WDR-Studie: So gendern die Deutschen

Stand: 06.02.2023, 06:00 Uhr

Gendergerechte Sprache ist vielen Deutschen nicht so wichtig. Das zeigt eine repräsentative Umfrage von infratest dimap im Auftrag des WDR. Weiteres Fazit: Zwei Drittel der Befragten sind für die Doppelnennung in der Berichterstattung, andere Formen des Genderns werden hingegen weniger akzeptiert.

Derzeit gibt es eine Debatte darüber, alle Geschlechter und Identitäten gleichermaßen in unsere Sprache einzubeziehen- also Formulierungen zu benutzen, die alle sichtbar und hörbar machen.  Wie wichtig ist Ihnen gendergerechte Sprache? Diese Frage beantwortet eine heute veröffentlichte, repräsentative Umfrage von infratest dimap im Auftrag des WDR. "Für uns im WDR sind die Ergebnisse vor allem mit Blick auf unsere journalistische Arbeit interessant. Denn Sprache ist unser wichtigstes Handwerkszeug", sagt WDR-Programmdirektor Jörg Schönenborn.

Mehr als 1.000 Menschen wurden im September 2022 befragt - und die Antworten mit einer Befragung im September 2020 verglichen. Hier kommen die Ergebnisse:

Mehrheit der Befragten ist Thema Gendern nicht so wichtig

Für fast zwei Drittel der Menschen spielt gendergerechte Sprache danach kaum oder gar keine Rolle, das sind etwas mehr als vor zwei Jahren. Dabei ist sie eher für Jüngere relevant, bei älteren Zielgruppen ist die Ablehnung größer.

Gefragt nach ihrer Haltung zum Thema gaben 41 Prozent der Befragten an, das ihnen das Thema gar nicht wichtig sei. (Zum Vergleich: 2020 waren es 30 Prozent) Sehr wichtig finden es nur 16 Prozent, (2020 waren es noch 19 Prozent).

Dabei gab es bei den Antworten der Befragten auch kaum Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Aber: Jüngeren Menschen ist das Thema offenbar wichtiger als älteren. Zum Vergleich: 43 Prozent der jüngeren Umfrageteilnehmer (14-29) ist das Thema Gendern wichtig, 68 Prozent der Älteren (50-59) ist das Thema weniger bis gar nicht wichtig.

Gendern in den Medien

Im Vergleich zu 2020 polarisiert das Thema gendergerechte Sprache mehr. Auch in der Berichterstattung stößt genderneutrale Sprache auf weniger Zustimmung als zuvor: 41 statt 54 Prozent gaben an, diese in Zeitungen, Internet und Apps gut zu finden, mit Blick auf Radio, Fernsehen und Podcasts sind es 41 statt 52 Prozent.

Doppelnennung ist für die meisten in Ordnung

Einem großen Anteil - vor allem den Jüngeren - sind geschlechtsneutrale Formulierungen wichtig. Besonders akzeptiert ist die Doppelnennung von männlichen und weiblichen Formen, also zum Beispiel "Kolleginnen und Kollegen". Sie wird von mehr als der Hälfte genutzt. Auch in der Berichterstattung wird die Doppelnennung von mehr als zwei Dritteln der Befragten breit akzeptiert.

"Gender-Gap" kommt nicht gut an

Bei der Benutzung von Symbolen wie Sternchen oder Doppelpunkt (Proband*in oder Bürger:Innen) gehen die Meinungen schon weiter auseinander. 35 Prozent finden das gut, 59 Prozent hingegen nicht. Auch die Sprechpause, die sogenannte "Gender-Gap", vor der weiblichen Endung eines Wortes lehnt die überwiegende Mehrheit der Befragten ab. Gut oder sehr gut finden das 27 Prozent; weniger gut oder gar nicht gut finden das 69 Prozent.

Debatte geht weiter - auch beim WDR

Die Debatte über das Gendern ist längst im Alltag angekommen - und wird zum Teil sehr konfrontativ geführt. Die einen begrüßen die gendergerechte Sprache, andere kritisieren, dass die deutsche Sprache dadurch umständlich wird.

Jörg Schönenborn

WDR-Programmdirektor Jörg Schönenborn

Auch der WDR beschäftigt sich schon lange mit dem Thema. Aus Sicht von Programmdirektor Jörg Schönenborn bestätigen die Ergebnisse der Umfrage den bisherigen Umgang des WDR mit dem Thema: "Sprache ist ja etwas ganz Persönliches und wir wollen so sprechen wie unser Publikum. Und wenn wir feststellen, dass diese Sprechlücke abgelehnt wird, dann empfehlen wir auch, darauf zu verzichten."

Das Wort Lehrerin mit einem Doppelpunkt in der Mitte geschrieben

Sprache entwickelt sich: So schreiben viele noch nicht.

Derzeit verzichtet man im Programm weitgehend auf den gesprochenen Gender-Gap. Einzelne Redaktionen könnten sich für die Nutzung entscheiden, wenn die Form beim Publikum eines speziellen Angebots überwiegend vertraut und gebräuchlich ist, beispielsweise bei einem Angebot in den sozialen Medien. Doch Sprache verändere sich. "Das ist nichts für die Ewigkeit und deshalb gucken wir auch immer neu drauf."

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