NRW: Gift PFAS in offenbar mehr Orten als bisher bekannt 

Stand: 23.02.2023, 13:58 Uhr

PFAS gilt als Jahrhundert-Gift, weil es extrem langlebig ist. Eine Recherche zeigt jetzt: In Deutschland und auch in NRW sind wohl viel mehr Orte belastet, als bisher bekannt.

Von Manuel Bewarder, Sarah Pilz und Sarah Wippermann

Die Belastung mit dem Jahrhundertgift PFAS lässt sich in Nordrhein-Westfalen offenbar an mehr Orten nachweisen als bislang öffentlich bekannt. Das ist eines der Ergebnisse einer Recherche von WDR, NDR, Süddeutscher Zeitung und internationalen Partnern. Demnach hat man die Substanzen in den vergangenen Jahren im Bundesland an rund 400 Orten nachgewiesen. Für die Recherche wurden Angaben von Behörden, aus Parlamentsanfragen sowie Messergebnisse aus Studien gesammelt und ausgewertet. Bei den Standorten handelt es sich zum Beispiel um militärisch genutzte Gelände, um Flughäfen oder Industriestätten.

PFAS im Blut fast aller Menschen nachgewiesen

Gebäude des Bundesumweltamt in Dessau

Bundesumweltamt in Dessau

Das Gift PFAS steht im Verdacht, unter anderem Krebs zu verursachen. Expertenschätzungen nehmen an, dass in der EU pro Jahr mehr als 12.000 Menschen im Zusammenhang mit einer hohen PFAS-Belastung sterben. Laut Umweltbundesamt (UBA) stecken schon heute PFAS im Blut fast aller Menschen – in Blutproben von Kindern und Jugendlichen wurden bei jedem fünften Probanden ziemlich hohe Werte festgestellt.

PFAS ist der Oberbegriff für eine Gruppe von mehr als 10.000 künstlich hergestellten Chemikalien. PFAS sind wasser-, fett- und schmutzabweisend und werden in sehr vielen Industrieprodukten eingesetzt. In Regenjacken und beschichteten Pfannen zum Beispiel. In der Industrie werden sie unter anderem bei der Chipherstellung genutzt und in Feuerlöschschäumen sind sie zu finden.

Chemikalie auch in Löschschaum

Tatsächlich zeigt die Recherche mehrere Fälle in NRW, bei denen PFAS dort nachgewiesen wurden, wo früher Löschschaum benutzt worden war. Ein Beispiel ist der Düsseldorfer Flughafen, wo früher PFAS-haltiger Löschschaum verwendet wurde und in Boden und Grundwasser floss. PFAS wird auch immer wieder im Klärschlamm nachgewiesen, obwohl Kläranlagen selbst gar nicht mit PFAS arbeiten. Aber in Kläranlagen sammeln sich Abwässer, auch solche, die mit PFAS belastet sein können wie beispielsweise aus der Industrie. – In den Verordnungen für industrielles Abwasser und Abluft fehlen jedoch bis heute Grenzwerte für die Stoffgruppe.

Logo des Spezialchemiekonzerns LANXESS auf dem Dach eines Bürogebäudes.

Ein Gebäude von Lanxess

Im Bundesgebiet gibt es laut der Recherche sechs Fabriken, die PFAS produzieren oder dies bis vor kurzem taten – eine davon steht in Leverkusen. Lanxess nutzt dort PFAS-Stoffe in Produktionsprozessen und stellt diese auch her. Laut Unternehmen fällt dabei PFAS-haltiges Abwasser an. Dieses werde vorgereinigt und dann zum Klärwerk geleitet. Feste Rückstände – eine einstellige Tonnenzahl pro Jahr – würden laut gesetzlichen Vorgaben in einer Sondermüllverbrennungsanlage entsorgt. Mitarbeiter würden regelmäßig auch auf perfluorierte Verbindungen getestet. Krankheitsfälle in diesem Zusammenhang seien nicht bekannt, erklärte der Sprecher.

PFAS im Industriemüll

Im Vergleich zu den meisten Bundesländern befasst man sich in Nordrhein-Westfalen schon recht lang mit PFAS und den Auswirkungen. NRW ist offenbar das einzige Bundesland, das zumindest sogenannte Orientierungswerte für PFAS festgelegt hat. Nachfragen von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung in den anderen Bundesländern dazu blieben zum Teil unbeantwortet. Auslöser für die Beschäftigung in NRW mit PFAS war 2006 eine sehr hohe PFAS-Konzentration im Ruhr- und Möhne-Einzugsgebiet.

Grund dafür war, dass über mehrere Jahre PFAS-haltiger Industriemüll statt Dünger auf Feldern verteilt worden war. Nach Angaben des NRW-Landesamtes für Natur ist die Zahl der offiziell gemeldeten Fälle mit PFAS-Belastungen im Boden und im Grundwasser seit Start der Statistik im Jahr 2011 stetig angestiegen.

Vor gut zwei Wochen hat die zuständige EU-Behörde ECHA einen Vorschlag von fünf Ländern vorgestellt, die gesamte Stoffgruppe der PFAS vollständig zu verbieten. Die mehr als 10.000 Stoffe sollen – mit einer Übergangsfrist von wenigen Jahren – nicht mehr verwendet werden dürfen. Eine Entscheidung über das PFAS-Verbot wird aber wohl erst im Jahr 2025 fallen.

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