Ist die Corona-Pandemie vorbei - oder kommt da noch was?

Stand: 30.01.2023, 11:35 Uhr

Vor drei Jahren sind die ersten Corona-Fälle in Deutschland aufgetreten. Die Pandemie hat unser Leben auf den Kopf gestellt. Mittlerweile ist die Normalität zurückgekehrt. Oder täuscht das?

In wenigen Tagen fällt die Maskenpflicht im Nahverkehr in Nordrhein-Westfalen, und auch im Fernverkehr muss bald niemand mehr eine Maske tragen. Das Symbol der Corona-Pandemie wird uns also im Alltag nicht mehr so oft begegnen.

Auch die Isolationspflicht ist abgeschafft. Heißt: Wer sich mit dem Corona-Virus infiziert, muss sich nicht mehr fünf Tage zuhause einzuschließen. Positiv getesteten Personen wird lediglich dringend empfohlen, in Innenräumen außerhalb der eigenen Wohnung mindestens eine medizinische Maske tragen.

Ist Corona jetzt vorbei und alles wie früher?

Laut der Weltgesundheitsorganisation nicht. Am Montag erklärte die WHO im Anschluss an eine Sitzung des Notfallausschusses, dass sich die
Pandemie womöglich einem Wendepunkt annähere, Covid-19 aber weiter eine gefährliche Infektionskrankheit sei, die der Gesundheit und den Gesundheitssystemen erheblichen Schaden zufügen könne. Daher schätzt die WHO die aktuelle Lage weiterhin als weltweiten Gesundheitsnotstand ein.

Schon vor Wochen hat Deutschlands bekanntester Virologe Christian Drosten das Ende der Pandemie ausgerufen, um später klarzustellen, dass er missverstanden wurde und sich ein Pandemie-Ende nicht ankündigen lasse. Man könne dies nur im Nachhinein betrachten. Das Virus Sars-CoV-2 ist nämlich nach wie vor im Umlauf, wenn auch deutlich weniger verbreitet und mit milderen Krankheitsverläufen bei einer Infektion.

Christian Drosten, Leiter des Instituts für Virologie an der Berliner Charité | Bildquelle: IMAGO/Sabine Gudath

Die Virologen beobachten, dass sich aus der Pandemie bei uns eine "endemische Lage" entwickelt hat. Wie bei der Grippe wird erwartet, dass Covid-19 immer wieder in Wellen auftreten wird. Wie hoch die Infektionszahlen dann ausfallen, hängt von Impfquoten und vor allem der Immunisierung in der Bevölkerung ab.

Auch der Virologe Martin Stürmer hatte zuletzt nur bedingt Entwarnung gegeben und zur Vorsicht gemahnt. Die Schutzimpfungen hält der Leiter des Labors für Interdisziplinäre Medizin und Diagnostik in Frankfurt am Main weiterhin für sinnvoll.

Ob der Impfschutz dauerhaft Ruhe bringt, müsse man künftig beim Aufkommen neuer Varianten sehr genau beobachten, sagt Leif Erik Sander, Direktor der Klinik für Infektiologie der Berliner Charité.

In Deutschland schützt die Corona-Schutzimpfung derzeit vor allem vor schweren Krankheitsverläufen der verbreiteten Varianten. Die Weltgesundheitsorganisation bezeichnet derzeit nur Omikron mit seinen verschiedenen Sublinien als "besorgniserregend".

Könnten weitere Corona-Varianten gefährlich werden?

Ausgeschlossen ist das nicht. Zumal in anderen Weltregionen Corona noch lange nicht überwunden ist, vor allem in China. In diesem Zusammenhang weist die WHO auch daraufhin, dass die Überwachung und die genetische Sequenzierung weltweit
abgenommen habe, was es schwierig mache, bekannte Varianten zu
verfolgen und neue zu entdecken.

Trotzdem müsse man sich bei uns keine Sorgen machen, meint der Virologe Martin Stürmer. Er sieht die Möglichkeit, "dass ganz neue Varianten in China entstehen, weil Corona dort auf eine Bevölkerung trifft, die bislang wenig Kontakt zum Virus gehabt hat - sei es durch Impfungen oder Infektionen."

Daher könne das Virus neue Pfade in der Evolution einschlagen. Stürmer hält es aber nicht für allzu wahrscheinlich, dass in China eine neue Variante entsteht, die uns "klinisch härter treffen wird".

Reicht die Grundimmunität?

Das Impfen scheint uns zunächst über den Berg gebracht zu haben. Bis zum Jahresende 2022 wurden laut Robert Koch-Institut (RKI) rund 191 Millionen COVID-19-Impfungen in Deutschland verabreicht.

Das RKI spricht von einer "breiten Bevölkerungsimmunität". Der Anstieg der Impfquoten für die 2. COVID-19-Auffrischimpfung habe sich jedoch im Dezember 2022 deutlich verlangsamt und bleibe auch bei den über 60-Jährigen auf einem niedrigen Niveau.

Thomas Mertens, Vorsitzender der Ständingen Impfkommission | Bildquelle: dpa / David Young

Dabei lautet die Empfehlung der Ständigen Impfkommission: Bestimmte Gruppen, wie Menschen ab 60, sollen eine zweite Auffrischimpfung bekommen, um den Schutz vor einem schweren Krankheitsverlauf zu verbessern. Stiko-Chef Thomas Mertens äußerte sich kürzlich enttäuscht über die sinkenden Zahlen zu den Booster-Impfungen.

"Ich hätte mir eine größere Akzeptanz der empfohlenen Impfungen gewünscht". Thomas Mertens, Vorsitzender der Ständigen Impfkommission (STIKO)

Bleibt die Maskenpflicht in Kliniken?

Nach wie vor gilt die Maskenpflicht in medizinischen und Pflegeeinrichtungen. Der Deutsche Hausärzteverband und die Kassenärztliche Bundesvereinigung fordern, die Maskenpflicht in medizinischen Einrichtungen aufzuheben.

Vulnerablen Patientinnen und Patienten empfehlen die Ärzte aber weiterhin generell eine Maske zu tragen.

"Wir empfehlen unseren vulnerablen Patientinnen und Patienten, auch zukünftig in Innenräumen, in denen sich viele Menschen eng gedrängt aufhalten, freiwillig eine Maske zu tragen." Nicola Buhlinger-Göpfarth, stellv. Vorsitzende des Deutschen Hausärzteverbands

Können die Masken langsam in den Müll?

Aufbewahren schadet nicht. Auch wenn von Seiten der Bundesregierung gerade zunehmend die "Eigenverantwortung und Freiwilligkeit" betont wird, wird die Maske auch in Zukunft ein wirksamer Schutz gegen die Ansteckung mit dem Corona-Virus bleiben.

Niedersachsens Gesundheitsminister Andreas Philippi etwa - selbst Facharzt für Chirurgie und Notfallmedizin - empfiehlt, sich mit ein paar Masken einzudecken. Und bei dem Gefühl, "hier könnte vielleicht was in der Luft liegen", dann lieber die Maske aufzusetzen.

Über dieses Thema berichtet am Sonntag, 29.01.2023, auch die Aktuelle Stunde im WDR Fernsehen.