Vor einem Jahr: Ende aller Corona-Maßnahmen

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Corona-Aufarbeitung: Junge Menschen spüren die Folgen noch ein Jahr nach Pandemie-Ende

Stand: 07.04.2024, 16:58 Uhr

Ein Jahr ist es her, dass die letzten Corona-Maßnahmen außer Kraft gesetzt wurden - kurz nachdem Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) die Pandemie für beendet erklärt hatte. Junge Menschen leider aber noch heute unter den Folgen der Maßnahmen.

Dabei war die am 7. April 2023 abgeschaffte Maskenpflicht für Kinder, Teenager und junge Erwachsene eher eines der kleineren Probleme. Sie litten in einer prägenden Lebensphase durch Kontaktverbote vor allem unter Isolation und fehlenden sozialen Begegnungen.

Kinder haben die Einsamkeit nicht vergessen

Für Kinder sind die in der Pandemie gemachten Erfahrungen noch präsent. Das zeigt ihr Rückblick auf diese Zeit während einer Ferienfreizeit im Düsseldorfer Kinderspielhaus: "Ich hab mich einsam gefühlt" und "Ich fands natürlich doof. Nur für die Gesundheit hab ich das gemacht", sagen etwa zwei kleine Mädchen und lassen erahnen, dass die Einschränkungen weg, aber nicht vergessen sind.

Eine jüngere Frau bringt es bei einer Straßenumfrage des WDR auf den Punkt: "Alle haben sich extrem eingeschränkt und alles mitgemacht. Immer, um auch die ganze Gesellschaft zu schützen. Und das wurde halt in keiner Weise gedankt oder respektiert oder berücksichtigt."

Verpasste Erfahrungen lassen sich nicht einfach ersetzen

Juliane Pougin

Juliane Pougin

Mit den Einschränkungen wurden vor allem ältere Menschen und solche mit Vorerkrankungen geschützt. Das Gros der jungen Menschen zählte nicht zur Risikogruppe. Bei den psychischen Nachwirkungen der Corona-Pandemie sieht das anders aus, weiß Juliane Pougin, Psychologische Leiterin der Portals "Krisenchat".

Sie sieht die verpassten Erfahrungen als eine der bitteren Corona-Nachwirkungen für junge Menschen: "Na ja, dann gehe ich halt jetzt zwei Jahre später oder drei Jahre später das erste Mal auf eine Party oder erlebe dies oder erlebe jenes" funktioniere nicht. Verpasste Erfahrungen ließen sich nicht einfach ersetzen.

Jugendforscher befürchtet Zunahme psychischer Belastungen

Kilian Hampel

Kilian Hampel

Die Prägung sei eine andere - "eine Einsamkeitsprägung, eine Prägung auf soziale Medien, die die Kinder und Jugendlichen vor allem in der Corona-Zeit sehr stark als Ersatz konsumiert haben", sagt Pougin. Jugendforscher Kilian Hampel, der an einer Studie zu den Auswirkungen von Corona-Maßnahmen arbeitet, erwartet durch "Angestrengtheit, Gestresstheit, Antriebslosigkeit und dieses Ohnmachtsgefühl vor der Zukunft" eine weitere Zunahme psychischer Belastungen.

Da kann man auch schon in gewisser Weise von einer posttraumatischen Belastungsstörung sprechen. Jugendforscher Kilian Hampel zu Corona-Folgen

Trotz der gravierenden Auswirkungen auf das Leben junger Menschen, die in einer immer älter werdenden Gesellschaft künftig die Hauptlasten zu tragen haben, gibt es bei der Aufarbeitung der in der Corona-Zeit seitens der Politik gemachten Fehler Luft nach oben.

Armin Laschet, bis Oktober 2021 NRW-Ministerpräsident und bei der letzten Bundestagswahl CDU-Kanzlerkandidat, sagte am Samstag in der Aktuellen Stunde des WDR, man könne die Aufarbeitung der Corona-Jahre in einer Enquete-Kommission des Bundestags vorantreiben - um mit "Praktikern und Wissenschaftlern" zu erörtern, was man in Zukunft besser machen könne. Damit griff er eine Forderung der FDP auf.

Ethikrats-Vorsitzende: Eine Enquete-Kommission ist "viel zu wenig"

Alena Buyx, Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, reicht das jedoch nicht. Im Deutschlandfunk bezeichnete sie die Corona-Pandemie am Sonntag als "größte gesellschaftliche Krise seit dem Zweiten Weltkrieg" und zeigte sich erstaunt, "dass wir zur Tagesordnung übergegangen sind". Eine Enquete-Kommission des Bundestages könne zwar die politische Aufarbeitung leisten - dies sei jedoch "viel zu wenig".

Ich finde es ganz, ganz wichtig aufzuarbeiten. Aufarbeiten. Lernen. Heilen. Alena Buyx, Vorsitzende des Deutschen Ethikrats
Porträt von Alena Buyx, Vorsitzende des Deutschen Ethikrats.

Alena Buyx

Die Kommission würde lediglich die Pandemie-Maßnahmen und ihre Verhältnismäßigkeit in den Mittelpunkt rücken statt anzuerkennen, dass es sich um die "Erfahrung einer existenziellen Krise" handele, betonte die Expertin. Dies könne man vor allem an psychischen Folgen für Kinder und Jugendliche beobachten. "Mir wäre es wichtig, wenn wir so einen Heilungsprozess haben wollen, dass man sich nicht einbildet, man macht eine Enquete-Kommission, und dann ist es irgendwie erledigt, sondern das muss man breiter ziehen."

Ethikrat hat zu spät auf junge Menschen geschaut

Dass die Jüngeren in der Pandemie vernachlässigt worden sind, räumt Buyx auch mit Blick auf ihr Gremium ein: "Wir haben uns vom Ethikrat viel zu spät mit der Situation von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen beschäftigt." Man habe erst Ende 2022 eine Adhoc-Empfehlung zur psychischen Gesundheit gemacht. "Deren psychische Gesundheit hat sich im Verlauf der Pandemie deutlich verschlechtert, auch nach der Pandemie war sie noch deutlich schlechter und hat sich dann ein bisschen erholt, ist aber immer noch nicht gut."

Allein an den Maßnahmen ließe sich das nicht festmachen. So hätten Untersuchungen ergeben, dass die Effekte auf die psychische Gesundheit in Schweden (mit wenig Maßnahmen für junge Menschen) und Italien (mit sehr starken Maßnahmen) in beiden Ländern gleich gewesen seien, so Buyx. Deswegen bleibe die Aufarbeitung der Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen trotzdem wichtig.

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