Trauer um Wolfgang Schäuble: Ein Jahrhundertpolitiker

Aktuelle Stunde 27.12.2023 03:32 Min. UT Verfügbar bis 27.12.2025 WDR Von Andrea Moos

CDU-Politiker Wolfgang Schäuble gestorben

Stand: 27.12.2023, 21:27 Uhr

Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble ist tot. Seine Familie teilte mit, er sei am Dienstagabend im Alter von 81 Jahren "friedlich eingeschlafen".

Schäuble war in seiner langen politischen Laufbahn Minister, CDU-Chef, Fraktionsvorsitzender und Präsident des Deutschen Bundestages. Niemand gehörte dem Parlament länger an als er.

Wolfgang Schäuble gestorben - Eine Persönlichkeit, die Jahrzehnte politisch prägte

Er galt als großer Staatsmann und scharfer Denker. Jetzt ist der CDU-Politiker Wolfgang Schäuble tot. Er starb am zweiten Weihnachtstag mit 81 Jahren im Kreis seiner Familie.

Wolfgang Schäuble im Bundestag

Wiedervereinigung, Euro-Krise, Polarisierung in der Corona-Pandemie - bei den großen Themen der vergangenen Jahrzehnte wirkte Schäuble an prägender Stelle mit. Schon als junger Mann engagierte er sich in der Politik.

Wiedervereinigung, Euro-Krise, Polarisierung in der Corona-Pandemie - bei den großen Themen der vergangenen Jahrzehnte wirkte Schäuble an prägender Stelle mit. Schon als junger Mann engagierte er sich in der Politik.

Vor 62 Jahren, im Jahr 1961, war Schäuble in die Junge Union eingetreten. Später legte der Jurist eine steile Parteikarriere hin, die aufs engste mit Helmut Kohl verbunden war.

Nach der Wahl von Helmut Kohl zum Bundeskanzler am 1. Oktober 1982 wurde Schäuble Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion. Kohl berief ihn später zum Bundesminister für besondere Aufgaben zum Chef des Kanzleramts (1984 bis 1989) und im April 1989 zum Bundesinnenminister.

Als Bundesinnenminister (1989 bis 1991) hatte er die Mammutaufgabe, den Einheitsvertrag mit der DDR auszuhandeln. Der junge Minister schrieb Geschichte.

Das prägendste Ereignis für Schäuble war wohl das Attentat auf ihn in seiner Zeit als Bundesinnenminister im Oktober 1990. Seitdem war er querschnittsgelähmt und saß im Rollstuhl.

Vor dem Attentat auf ihn war Schäuble sportlich aktiv. Er spielte gern Tennis, aber auch Fußball - manchmal sogar mit dem politischen Gegner. Im Bild Schäuble (in der Bild-Mitte), links SPD-Mann Franz Müntefering.

Bei der Bundestagsdebatte am 20. Juni 1991 um den Regierungsumzug von Bonn nach Berlin galt die Rede Schäubles als Wendepunkt für das Votum für Berlin als Hauptstadt des wiedervereinigten Deutschlands.

Das zunehmend angespannte Verhältnis zwischen Kohl und Schäuble zerbrach mit der Parteispendenaffäre. Sie besiegelte das Ende der Ära Kohl. Schäuble selbst musste im Februar 2000 den Partei- und Fraktionsvorsitz niederlegen.

Später, als Bundesfinanzminister (von 2009 bis 2017), navigierte Schäuble Deutschland durch die Finanzkrise.

Von 2017 bis 2021 war Schäuble Bundestagspräsident.

Schäuble war von 1972 bis zum seinem Tod am zweiten Weihnachtsfeiertag 2023 ununterbrochen Mitglied des Deutschen Bundestages und damit sein dienstältester Abgeordneter.

Seit 1972 im Bundestag

Mit dem Namen Schäuble sind Jahrzehnte deutscher Politik verbunden. Geboren am 18. September 1942 in Freiburg, studierte er zunächst Jura, es zog ihn aber früh in die Politik. Er trat 1965 in die CDU ein. 1972 errang er erstmals ein Mandat für den Bundestag, dem er ohne Unterbrechung bis zu seinem Tod angehörte.

Karriere trotz schwerer Behinderung

Wolfgang Schäuble sechs Wochen nach dem Attentat in der Rehabilitationsklinik Langensteinbach bei Karlsruhe

Schäuble erholt sich von dem Attentat

Unter Kanzler Helmut Kohl war er zunächst Chef des Bundeskanzleramtes und Bundesminister für besondere Aufgaben, von 1989 bis 1991 Bundesinnenminister. Schäuble handelte nach dem Mauerfall in der DDR den Einigungsvertrag mit aus. Seit dem Attentat eines geistig verwirrten Mannes auf ihn im Oktober 1990 saß Schäuble im Rollstuhl, seine politische Karriere ging aber weiter. Von 1991 bis 2000 führte er die CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Nach dem Machtverlust der Union 1998 wurde Schäuble im Zuge der Neuaufstellung der CDU Parteichef. Angela Merkel wurde Generalsekretärin. In den Turbulenzen der CDU-Spendenaffäre und nach Aussagen zu einer 100.000-Mark-Barspende trat Schäuble im Februar 2000 als CDU-Chef zurück.

Mann der "schwarzen Null"

Merkel wurde Parteichefin, 2005 machte sie als Kanzlerin Schäuble zum Innenminister, vier Jahre darauf zum Finanzminister. Das Amt hatte Schäuble zwei Wahlperioden inne, er schafft die "schwarze Null", also einen ausgeglichenen Bundeshaushalt ohne neue Schulden. Nach der Bundestagswahl 2017 wurde Schäuble als Nachfolger von Norbert Lammert zum Bundestagspräsidenten gewählt, das zweithöchste Amt im Staat. Das höchste Amt im Staat, das des Bundespräsidenten, blieb Schäuble verwehrt. Nach der von der Union verlorenen Bundestagswahl 2021 zog sich Schäuble aus den Führungsgremien zurück.

"Ein Jahrhundert-Politiker"

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) nannte Schäuble "einen Jahrhundert-Politiker und eine herausragende Persönlichkeit, die sich um unser Land und Europa in besonderer Weise verdient gemacht hat". Schäubles politischer Rat, seine Hinweise und Einschätzungen seien von besonderer Bedeutung gewesen, so Wüst. "Wolfgang Schäuble war für mich ein Vorbild".

Der ehemalige CDU-Vorsitzende Armin Laschet, schrieb auf X (früher Twitter), "er war ein deutscher Patriot und leidenschaftlicher Europäer, er war ein kluger Analyst und disziplinierter Denker. Dies verlangte er auch von seinen Gesprächspartnern. Sprechblasen waren ihm zuwider".

Gegenüber dem WDR würdigte Laschet auch, dass Schäuble immer "leidenschaftlich für die parlamentarische Demokratie" gekämpft und sich sehr für die deutsch-französische Freundschaft eingesetzt habe. Im Zuge der Bundestagswahl 1998, bei der die CDU mit Helmut Kohl als Kanzler abgewählt wurde, hätte er sich gemeinsam mit einigen anderen Abgeordneten gewünscht, dass Schäuble als Spitzenkandidat der Union in den Wahlkampf gezogen wäre, bekannte Laschet.

Der einstige Minister in der Regierung Kohl und ehemalige NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers hob Schäubles Verdienste um den Vertrag zur Deutschen Einheit hervor: "Wir wären nicht so schnell zu einer Situation zwischen Ost und West gekommen, Helmut Kohl hat es blühende Landschaften genannt. Damals hat man darüber gelacht, heute weiß jeder: Es ist so."

Schäuble hinterlässt insgesamt vier Kinder und Ehefrau Ingeborg, mit der er seit 1969 verheiratet war. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ordnete für den Verstorbenen einen Trauerstaatsakt an - wann er stattfindet, legt der Bundestag fest. Einen Trauerstaatsakt gibt es nur sehr selten.

Zum Tod von Wolfgang Schäuble

WDR 5 Mittagsecho 27.12.2023 11:12 Min. Verfügbar bis 26.12.2024 WDR 5


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Unsere Quellen:

  • mit Material der Nachrichtenagentur dpa
  • Laschet in der "Aktuellen Stunde"

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