Medien
Fake News – die Macht der Falschmeldungen
Nicht alles, was in der Zeitung steht, ist richtig – aber nicht jede Falschmeldung ist gleich "Fake News". Fake News, zu deutsch "Gefälschte Nachrichten", verfolgen ein Ziel. Sie sollen Stimmung machen und getarnt als seriöse Nachrichten unsere Gefühle manipulieren.
Von Sonja Kolonko
Was kennzeichnet Fake News?
"Merkel hofft auf 12 Millionen Einwanderer" – "Neue Studie belegt: Ungeimpfte Kinder haben signifikant weniger gesundheitliche Probleme" – das sind Falschmeldungen. Sie sind auf den ersten Blick kaum zu erkennen.
Deshalb sind Fake News so gefährlich: Obwohl die Fakten darin nicht stimmen, werden sie über die Sozialen Netzwerke immer weiter verbreitet und schließlich als wahr akzeptiert.
Für den deutschen Medienforscher Alexander Sängerlaub ist die Absicht hinter der Nachricht entscheidend. Fake News seien "gezielt verbreitete falsche oder irreführende Informationen, die jemandem – also einer Person, Gruppe oder Organisation – Schaden zufügen sollen. Das Ziel der Fake-News-Verbreiter ist entweder politisch motiviert, indem Einfluss auf die öffentliche Meinung ausgeübt werden soll, oder ökonomischer Natur, wenn es darum geht, Menschen auf Webseiten zu locken, mit deren Klickzahlen sich Geld verdienen lässt".
Falsche Meldungen gab es in den Medien schon immer. Am 13. April 1964 wurde zum Beispiel die Nachricht verbreitet, der sowjetische Ministerpräsident Chruschtschow sei vier Tage vor seinem 70. Geburtstag an den Folgen einer "akuten Hephocapalytirosises" verstorben.
Dabei erfreute sich Chruschtschow nicht nur bester Gesundheit – auch der Name der angeblichen Krankheit war frei erfunden. Eine klassische Zeitungsente also, die sich in Windeseile in den Medien ausbreitete, weil die Journalisten nicht gründlich recherchiert hatten und einer vom anderen abschrieb.
Um Fake News allerdings handelte es sich nicht, weil die Meldung ohne manipulative Absichten verbreitet wurde.
Nicht jede falsche Meldung ist automatisch "Fake News"
Wie entstehen Fake News?
Am Anfang von Fake News steht oft eine tatsächliche Nachricht, die entweder missverständlich oder ungenau formuliert ist. Schuld sind dann zum Beispiel unprofessionelle Pressemitteilungen oder journalistische Flüchtigkeitsfehler.
Und: Online werden viele Artikel bewusst mit reißerischen Überschriften versehen, damit sie von vielen Nutzern angeklickt werden. Oft teilen die Nutzer die Texte mit ihren Freunden, obwohl sie nur die Überschriften gelesen haben. Bei Twitter etwa wird mehr als die Hälfte aller Beiträge weitergeleitet, ohne dass der Text überhaupt geöffnet wurde, zeigte eine Studie der Columbia University. Hintergründe und Nuancen eines Themas fallen so unter den Tisch.
Sogar komplett erlogene Fake News machen regelmäßig die Runde. Dass Papst Franziskus im US-Wahlkampf Donald Trump unterstützt habe oder dass das Landratsamt in Bad Eulen Asylbewerbern einmal die Woche Sexbesuche von Prostituierten bezahle – diese Meldungen entbehren jeder Grundlage.
Nicht einmal Videoclips sind mehr sicher. Mit speziellen Computerprogrammen lassen sich bewegte Bilder inzwischen täuschend echt manipulieren. Politikern wie Privatpersonen können damit Zitate in den Mund gelegt werden, die diese in Wirklichkeit nie gesagt haben. Für das bloße Auge sind die Veränderungen der Lippenbewegungen nicht mehr zu erkennen.
Und Fake News sind erfolgreich. Gerade weil sie an niedere Instinkte appellieren und emotionale Reizthemen behandeln, über die sich jeder sofort empören kann, verbreiten sie sich rasant: bis zu sechsmal schneller als wahre Nachrichten, wie die US-Universität MIT in einer Studie herausfand. Beliebte Themen sind zum Beispiel Gewalttaten, Missbrauch, das Impfen, die Flüchtlingskrise.
Gelogene Nachrichten verbreiten sich schneller als wahre
Durch häufiges Teilen erreichen die Fake News erstens immer mehr Nutzer, was zweitens wiederum ihre Glaubwürdigkeit erhöht. Denn wenn ein Beitrag schon hunderttausendfach weitergeleitet wurde, muss er ja stimmen – so die Annahme.
Wieviel Wahrheitsgehalt dabei tatsächlich in der Meldung steckt, ist zweitrangig. Und sind die Texte einmal im Netz unterwegs, werden sie schnell von politischen Akteuren aufgegriffen und für deren ideologische Kampagnen instrumentalisiert.
Besonders brisant: Die Verfasser solcher bewusst falschen Nachrichten sind oft gar keine Menschen, sondern Computerprogramme namens "Social Bots". Sie sind inzwischen technisch so ausgereift, dass sie genau vorhersagen können, wie eine gefälschte Nachricht beschaffen sein muss, um möglichst viele Menschen zu erreichen.
Warum Fake News gefährlich sind
So können die Social Bots Stimmung für oder gegen politische Ansichten machen und die öffentliche Meinung gezielt beeinflussen. Denn je häufiger emotional besetzte Themen in den Medien auftauchen, desto mehr verstärkt sich bei den Nutzern das Gefühl der Bedrohung.
Gezielt gestreute Desinformationen können also die politische Meinungsbildung steuern und sogar das Vertrauen der Bevölkerung in bestimmte Institutionen oder die Demokratie selbst zerstören.
Kein Wunder also, dass viele Experten überzeugt sind: Das Geschäft mit Social Bots und Fake News ist inzwischen gigantisch. Sie vermuten, dass chinesische, russische und englischsprachige Anbieter gegen Geld auf viele öffentliche Diskussionen in der westlichen Welt und in den sozialen Netzwerken Einfluss nehmen.
Ganze politische Kampagnen lassen sich so kaufen, hat die Sicherheitsfirma Trend Micro recherchiert. Eine Beeinflussung von Wahlen etwa kostet 400.000 Dollar, das Anstacheln von Protesten 200.000 Dollar, berichtet tagesschau.de.
Können Fake News die Politik beeinflussen?
Von Echokammern und Filterblasen
Der Einsatz der Lüge für politische Propaganda ist nicht neu. Fake News aber treffen heute auf eine veränderte Medienlandschaft: Auf der einen Seite ist die Flut der online verfügbaren Nachrichten gigantisch; auf der anderen Seite gibt es durch Sparzwänge weniger klassische Medien, die Falschnachrichten entlarven und eine Gegendarstellung liefern könnten.
Längst hat das Verhältnis zwischen den traditionellen Medien und ihren Nutzern in Deutschland Risse bekommen. "Es gibt offensichtlich bei großen Teilen der Bevölkerung die Wahrnehmung: Das sind nicht ihre Medien, wenn sie Tagesschau gucken oder Zeitung lesen", sagt der Leipziger Medienwissenschaftler Uwe Krüger.
So sind die Nutzer oft auf sich selbst gestellt. Welcher Zeitung, welcher Webseite kann ich vertrauen? Wen halte ich für ehrlich, wer sagt mir die Wahrheit?
Problematisch wird dies dann, wenn die Nutzer sich zu einseitig informieren. Denn anders als traditionelle Medien halten sich manche Online-Angebote nicht immer an journalistische Grundsätze wie Ausgewogenheit oder das Zitieren mehrerer Quellen.
Wer aber nur Nachrichten liest, die zum eigenen Weltbild passen, hält diese schnell für die einzige Wahrheit. Medienforscher sprechen dann von einer "Echokammer": Die eigene Meinung wird durch die eingeschränkte Nachrichtenauswahl wie ein Echo immer wieder zurückgeworfen, aber andere Argumente dringen nicht mehr zum Nutzer vor.
Ähnliches meint der Begriff "Filterblase" – weil in den Sozialen Netzwerken die Inhalte für jeden Nutzer anders gefiltert werden und vor allem Meldungen angezeigt werden, die ohnehin zu seinen Interessen und Meinungen passen.
Mehr Medienkompetenz für alle Bürger
(Erstveröffentlichung: 2018. Letzte Aktualisierung: 26.04.2021)
Quelle: WDR