sie mit dem Handy verbringen und was sie damit machen.
Der Medienexperte empfiehlt Eltern, mit ihren Kindern einen Mediennutzungsvertrag abzuschließen, der regelt was sie dürfen und was nicht. Hilfe beim Erstellen eines solchen Vertrages, für den auch WDR-Moderator Ralph Caspers wirbt, liefert etwa die Landesanstalt für Medien NRW. Wirklich kontrollieren könnten Eltern dies ohnehin nur, bis ihre Kinder maximal zwölf Jahre alt sind: "Danach ist das mit der Kontrolle gelaufen", so Feibel.
Handys als Chance im Unterricht
Dass das kleine digitale Endgerät, ohne das viele Jugendliche das Haus gar nicht mehr verlassen, aus der Schule nur schwer zu verbannen ist, hat auch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung erkannt. Sie widmet sich im Internet auf der Seite "Ins Netz gehen" den Vor- und Nachteilen von Handys im Unterricht und konstatiert, dass diese "mit ihren vielfältigen Funktionen auch eine Chance im Unterricht darstellen".
Ob man nun wie in Hemer auf einen freiwilligen Handyverzicht setzt oder der missbräuchlichen Nutzung durch gute Präventionsarbeit entgegenwirkt, verhindern ließen sich Auswüchse nie: "Da wird immer was schiefgehen. Das sind Kinder und Jugendliche", sagt Feibel. Indem man sie ausbilde und sensibilisiere, ließe sich jedoch einiges verhindern.
Viele Eltern taugen nicht als Vorbild
Die Herausforderungen für die Gesellschaft durch das Smartphone betrachtet Feibel als groß. Das gelte neben dem Nutzungsverhalten der Kinder auch für das der Erwachsenen, von denen viele als "Vorbilder" nicht taugten.