Keuchhusten: Zahl der Infektionen steigt
Aktuelle Stunde . 28.11.2024. 15:16 Min.. Verfügbar bis 28.11.2026. WDR. Von Carsten Upadek.
Warum dieses Jahr so viele Menschen an Keuchhusten erkranken
Stand: 27.11.2024, 17:54 Uhr
Die Zahl der Menschen, die an Keuchhusten erkranken, ist 2024 auf Rekordhoch. Woran das liegt und wie man sich schützen kann.
Von Victor Fritzen und Catharina Coblenz
Krampfhafter Husten, anfallartig, besonders nachts, manchmal bis zum Erbrechen: Keuchhusten ist eine Qual. In diesem Jahr sind dem Robert Koch-Institut (RKI) bereits mehr als 23.000 laborbestätigte Fälle mit Angaben von Symptomen gemeldet worden.
So hoch waren die Zahlen in den vergangenen elf Jahren, seit sie erfasst werden, noch nie. Woher kommt das? Wie gefährlich ist Keuchhusten? Und wie kann man sich schützen?
Was ist Keuchhusten genau?
Keuchhusten ist weltweit eine der häufigsten Infektionskrankheiten der Atemwege. Die Krankheit ist hochansteckend. Sie wird durch Stäbchenbakterien verursacht - in den meisten Fällen durch Bordetella pertussis, seltener durch Bordetella parapertussis. Seit 2013 ist die Krankheit meldepflichtig.
Wie kriegt man Keuchhusten?
Die Bakterien werden wie beim normalen Husten mit einer Tröpfcheninfektion übertragen - heißt durch Husten, Niesen oder Sprechen, wenn man sich in einem Abstand von bis zu einem Meter zu einer infizierten Person aufhält.
Die Ansteckungsgefahr besteht dabei vom ersten Husten an, bis etwa fünf Wochen nach Krankheitsbeginn. Besonders während der ersten zwei Wochen ist die erkrankte Person besonders ansteckend.
Welche Symptome haben Erkrankte?
Keuchhusten verläuft typischerweise in drei Stadien. In den ersten ein bis zwei Wochen haben die Betroffenen leichte Erkältungssymptome, wie Husten, Schnupfen und Schwächegefühl. Fieber ist selten.
Die zweite Phase dauert in der Regel vier bis sechs Wochen an, und es entwickelt sich ein langwieriger, trockener Husten. Es kommt zu krampfhaften Hustenstößen, die häufig mit einem keuchenden Einziehen der Luft enden. Oft führen die Hustenanfälle sogar zu Würgen und Erbrechen. Die Betroffenen leiden unter Appetit- und Schlaflosigkeit. Fieber tritt jedoch auch in dieser Phase meist nicht auf.
Die dritte Phase wird auch als "Erholungsphase" bezeichnet. Sie dauert sechs bis zehn Wochen und der Husten klingt in dieser Zeit langsam ab. Der Reizhusten kann jedoch noch monatelang andauern, besonders bei kalter Luft, körperlicher Anstrengung oder Zigarettenrauch.
Ob es sich wirklich um Keuchhusten handelt und nicht um einen anderen Erkältungsinfekt, ist nur über einen PCR-Test eindeutig nachweisbar, sagt der Mülheimer Kinderarzt Dr. Olaf Kaiser. Den mache er aber nur in Einzelfällen. Die Laboruntersuchung sei aufwändig und dauere mehrere Tage.
Wer bekommt Keuchhusten?
Theoretisch kann es jeden treffen. 60 Prozent der Fälle treten bei Erwachsenen auf. Im Moment sind vor allem Kinder und Jugendliche betroffen, sagt das RKI, genauer gesagt die 12- bis 16-Jährigen.
In den Kinderpraxen mache sich das auf jeden Fall bemerkbar, sagt Tanja Brunnert, Sprecherin des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte. "Viele hatten anhaltend quälenden Husten."
Warum haben das derzeit so viele?
Mehr als 23.000 Keuchhusten-Fälle sind dem RKI dieses Jahr bundesweit bereits gemeldet worden - so viele wie noch nie in den vergangenen elf Jahren, seitdem die Krankheit meldepflichtig ist. Die Dunkelziffer könnte noch höher sein.
Für NRW meldet das RKI in den ersten elf Monaten dieses Jahres 3.610 Fälle - auch das ist Rekord. Im gesamten Vorjahr waren es nur knapp 366 Fälle. Nur in Bayern und Baden-Württemberg sind's noch mehr.
"Es gibt natürliche Schwankungen und es kommt alle paar Jahre zu einer stärkeren Saison", sagte der Direktor der Infektiologie der Berliner Charité, Prof. Leif Erik Sander, der Deutschen Presse-Agentur. "Dieses Jahr liegt aber deutlich außerhalb der normalen Schwankungen."
Die Situation sei nicht mit einer Pandemie vergleichbar, aber die Belastung durch Atemwegsinfekte wie Keuchhusten in den Kinderarztpraxen und Kinderkliniken sei hoch.
Prof. Leif Erik Sander
Eine mögliche Erklärung für die hohen Zahlen sind laut Sander sogenannte Nachholeffekte nach der Corona-Pandemie. Während der Pandemie hatten viele Menschen wegen der Infektionsschutzmaßnahmen keinen Kontakt mit dem Keuchhusten-Erreger. Dadurch habe die Immunität in der Bevölkerung abgenommen, weshalb nun mehr Menschen erkrankten. Außerdem sei es möglich, dass mehr auf Keuchhusten getestet werde, so Sander.
Hinzu kommt: Viele glauben, dass Impfungen gegen Keuchhusten lebenslang halten. So ist es aber nicht. "Sie müssen aufgefrischt werden – das vernachlässigen aber viele", sagt auch Sanders Charité-Kollege Dr. Horst von Bernuth. Deshalb habe nur rund die Hälfte der Erwachsenen einen ausreichenden Impfschutz.
Wie gefährlich ist Keuchhusten?
In der Regel macht der Erreger nicht schwer krank, sagt Prof. Sander. Deswegen sollte man die Krankheit aber nicht auf die leichte Schulter nehmen. "Es ist eine unterschätzte Erkrankung."
Insbesondere für Säuglinge kann Keuchhusten gefährlich werden und zu schweren Hustenanfällen, Krämpfen der Stimmlippen, Atemaussetzern und Erbrechen führen. Ein hoher Anteil aller KrankenhausBehandlungen und fast alle Todesfälle betreffen laut RKI junge, ungeimpfte Säuglinge unter sechs Monaten.
Sie kommen in Deutschland aber sehr selten vor. Dieses Jahr sind laut RKI bislang vier Menschen an Keuchhusten gestorben. In den vergangenen Jahren schwankte die Zahl der Todesfälle zwischen null und sechs.
Wie behandelt man Keuchhusten?
Der Mülheimer Kinderarzt Dr. Olaf Kaiser behandelt Keuchhusten mit Antibiotikum. "Das hilft hervorragend gegen die Ansteckungsgefahr bei Keuchhusten. Wir behandeln dann nicht den Husten selbst, der dauert einfach länger". Die Krankheit laufe ganz normal oft weiter, aber die Ansteckungsgefahr gehe runter.
Wie kann man sich vor Keuchhusten schützen?
Das beste ist, sich impfen zu lassen. "Wir raten sehr dringend, eine Impfung wahrzunehmen", sagt Tanja Brunnert vom Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte. Für Neugeborene werden in Deutschland drei Impfungen im Alter von zwei, vier und elf Monaten empfohlen.
Manchen Eltern sei das zu früh, sagt Kinderarzt Olaf Kaiser. Es gebe auch Eltern, die gar nicht impfen wollen. "Die müssen gut aufgeklärt sein. Wer aber gut Bescheid weiß, darf das natürlich für sich so entscheiden, aber muss auch damit leben, dass man häufiger mal ein Antibiotikum braucht oder zum Arzt muss oder Krankheiten mal schwerwiegend stattfinden können."
Die Impfung schütze sehr gut vor komplizierten Verläufen, eine Infektion könne man aber nicht immer verhindern, sagt auch Kinderärztin Tanja Brunnert.
Der Impfschutz sollte im Alter von 5 bis 6 Jahren und im Alter von 9 und 17 aufgefrischt werden. Bei jüngeren Kindern ist die Impfquote hoch und lag bei Schulanfängern im Jahr 2018 bundesweit bei etwa 93 Prozent.
Auch Erwachsenen wird alle zehn Jahre eine Auffrischungsimpfung empfohlen. Die Ständige Impfkommission empfiehlt die Impfung insbesondere auch für Schwangere, die so auch ihr Neugeborenes schützen können. Ihrer Erfahrung nach werde das aber noch viel zu selten gemacht, sagt Kinderärztin Brunnert.
Über dieses Thema berichten wir am 28.11.2024 auch im Radio und im Fernsehen.
Unsere Quellen:
- Robert-Koch-Institut (RKI)
- Interview Dr. Olaf Kaiser
- Nachrichtenagentur dpa
- Bundesgesundheitsministerium
- Website der Charité Berlin