Neujahrsfeuer

Feuerwerk an Silvester: Tradition oder sinnlose Böllerei?

Stand: 26.10.2023, 12:03 Uhr

Für viele Menschen gehört das Feuerwerk zu Silvester dazu. Für andere aber eben nicht - und die sind sogar in der Mehrheit, wie eine neue Umfrage zeigt.

Der Silvester-Brauch geht in Europa bereits auf die Germanen zurück, die mit Lärm und Lichtern böse Geister vertreiben und das neue Jahr mit Freude begrüßen wollten. Auch heute noch ist das Zünden von Böllern und Raketen für viele Menschen feste Tradition. "Silvester ohne Feuerwerk ist kein Silvester", sagt ein Passant in einer Straßenumfrage des WDR. Eine Passantin meint: "Für uns gehört es dazu, wir knallen auch immer gern."

Insbesondere in Zeiten besonderer Belastungen und Entbehrungen sei das Feuerwerk zum Jahreswechsel für viele Menschen von hohem Wert, schreibt der Bundesverband für Pyrotechnik und Kunstfeuerwerk e.V. auf seiner Internetseite.

"Feuerwerk bedeutet einen Lichtblick und markiert einen kurzen und besonderen Moment der Ausnahme vom Alltag." Ingo Schubert, Vorsitzender des Bundesverband Pyrotechnik

Diesen Standpunkt vertritt aber längst nicht jeder. Laut einer neuen Umfrage der Verbraucherzentrale Brandenburg spricht sich eine Mehrheit (59 Prozent) in Deutschland für ein Verbot von privatem Feuerwerk aus. 39 Prozent der Befragten wünschen sich Feuerwerke ausschließlich von ausgebildeten Pyrotechnikern, 20 Prozent sind sogar für ein generelles Verbot.

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Die Gründe dafür sind vielschichtig: Umwelt- und Tierschutz, das Verletzungsrisiko, erst recht wenn Alkohol im Spiel ist. Manche Menschen finden die Böllerei auch vor dem Hintergrund von Kriegen unangemessen.

Millionengeschäft Feuerwerk

Dennoch ist der Jahreswechsel für die Feuerwerks-Industrie weiter ein Millionen-Geschäft, auch wenn in Deutschland immer weniger geböllert wird an Silvester. Die Verkaufszahlen gehen seit Jahren kontinuierlich zurück. 2019 waren es aber noch rund 122 Millionen Euro, die die Deutschen an Feuerwerk verpulvert haben. Selbst in den Corona-Jahren, in denen ein weitgehendes Verkaufsverbot galt, wurden jeweils für rund 20 Millionen Euro Raketen und Böller gezündet.

Feinstaubbelastung

Dabei ist die Belastung für die Umwelt nicht zu unterschätzen. "Der erste Januar ist der Tag mit der höchsten Feinstaubbelastung im gesamten Jahr", sagt etwa Ute Dauert, Expertin für Luftqualität vom Umweltbundesamt (UBA). Vor allem in Städten und Ballungsgebieten sei dies ein großes Problem. Der Bundesverband Pyrotechnik betont zwar, dass der Anteil von Feuerwerk an der Feinstaubbelastung nur bei von 0,7 Prozent liege. Laut Umweltbundesamt würden aber jährlich rund 2.050 Tonnen Feinstaub durch das Abbrennen von Feuerwerkskörpern freigesetzt, der größte Teil davon – rund 75% – in der Silvesternacht.

Die Feinstaubbelastung bedeutet zwar keine große Gefahr für gesunde Menschen, kann jedoch vor allem für kranke Menschen gefährlich werden. Bei Menschen, die bereits Erkrankungen der Lunge oder des Herz-Kreislauf-Systems haben, können die Beschwerden zunehmen. Im schlimmsten Fall kann es zu Asthma-Anfällen und Herzinfarkten kommen.

Für Carsten Schabosky aus der WDR-Wirtschaftsredaktion wäre ein Feuerwerks-Verbot die einzig sinnvolle Maßnahme.

"Alle reden über den Klimaschutz. Und dann soll echt fröhlich weitergeknallt werden? Jedes Jahr werden tausende Tonnen Feinstaub freigesetzt!" Carsten Schabosky, WDR-Wirtschaftsredaktion

Anderer Meinung ist sein Kollege Wolfgang Landmesser. Der WDR-Wirtschaftsredakteur kann die Kritik des Feuerwerks-Verbandes nachvollziehen. "Dass beim Böllern auch insgesamt viel Feinstaub entsteht – stimmt. Aber auch hier gilt es abzuwägen":

"Der Straßenverkehr ist der mit Abstand größte Feinstaub-Verursacher. Wenn die Politik die Feinstaubemissionen dort effektiv reduziert hat, können wir vielleicht noch mal über ein Böllerverbot reden."   Wolfgang Landmesser, WDR-Wirtschaftsredaktion

Verletzungsrisiko

Das Hauptargument für das Verkaufsverbot von Böllern und Raketen während der Corona-Jahre: Das ohnehin überlastete Gesundheitssystem könne an die Grenze der Belastbarkeit kommen, wenn in der Silvesternacht viele Verletzungen durch Böller und Raketen behandelt werden müssten. Aber auch ohne Pandemie warnen Ärzte und Rettungssanitäter seit Jahren vor der Böllerei. Mit schwersten Verbrennungen hat etwa Kathrin Schaller als ärztliche Leiterin des Rettungsdienstes in Dortmund zu tun.

"Vor der Pandemie hatten wir eine Verdoppelung der Einsatzzahlen in den Silvesternächten, und das nur zwischen 16 Uhr und 8 Uhr am nächsten Morgen. Wenn wir in einer normalen Nacht 200 Einsätze gefahren sind, sind wir an Silvester 2019 mehr als 400 Einsätze gefahren." Kathrin Schaller, ärztliche Leiterin des Rettungsdienstes in Dortmund

Vor allem in Verbindung mit Alkoholkonsum können Böller und Raketen gefährlich werden. Die Reaktionen sind verlangsamt, und die Risikobereitschaft beim Zünden der Feuerwerksartikel nimmt zu.

"Wir sehen üblicherweise erhebliche Verletzungen der Hände. Klassisch ist das beispielsweise, wenn Böller nicht rechtzeitig weggeworfen werden oder wenn nicht genehmigtes Feuerwerk benutzt wird", berichtet auch der Leiter der zentralen Notaufnahme am Klinikum Dortmund, Thorsten Strohmann. Die Folgen: Verlust von einzelnen Fingern bis hin zur gesamten Hand.

Mahnung zur Vorsicht

Das Deutsche Rote Kreuz mahnt zum vorsichtigen Umgang mit Böllern. So sollten nur offiziell zugelassene und zertifizierte Feuerwerkskörper verwendet werden. Kinder dürften grundsätzlich keine Böller in die Hände bekommen, Jugendliche unter 18 Jahren sollten umfassend über den Gebrauch aufgeklärt werden.

Der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hatte im vergangenen Jahr ebenfalls zu einem vorsichtigen Umgang mit Silvesterfeuerwerk aufgerufen. Immer wieder komme es an Silvester zu "schweren Unfällen, bei denen Menschen Augenlicht, Hörvermögen oder Gliedmaßen verlieren", warnte Laumann. "Achten Sie beim Entzünden von Pyrotechnik auf Ihre eigene Sicherheit und die Ihrer Mitmenschen", appellierte der Minister.

Tiere leiden besonders an Silvester

Die Silvesterknallerei bereitet den Tieren besonders viel Stress. Egal ob Wildtiere, Haustiere oder Tiere im Zoo, sie alle leiden unter dem Krach und den Lichtblitzen des Feuerwerks. Im Krefelder Zoo befinden sich deswegen alle Tiere in der Silvesternacht in den Tierhäusern. Dort ist der Lärm etwas gedämmt und die Tiere sind dem grellen Licht durch das Feuerwerk nicht ausgesetzt. Außerdem macht ein Pfleger kurz vor und nach Mitternacht Rundgänge, um nach Tieren zu gucken, die trotzdem unter starkem Stress leiden.

Haustierbesitzern raten Tierärzte, wenn möglich ruhige Gegenden aufzusuchen oder den Tieren zuhause einen Rückzugsort zu schaffen. Rollos herunterlassen und das Radio oder den Fernseher anstellen, helfe auch. Zu diesem Hilfsmittel greift auch das Tierheim in Witten. Dort läuft schon seit mehreren Tagen auch nachts das Radio. In der Silvesternacht werden die Geräte dann voll aufgedreht, sagt Leiterin Kirsten Simon: "Die Hunde hören dann die Musik und kriegen die Knallerei gar nicht mit."

Ausgerechnet Feuerwerk

Ausgerechnet 29.12.2023 44:00 Min. UT Verfügbar bis 29.12.2028 WDR