Alleinerziehend und allein gelassen

Menschen hautnah 07.03.2024 43:59 Min. UT Verfügbar bis 31.12.2099 WDR Von Susanne Jäger


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Alleinerziehende arbeiten immer mehr

Stand: 08.03.2024, 06:00 Uhr

Allein gelassen und armutsgefährdet - so geht es vielen Alleinerziehenden. Zudem fühlen sich viele stigmatisiert, wenn ihnen vorgehalten wird, zu wenig zu arbeiten. Unsere Datenrecherchen anlässlich des Weltfrauentags 2024 hingegen zeigen: Frauen arbeiten mehr als früher.

Von Julian Budjan

Mehr als 1,5 Millionen Eltern ziehen ihre Kinder in Deutschland alleine auf, davon sind rund 85 Prozent weiblich. Die meisten von ihnen arbeiten, doch es gibt Vorurteile. "Es ist eine beklagenswerte Tatsache, dass die Erwerbsbeteiligung von Alleinerziehenden im vergangenen Jahrzehnt trotz des Ausbaus der Kinderbetreuungsinfrastruktur zurückgegangen ist", sagte etwa Bundesfinanzminister Christian Lindner auf einer Pressekonferenz zur Kindergrundsicherung im August 2023. Aber stimmt das?

In den Daten der Bundesagentur für Arbeit und des Statistischen Bundesamtes ist das Gegenteil erkennbar:

Seit 2005 ist die Zahl der Alleinerziehenden, die einer Arbeit nachgehen, um knapp zehn, der Anteil der Eltern mit Vollzeitjobs um fünf Prozent gestiegen - Ausnahme sind die Coronajahre 2020 und 2021. Auch haben offenbar immer mehr Alleinerziehende einen Minijob, denn nur noch fünf Prozent gehen gar nicht arbeiten.

Alleinerziehende Mütter haben häufiger Vollzeitjobs

Im Vergleich zu Müttern mit Partner haben alleinerziehende Mütter vor allem in den ersten Lebensjahren des Kindes eine niedrigere Erwerbstätigkeit, die sich nach dem Schuleintritt immer weiter angleicht, wie die Zahlen von 2022 zeigen.

Über alle Lebensjahre hinweg sind die Unterschiede gering: 73 Prozent der alleinerziehenden Mütter mit minderjährigen Kindern haben einen Job, 76 Prozent der Mütter mit Partner. Erstere arbeiten aber häufiger in Vollzeit: 30 gegenüber 21 Prozent.

Mehr Plätze für jüngere Kinder in Kitas

Zumindest teilweise hat Christian Lindner jedoch recht: Die Kapazitäten in der Kita-Betreuung wurden in den vergangenen zehn Jahren stark ausgebaut. So werden heute allein zwischen null und fünf Jahren knapp drei Millionen Kinder in Kindertagesstätten betreut - etwa 700.000 mehr als noch 2009.

An den Betreuungsquoten hat sich aber deutlich weniger getan. Das hat auch mit den rund 375.000 Kindern von Geflüchteten zu tun, die zwischen 2015 und 2022 auf Plätze in den Kitas einer Studie des Leibnitz-Instituts zufolge angewiesen waren. Und damit, dass es erst seit 2013 einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz ab dem Kindesalter von einem Jahr gibt.

So hat sich die Betreuungsquote im U3-Bereich seit 2009 zwar auf über 30 Prozent im Jahr 2023 verbessert und damit fast verdoppelt, im Ü3-Bereich ist die Quote aber seit Jahren leicht rückläufig, sodass der Betreuungsanteil im Bereich null bis fünf Jahre seit 2015 quasi stagniert.

Positive Auswirkungen auf Erwerbstätigkeit

Seit 2010 ist der Anteil der arbeitenden alleinerziehender Mütter in den ersten drei Lebensjahren des Kindes 15 bis 20 Prozent gestiegen - ein Zuwachs um teilweise 50 Prozent.

Das ändert aber wenig an den nach wie vor bestehenden strukturellen Benachteiligungen, vor allem von alleinerziehenden Müttern. Hunderttausende bekommen keinerlei Unterstützung vom ehemaligen Partner, auch, wenn dieser eigentlich Unterhalt zahlen müsste.