Flugzeug-Katastrophe in Südkorea
Aktuelle Stunde . 29.12.2024. 42:53 Min.. UT. Verfügbar bis 29.12.2026. WDR. Von Sabine Goer.
Flugzeugabsturz in Südkorea: Wie gefährlich sind Vogelschläge?
Stand: 30.12.2024, 13:26 Uhr
Der Flugzeugabsturz in Südkorea mit 179 Toten ist wahrscheinlich durch einen Vogelschlag ausgelöst worden. Wie oft kommt sowas vor? Und was machen die Flughäfen, um das zu verhindern?
In Südkorea hat es am Sonntag das weltweit wohl schwerste Flugzeug-Unglück seit mehreren Jahren gegeben: Eine Maschine krachte ohne Fahrwerk auf die Landebahn und fing Feuer. Dann rutschte es gegen eine Mauer. 179 der 181 Menschen an Bord starben.
Warum das Flugzeug das Fahrwerk nicht ausgefahren hat, ist nicht klar. Es verdichten sich die Hinweise darauf, dass die Maschine beim Landeanflug in einen Vogelschwarm geraten sein könnte. Das könnte dazu geführt haben, dass das Fahrwerk blockiert war.
Wie oft gibt es Vogelschläge?
Jedes Jahr gibt gibt es weltweit tausende Zusammenstöße von Vögeln mit Flugzeugen. Allein in den USA waren es zwischen 1990 und 2023 nach Angaben der Luftfahrtbehörde FAA 291.600.
Eines der bekanntesten Beispiele ist die Notlandung eines Flugzeuges im New Yorker Hudson River in den USA vor 15 Jahren. Keine zwei Minuten war die US-Airways-Maschine in der Luft, als ein Schwarm Wildgänse in die Triebwerke geriet.
Pilot Chesley "Sully" Sullenberger rettete mit der berühmten Wasserlandung nicht nur alle 154 Menschen an Bord. Er verhinderte auch eine Absturz-Katastrophe im dicht besiedelten Manhattan.
In Deutschland registrierte der Deutsche Ausschuss zur Verhütung von Vogelschlägen im Luftverkehr (DAVVL) im vergangenen Jahr mindestens 1.779 Vogelschläge. So wie im Juni in Dortmund:
"Allein ein Drittel aller verunfallten Vögel waren Turmfalken, die glücklicherweise an keinen großen Schäden beteiligt waren, aber so manchen Flughafen in Unruhe versetzt haben", schreibt der DAVVL in seinem Jahresbericht.
Wie gefährlich sind Vogelschläge?
Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt
In den meisten Fällen führt ein Vogelschlag nicht zu einem schweren Unfall, sondern höchstens zu Beulen an der Außenhaut des Flugzeugs. Bei kleineren Vögeln merken der Pilot oder die Passagiere oft sogar gar nichts davon. "Gefährlich sind nur die großen Vögel. Ein Spatzenschwarm macht nichts. Gänse, Schwäne oder große Raubvögel stellen aber ein großes Problem dar", sagt Heinrich Großbongardt.
So bestätigt es auch DAVVL-Geschäftsführer Christian Hellberg dem "Spiegel": "Je größer ein Vogel ist, desto größer ist die kinetische Aufprallenergie und desto größer das Schadensrisiko". Ein Vogelschlag könne ein Fahrwerk schwer beschädigen. "Die Palette reicht von abgerissenen Hydraulikleitungen bis zu Verklumpungen durch Körperteile."
Das Risiko steigt also mit der Größe der Vögel und ihrer Anzahl, etwa während der Zeit der Vogelzüge. Kommt es zu einer Kollision, lernen die Pilotinnen und Piloten in ihrer Ausbildung, wie sie damit umgehen und richtig handeln. Denn selbst dann ist die Maschine nicht zwingend beziehungsweise selten manövrierunfähig.
Der schlimmste anzunehmende Unfall sei, wenn ein Vogel durch ein Triebwerk geht und dieses zerstört, erklärt DAVVL-Geschäftsführer Hellberg gegenüber dem WDR. Allerdings werde der Vogelschlag bei der Konstruktion des Triebwerks immer schon einkalkuliert. "Ein solches Triebwerk darf sich eigentlich nicht in seine Einzelteile zerlegen. Es muss nach einem Treffer mit einem Vogel noch mindestens 15 Minuten weiter funktionieren, damit man die Maschine normalerweise noch sauber landen kann."
Schwierig wird es, wenn beide Triebwerke betroffen sind, was aber überaus selten vorkommt. Seit 1988 haben Vogelschläge laut der australischen Organisation AAWHG den Tod von 262 Menschen und die Zerstörung von 250 Flugzeugen weltweit verursacht. In dieser Statistik ist das Unglück vom Sonntag noch nicht enthalten.
Was tun Airlines und Airports dagegen?
Um sich gegen die Gefahren durch Vogelschlag zu schützen, haben Flugzeughersteller und Flughäfen eine Reihe von Maßnahmen ergriffen. Sie reichen von Belastungstests der Triebwerke durch das Bewerfen mit toten Hühnern bis hin zu Abschreckungsmaßnahmen rund um die Flughäfen.
Marc Frangenberg mit einem tierischen Helfer am Flughafen Köln/Bonn
In Deutschland haben alle internationalen Verkehrsflughäfen unter anderem einen so genannten Vogelschlagbeauftragten. In Köln/Bonn ist das Marc Francenberg. Seine Kernaufgabe: die Vergrämung der Tiere. Dafür fährt er jeden Tag viele Kilometer Flughafengelände ab und scannt die Umgebung.
Notfalls muss er sofort den Tower informieren und einschreiten. Er schickt dann entweder entweder einen Wüstenbussard oder eine Jagdhündin los, die die Vögel verjagen sollen. An- und Abflüge werden notfalls gestoppt. Hilft gar nichts, setzt Marc Frangenberg einen Schreckschussrevolver ein.
"Man kann die Besatzungen rechtzeitig warnen mit Hilfe von Radar, insbesondere zu den Zeiten, wenn viel in der Luft los ist - nämlich im Frühjahr und im Herbst zu Zeiten des Vogelflugs", sagt Luftfahrtexperte Großbongardt.
Zur Vergrämung gehört aber auch, dass sich bestimmte Vogel- und Tierarten sich gar nicht erst am Flughafen ansiedeln. Vor allem Tierarten, die für mögliche Unfälle verantwortlich sein können. Zum Beispiel Ringeltauben.
Um das große Flughafengelände für die Tiere so unattraktiv wie möglich zu machen, lässt Marc Frangenberg das Gras mindestens 20 Zentimeter lang wachsen. Dadurch können Greifvögel kleine Beutetiere wie Mäuse schlecht erkennen.
So helfen Frettchen am Flughafen Köln/Bonn
Auch Frettchen sind Teil von Marc Frangenbergs tierischem Team.
Neben den Wüstenbussarden und der Hündin gehören mehrere fleißige Frettchen zum tierischem Team. Marc Frangenberg trainiert von klein auf mit ihnen und setzt sie später auf dem Flughafengelände in unterirdische Bauten, wo sie ungebetene Gäste wie Hasen oder Kaninchen rausscheuchen. Dort fängt Bird-Controller Frangenberg sie ein und siedelt sie anschließend um. Dadurch sind sie keine Beute mehr für die Greifvögel.
Beim Verscheuchen macht Frangenberg aber auch Ausnahmen. Denn er weiß: Der Flughafen wird niemals komplett vogelfrei sein - und soll es auch gar nicht. "Wir haben hier ganz seltene Vogelarten, wie die Feldlerche oder das Schwarzkehlchen." Sie dürfen dort brüten. Denn sie sind so klein, dass sie keine Gefahr für die Flugzeuge sind.
Unsere Quellen:
- Nachrichtenagentur AFP
- Interview mit Heinrich Großbongardt
- Interview mit Marc Frangenberg
- Bericht im "Spiegel"
- DAVVL-Jahresbericht 2023
- Tagesschau.de
Über dieses Thema berichten wir am 29.12.2024 auch im Fernsehen: Aktuelle Stunde, 18.45 Uhr.