Greta Thunberg hält eine Rede in Helsinki

"Gut" gegen "Böse": Wie Greta Thunberg gegen Israel kämpft

Stand: 09.10.2024, 16:50 Uhr

Statt für den Klimaschutz kämpft Greta Thunberg nun für Palästina - und gegen Israel. Wie Antisemitismus-Experte Nikolas Lelle das deutet.

Von Jörn SeidelJörn Seidel

Mit 15 hockt sie sich allein vor das Schwedische Parlament, beginnt ihre "Schulstreiks für das Klima". Mit 16 entwickelt sie sich zur Ikone der Klimabewegung, lockt weltweit Massen junger Menschen auf die Straßen. Mit 21 dann protestiert sie gegen Israel, ist Rednerin auf propalästinensischen Demos, wo auch Islamismus und Antisemitismus offen zur Schau getragen werden. Was steckt dahinter?

Polizei Dortmund verhindert Auftritt von Greta Thunberg

Am Dienstagabend wollte Thunberg nach Dortmund kommen, um an der Kundgebung eines Palästina-Protestcamps teilzunehmen. Der Polizei jedoch war ihr angekündigter Besuch zu heikel. Nach einer "Gefahrenprognose für die Versammlung" erteilte sie Thunberg indirekt ein Auftritt-Verbot, indem sie die Schließung des seit Monaten bestehenden Camps verlangte.

Thunberg, die für viele junge Menschen mit ihrem vehementen Klima-Protest zum Idol geworden ist, zieht eben immer noch Aufmerksamkeit auf sich. Und genau das sei nun problematisch, findet Nikolas Lelle, Antisemitismus-Experte bei der Amadeu-Antonio-Stiftung, die sich für die Stärkung der demokratischen Zivilgesellschaft einsetzt.

Zivilgesellschaftliches Lagebild Antisemitismus

Nikolas Lelle, Antisemitismus-Experte bei der Amadeu-Antonio-Stiftung

"Wenn berühmte Leute, die wir respektieren, sich für etwas engagieren, dann macht das was mit uns", sagt Lelle. Thunberg habe immer noch eine Strahlkraft, ziehe Menschen an und sorge dafür, dass diese dann israelkritische Positionen teilen, die teils antisemitisch seien.

Thunberg wirft Israel Völkermord vor

Da ist zum Beispiel Thunbergs wiederholter Vorwurf, Israel verübe einen Genozid, also einen Völkermord, an den Palästinensern. Das sagte sie zum Beispiel am Montag in Berlin bei einer propalästinensischen Demo, bei der es zu Ausschreitungen kam. 

Auch erhob sie diesen Vorwurf bei einer Demo gegen den Eurovision Song Contest in Malmö. Dort versammelte sie sich hinter einem Banner mit der Aufschrift: "Welcome to Genocide Contest" und postete das Bild bei X.

Völkermord-Vorwurf beschäftigt Internationalen Strafgerichtshof

Zum Hintergrund: Zurzeit beschäftigt sich auch der Internationale Strafgerichtshof mit der Genozid-Frage - seine Entscheidung lässt wohl noch länger auf sich warten. Ob es wirklich Völkermord ist, daran gibt es starke Zweifel, denn dieser setzt nach dem Völkerstrafrecht einen Vernichtungswillen voraus. 

Zwar haben die israelischen Angriffe im Gazastreifen viel Leid verursacht - mit unzähligen Toten und Verletzten, mit Flucht und Verzweiflung. Aber die demokratisch legitimierte israelische Regierung ist zumindest bemüht, ihre Militäraktionen als gezielte Angriffe gegen die Terror-Organisation Hamas transparent zu machen.

Das Problem, so Lelle: Statt konkreter Kritik am Vorgehen der israelischen Regierung, die ja auch viele Israelis selbst äußern, gehe es bei den propalästinensichen Demos zumeist um pauschale Verurteilung.

"Beim Genozid-Vorwurf gegen Israel geht es um Emotionalisierung. Es geht darum klarzumachen, wer gut und wer böse ist." Nikolas Lelle,
Amadeu-Antonio-Stiftung

Israel werde mit dem Völkermord-Vorwurf als das Böse verteufelt, so Lelle. Und eben das sei antisemitisch. "Antisemiten haben sich schon immer auf der richtigen Seite gefühlt. Sie glauben, gegen das Böse zu kämpfen: gegen die Juden."

Kampf "Gut" gegen "Böse" - wie beim Klima

So werde Israel immer wieder als Aggressor im Nahen Osten dargestellt, gegen den man sich wehren müsse. "Es wird als existenzieller Kampf gegen das Übel in der Welt gesehen", sagt Lelle.

Genau darin sei eine Parallele zur Klimabewegung zu erkennen, sagt der promovierte Sozialphilosoph. Denn auch beim Klima gehe es um Existenzielles, um die Bedrohung der Menschheit.

Greta Thunberg auf einer Demo in Berlin

Greta Thunberg auf einer Pro-Palästina-Demo in Berlin

Was Greta Thunbergs Motivation ist, statt des Klimawandels nun Israel zu bekämpfen, darüber kann lediglich spekuliert werden. Belegt ist auch nicht, ob sie immer weiß, mit welchen Menschen sie sich bei ihren Protesten gegen Israel umgibt. Aber auf vielen Demos, an denen sie teilnimmt, sind islamistische und judenfeindlichen Symbole und Parolen allgegenwärtig.

Am 11. November 2023, rund einen Monat nach der Terror-Attacke der Hamas auf Israel, sprach Thunberg bei einer israelkritischen Kundgebung in Amsterdam. Danach überreichte sie ihr Mikrofon Sara Rachdan, einer Befürworterin des Massakers der Hamas, wie diese auf Instagram bekundete. "Endlich" werde Widerstand geleistet, schrieb sie dort.

Mehrfach hatte die Hamas erklärt, dass sie weitermachen werde, bis Israel nicht mehr existiere. In Thunbergs Äußerungen zum Krieg in Nahost geht dieser Teil der Ereignisse unter.

Unsere Quellen:

  • WDR-Gespräch mit Nikolas Lelle, Antisemitismus-Experte bei der Amadeu-Antonio-Stiftung
  • WDR-Reporter vor Ort in Dortmund
  • Pressemitteilung der Polizei Dortmund
  • UN-Völkermord­konvention
  • Nachrichtenagentur dpa
  • Instagram-Posts von Greta Thunberg
  • Instagram-Post von Sara Rachdan

Über dieses Thema berichten wir am 09.10.2024 um 18.45 Uhr auch in der Aktuellen Stunde im WDR-Fernsehen.