Kaum ein Vorwurf ist häufiger zu hören - und das völlig zu Recht -, als der: Deutschland ist in Sachen Digitalisierung der Verwaltung eine regelrechte Diaspora. Schlusslicht in Europa, während andere Länder wie Estland zeigen, dass es geht - und auch wie.
Föderale Struktur erschwert Digitalisierung
Ein Problem ist die föderal organisierte Verwaltung in Deutschland. Bund, Länder sowie Städte und Gemeinden haben unterschiedliche Aufgaben und erledigen diese in der Regel getrennt und unabhängig voneinander. Zum Nachteil der Bürger, denn die unzähligen Behörden sprechen sich bislang in puncto Digitalisierung nicht ausreichend miteinander ab und haben für alles eigene Lösungen parat, auch in der Digitalisierung.
NRWs Ministerin für Heimat, Kommunikation, Bau und Digitalisierung hat nun angekündigt, dass Nordrhein-Westfalen sich in der digitalen Verwaltung an das "Nutzerkonto des Bundes“ ("Bund ID“) anschließt, damit sich Bürger im Land bei Behördengängen damit online ausweisen können. Ein Online-Dienst, der im Jahr 2019 online gegangen ist. Bürger können freiwillig ein Konto eröffnen. Die eigene Lösung des Landes wird eine Weile weiter betrieben (um bestehende Lösungen zu unterstützen), soll aber nicht mehr Schwerpunkt sein.
Bereits seit Beginn 2023 ist die Anmeldung mit dem Nutzerkonto des Bundes auf der zentralen Internet-Plattform des Landes möglich, auf der die elektronischen Antragsmöglichkeiten der Landesverwaltung angeboten werden. Die Umstellung der weiteren Plattformen des Landes soll in Kürze erfolgen.
BundID als einheitlicher Online-Ausweis
Diese Umstellung bringt erhebliche Vorteile mit sich. Denn wer bereits eine BundID hat, kann künftig damit auch Landesleistungen beantragen oder Amtsgeschäfte des Landes erledigen. Ob BAföG, Führerschein, Elterngeld oder die Ausstellung eines Berufsausweises: In vielen Online-Filialen von Dienststellen können sich Bürger künftig bequem mit derselben einheitlichen BundID ausweisen. Landesgrenzen sollen keine Rolle mehr spielen.
Es ist nur noch eine einmalige Registrierung erforderlich, etwa mit dem Zertifikat einer digitalen Steuererklärung (Elster) oder durch Ausweisen mit dem digitalen Personalausweis (sofern die Funktion im Personalausweis bei Abholung freigeschaltet wurde). Ebenso lässt sich ein elektronischer Aufenthaltstitel oder die eID-Karte von EU-Bürgern verwenden. Der Anmeldeprozess ist in deutscher Sprache, aus aktuellem Anlass aber auch in ukrainischer und russischer Sprache möglich.
Einmalige Registrierung erforderlich – etwa mit Personalausweis
Auf diese Weise wird ein digitales Konto hinterlegt, das durch entsprechenden Nachweis authentisch ist – und von den Behörden zum Ausweisen akzeptiert wird. Genau das ist Grundlage für eine digitale Verwaltung: Es braucht einen geeigneten Weg, dass sich Menschen verlässlich und rechtssicher online ausweisen können. Die BundID ist der gewählte Weg, den nun auch NRW unterstützt.
Eine Herausforderung sind die Kommunen, deren Ämter von den Bürgern am häufigsten aufgesucht werden. Damit Bürger irgendwann alle wichtigen Amtsgeschäfts online mit der einheitlichen BundID erledigen können, müssen auch die Kommunen umstellen – und auf eigene Lösungen oder die des Landes verzichten.
Auch Kommunen müssen nun umstellen
Aktuell liegt ein Entwurf für ein OZG 2.0 vor (Online-Zugangsgesetz), das sich derzeit in der Bund-Länder-Abstimmung befindet und für Städte und Gemeinden eine Verpflichtung zur Umstellung der Länder-Servicekonten (wie bisher) auf das Nutzerkonto des Bundes vorsieht. Erst wenn dieser Schritt getan ist, können sich Bürger wirklich überall – bei Bund, Ländern und Gemeinden – mit der einheitlichen BundID ausweisen und alles online erledigen.
Ein weiterer Vorteil des BundID gegenüber dem Servicekonto. NRW: Die BundID verfügt über ein elektronisches Postfach. Behörden können den Menschen so rechtssicher Bescheide oder Informationen zustellen.
Über den Autor
Jörg Schieb, Jahrgang 1964, ist WDR-Digitalexperte und Autor von 130 Fachbüchern und Ratgebern. Er beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Digitalisierung und deren Auswirkungen auf unseren Alltag.