Ein anderer Ort, ein anderes Problem: Bei Kinderarzt Olaf Kaiser in Mülheim an der Ruhr warten die kleinen Patienten schon im Treppenhaus. In der Praxis ist es zu voll. Die Grippewelle ist da. Und zwar ziemlich heftig und vor allem sehr früh.
Schon im Oktober ein hoher Krankenstand
Wie der Dachverband der Betriebskrankenkassen (BKK) mitteilte, lag der Krankenstand im Oktober 2022 bei 6,7 Prozent und damit weit über den Werten aus 2020 (4,7%) und 2021 (4,92). Besonders betroffen sind Erkrankungen der Atemwege.
Das bestätigt auch das Robert Koch-Institut (RKI). Dort verzeichneten die Forscher nicht nur einen frühen Start der Grippesaison, sondern auch eine intensive Welle. In den meisten Altersgruppen liegen die Werte im oberen Bereich der vorpandemischen Jahre.
Das RKI berechnete anhand der Arztkonsultationen, dass allein in der Kalenderwoche 45 rund 1,3 Millionen Menschen wegen einer Atemwegserkrankung einen Arzt aufsuchten. Besonders betroffen: Kinder und Jugendliche. Nach den grippearmen Wintern und der eher isolierten Corona-Zeit sind viele kleinere Kinder ohne Immunschutz.
Nachhol-Effekt bei Kindern
"Bei den Kindern, da gibt es einen gewissen Nachhol-Effekt", erklärt WDR-Medizinjournalistin Christina Sartori. Praktisch jedes Kind mache ein oder zwei Infektionen mit sogenannten RS-Viren in den ersten Lebensjahren durch. "Das fiel in 2020 und 2021 fast aus. Und so stecken sich damit jetzt drei Jahrgänge von Kindern an, was sich sonst auf drei Jahre verteilt hätte."
Das wiederum könne auch die Zahl der Krankschreibungen erhöhen: "Wenn das Kind krank ist, oder weil die Kita zu ist, weil zu viele Erzieher und Erzieherinnen krank sind – dann muss Vater oder Mutter zu Hause bleiben", so Sartori.
Aber auch bei Erwachsenen schlägt die Grippewelle zu. "Die Menschen hatten längere Zeit keinen Kontakt zu Influenzaviren, eine Herdenimmunität besteht nicht mehr", sagt Hortense Slevogt von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP).
18 Prozent erkrankte Mitarbeiter bei Aachener Verkehrsbetrieben
Sartori sieht den Grund des hohen Krankenstandes auch in einer veränderten Einstellung der Berufstätigen: "Früher ist der eine oder die andere auch mit Husten und Schnupfen ins Büro gegangen – da sind viele jetzt rücksichtsvoller und bleiben zu Hause, um die Kollegen und Kolleginnen nicht anzustecken."
So leiden die Aachener Verkehrsbetriebe laut Pressesprecher Paul Heesel derzeit unter einem Krankenstand von 18 Prozent. Normal seien in dieser Zeit etwa 13 Prozent. So müssten bestimmte Fahrten ausfallen, die wichtigen Fahrten im Berufs- und Schülerverkehr werde man aber versuchen zu besetzen.
Laut BKK haben Altenpfleger und Physiotherapeuten mit 8,9 Prozent den höchsten Krankenstand zurzeit - dicht gefolgt von Bus- und Lkw-Fahrern mit 8,89 Prozent.
Grippeschutzimpfung schützt auch vor Herzinfarkt
Auch die Zahl der Coronainfektionen stieg unter den BKK-Mitgliedern an. Auf zehntausend beschäftigte Mitglieder kamen im Oktober 125,1 Krankschreibungen. Im September hatte der Wert noch bei 74,4 gelegen.
Was tun? Lungenmediziner raten für über 60-Jährige und Risikopatienten dringend zur Grippeschutzimpfung. Die schütze nicht nur vor einer akuten Grippeerkrankung, sondern könne auch das Risiko für Herzinfarkte deutlich senken.
Über das Thema berichten am 26.11.2022 auch das WDR 5 Morgenecho und die Aktuelle Stunde im WDR Fernsehen.