Norbert Walter-Borjans (SPD)

Friedensappell sorgt für große Diskussion

Stand: 03.04.2023, 18:38 Uhr

Zum "Friedensappell" äußert sich jetzt auch Ex-SPD-Chef Norbert Walter-Borjans. Im WDR-Interview verteidigt er, warum er den offenen Brief für einen Waffenstillstand im Ukrainekrieg unterschrieben hat. Aus der ukrainischen Botschaft gab es zuvor scharfe Kritik.

Ein Waffenstillstand in der Ukraine - die Reaktion aus dem Land selbst auf diesen Appell ist deutlich: Der ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev sagte der dpa: "Dieser Friedensappell ist kein Aprilscherz. Das ist ein purer Zynismus gegenüber den zahlreichen Opfern der russischen Aggression." Auch der Politikwissenschaftler Herfried Münkler hält wenig von dem Appell, sagt er gegenüber dem WDR:

"Das ist politische Romantik." Herfried Münkler, Politikwissenschaftler

Bekannte SPD-Politiker und Gewerkschafter in Deutschland hatten in einem am Samstag erschienenen Appell einen Waffenstillstand in der Ukraine gefordert. Zu den Unterzeichnern gehört unter anderem der ehemalige SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans. Im WDR-Interview sagte der SPD-Politiker am Montag:

"Hier treibt mich auch mein Gewissen, dass ich es ehrlich gesagt nicht ertragen kann, wie mit Menschen umgegangen wird, die erst mal ihrer Sorge Ausdruck verleihen." Norbert Walter Borjans, SPD
ehem. Parteichef

Borjans wolle aus der "Schweigeecke" heraus: "So geht man nicht in einer Demokratie mit Menschen um, die nach Wegen suchen dieses Töten zu beenden.

Experte weist Ideen zurück

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wird darin aufgefordert, zusammen mit Frankreich die Länder Brasilien, China, Indien und Indonesien für eine Vermittlung zu gewinnen. Doch dafür hätten Deutschland und Frankreich nicht genug Gewicht und Einfluss, so Münkler. China und Indien seien Profiteure der Situation, weil sie günstig bei Russland einkaufen können. Es sei fraglich, welches Interesse die "daran haben, dass Europa sich wieder entfeindet".

Initiiert wurde der Aufruf unter anderem von Peter Brandt, einem Sohn des ehemaligen Kanzlers Willy Brandt (SPD). Der verteidigt den Aufruf: "Der Appell ist keine Aufforderung an die Ukraine, die Waffen niederzulegen. Und es ist keine Aufforderung an die westlichen Länder, keine Waffen mehr der Ukraine zu liefern."

"Wie das gehen soll, das wird nicht gesagt."

Der Politikwissenschaftler Herfried Münkler bemängelte im WDR Widersprüche in dem Papier. Einerseits solle das Völkerrecht geschützt werden, andererseits solle man mit Russland zu einem Einvernehmen kommen. "Wie das gehen soll, das wird nicht gesagt", so Münkler.

Peter Brandt sieht das anders, den Unterzeichnern gehe es um den Weltfrieden und eine drohende Eskalation. "Wir halten es für erforderlich, dass von den Staaten, die nicht unmittelbar beteiligt sind, Versuche für eine Konfliktlösung ausgehen", so Brandt.

Brandt unterzeichnete auch "Manifest für Frieden"

"Es ist eine Parteinahme in Richtung des Status Quo", findet Münkler. Ein klarer Aufruf zum Rückzug russischer Truppen aus der Ukraine fehle. Da gleichzeitig aber auch kein Stopp der Waffenlieferung gefordert werde, sei es "ein etwas weichgespültes Papier". Etwa im Vergleich zu dem "Manifest für Frieden" von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht, das Brandt ebenfalls unterzeichnet hat.

Brandt hingegen sagt: "Die Täterschaft Russlands ist in dem Appell klar benannt." Das Besondere des Appells sieht er in der Zusammensetzung der Unterzeichner aus dem sozialdemokratischen Spektrum. Von diesem solle "die Bundesregierung ermuntert werden, zusammen mit anderen Ländern einen Waffenstillstand in der Ukraine anzubahnen, worauf dann überhaupt Friedensverhandlungen folgen könnten".

"Das wird politisch keine Effekte haben."

Brandt bezieht sich auch auf Vermittlungsversuche im Frühjahr 2022. Man wisse nicht genau, warum sich diese zerschlagen hätten. Die russischen Kriegsverbrechen hätten sicherlich damit zu tun gehabt, er glaubt aber auch: "Die Interventionen einiger westlicher Staaten, die zu diesem Zeitpunkt kein Interesse an einem Waffenstillstand hatten", seien entscheidend gewesen.

Politikwissenschaftler Münkler glaubt, dass vor allem Russland aktuell Interesse an einem Waffenstillstand haben könnte, um sich zu konsolidieren. Die Ukraine aber hätte nach einem Waffenstillstand keine Garantien, dass Russland nicht gestärkt erneut angreift und könnte sich darauf nicht einlassen. Auch deshalb sagt er über den Appell: "Das wird politisch keine Effekte haben."

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