Birkenstock-Sandalen: Können Latschen Kunst sein?

Aktuelle Stunde 09.01.2025 13:10 Min. UT Verfügbar bis 09.01.2027 WDR Von Alexander Roettig

Bundesgerichtshof prüft: Sind Birkenstock-Sandalen Kunst?

Stand: 09.01.2025, 14:39 Uhr

Birkenstock-Sandalen seien Kunst, also vor Nachahmung zu schützen - so argumentiert der Hersteller. Die Konkurrenz sieht das anders. Jetzt entscheidet der Bundesgerichtshof.

Als in den 1960er-Jahren die erste Birkenstock-Sandale vorgestellt wurde, war der heutige Erfolg der Marke nicht absehbar. Mittlerweile hat sich die Gesundheitssandale zum Trendschuh entwickelt - und die Aktien der deutschen Firma werden an der New Yorker Börse gehandelt.

Nach Ansicht des Herstellers sind seine Modelle Kunstwerke und dürften deshalb von anderen Unternehmen nicht kopiert werden. Mit dieser Streitfrage setzt sich nun der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe auseinander.

Worüber wird genau gestritten?

Der Erste Zivilsenat des Bundesgerichtshofs beschäftigte sich am Donnerstag mit drei Klagen von Birkenstock gegen Konkurrenten. Diese hatten Sandalen im Angebot, die - so der Vorwurf von Birkenstock - den Birkenstock-Sandalen zu ähnlich sehen sollen.

Der Schuhhersteller Birkenstock mit Hauptsitz in Linz am Rhein in Rheinland-Pfalz sieht darin einen Verstoß gegen das Urheberrecht. Denn Birkenstock-Sandalen seien Werke der angewandten Kunst, die nicht einfach nachgeahmt werden dürften.

Birkenstock streitet vor dem BGH um Urheberrecht

WDR Studios NRW 09.01.2025 00:50 Min. Verfügbar bis 09.01.2027 WDR Online


Worum geht es beim Urheberrecht?

Das Urheberrecht verleiht dem sogenannten Schöpfer eines Werkes zunächst die exklusiven Nutzungsrechte an diesem Objekt. Dritte dürfen es also nicht ohne Erlaubnis wiedergeben oder vervielfältigen.

Anders als zum Beispiel das Patent- oder Designrecht dient das Urheberrecht dem Schutz kreativer Leistungen. Urheberrechtlich geschützt sind etwa Schriftwerke, Filme, Computerprogramme - sowie Werke der bildenden oder angewandten Kunst.

Warum hält Birkenstock seine Sandalen für Kunst?

"Etliche Möbel, Lampen oder zum Beispiel auch Automodelle wie der Ur-Porsche sind von den Gerichten bereits urheberrechtlich geschützt anerkannt worden", sagte Birkenstock-Anwalt Konstantin Wegner dem MDR. "Wir betrachten die Birkenstock-Sandalen als so etwas wie den Porsche unter den Sandalen."

Vier verschieden Birkenstock Modelle (Madrid, Arizona, Gizeh und Boston) liegen nebeneinander.

Im Fokus: Vier Birkenstock-Modelle

Konkret geht es um vier Modelle: "Arizona" (die Sandale mit zwei breiten Riemen), "Madrid" (mit einem Riemen), "Gizeh" (mit Zehentrenner) sowie den Clog "Boston". Das Unternehmen bezeichnet sie als Klassiker, die typischerweise mit der Marke in Verbindung gebracht würden.

Wegners Argumentation: Sowohl einzelne Elemente wie Schnallen, Materialien oder die Riemenführung, als auch die Kombination dieser Elemente machten die Sandalenmodelle zu Werken der angewandten Kunst und begründeten den Urheberrechtsschutz. Das Design von Erfinder Karl Birkenstock im Stil Brutalismus sei einmalig gewesen, als die Klassiker zuerst erschienen.

Wie haben die Vorinstanzen entschieden?

Vor dem Landgericht Köln hatten die Birkenstock-Klagen mit dieser Argumentation Erfolg. Das Oberlandesgericht wies sie in der Berufung dagegen ab. Die Sandalen erfüllten die Anforderungen an ein urheberrechtlich geschütztes Werk der angewandten Kunst nicht, entschied das Oberlandesgericht Köln im Januar 2024.

Es sah keine künstlerische Leistung - der kreative Gestaltungsspielraum werde dadurch eingeschränkt, dass es sich um Gesundheitssandalen handle, die sich am natürlichen Gang orientieren. Birkenstock wandte sich deshalb an den BGH, um die Urteile überprüfen zu lassen.

Welche Folgen könnte das BHG-Urteil haben?

Wäre die Birkenstock-Sandale nach Auffassung des Bundesgerichtshofes Kunst, stünde ihr ein besonderer Schutz zu. Dann dürfte sie bis zu 70 Jahre nach dem Tod ihres Erfinders niemand kopieren. Der Erfinder Karl Birkenstock lebt noch.

Ob der Bundesgerichtshof zugunsten von Birkenstock entscheiden wird, ist jedoch fraglich: Nach erster Einschätzung des BGH habe das Oberlandesgericht (OLG) Köln bei seiner Bewertung die richtigen Maßstäbe angesetzt, erklärte der Vorsitzende Richter, Thomas Koch, am Donnerstag in der mündlichen Verhandlung. Das OLG habe für die Definition eines Werkes der angewandten Kunst zutreffend eine bestimmte Gestaltungshöhe gefordert. Die Darlegungslast für einen Urheberrechtsschutz liege beim klagenden Hersteller.

Der Anwalt von Birkenstock widersprach: Das OLG habe einen Kunstbegriff zugrunde gelegt, der deutlich über die Definition in der bisherigen Rechtsprechung von BGH und EuGH hinausgehe. Es habe darauf abgestellt, dass Kunst zweckfrei sein müsse und keine ökonomischen Ziele verfolgen dürfe. Es könne aber nicht sein, dass ein Gegenstand nur deswegen keine Kunst sei, weil er sich gut verkaufen soll. Wann der Senat sein Urteil fällt, blieb zunächst offen.

Unsere Quellen: