Montage: Logo Google Plus und Muffin mit Kerze

Ein Jahr Google+

Sozialer Klebstoff und viele Männer

Stand: 28.06.2012, 09:32 Uhr

Am 28. Juni 2011 startete Google+. Aus dem gehypten Facebook-Konkurrenten soll innerhalb eines Jahres eine Geisterstadt geworden sein, sagen manche. Unseriöse Studien seien ein Grund für diese Einschätzung, sagt Google-Sprecher Stefan Keuchel.

Am 28. Juni 2011 startete das "Projekt Google+". In den ersten Monaten konnten sich User nur auf Einladung hin bei Googles neuem sozialen Netzwerk anmelden. Für alle öffentlich zugänglich wurde Google+ im September 2011. Stefan Keuchel ist ein Unternehmenssprecher von Google Deutschland. Er kümmert sich in erster Linie um Fragen zu Google+.

WDR.de: Wie fällt Ihre Bilanz nach einem Jahr Google Plus aus?

Stefan Keuchel: Wir sind entgegen anderslautender Presseberichte sehr zufrieden. Es ist das Produkt mit dem stärksten Wachstum, das Google jemals hatte. Aktuell hat Google+ 250 Millionen registrierte Nutzer. Davon sind 75 Millionen täglich und 150 Millionen im Monat auf Google+ aktiv.

WDR.de: Wie aktiv User bei Google+ wirklich sind, ist zuletzt viel diskutiert worden. Dabei werden Studien zitiert, wonach Google+-Mitglieder nach ihrer Anmeldung immer seltener posten.

Keuchel: Es ist interessant, dass es immer wieder Medienberichte gibt, die sich auf Untersuchungen stützen, die unserer Ansicht nach nicht seriös sind. Was hier gemessen wurde, sind die öffentlichen Posts. Wir wissen aber, dass Menschen das Konzept der Kreise sehr gut angenommen haben: Sie teilen ihre Inhalte nicht öffentlich, sondern kommunizieren gezielt mit Familie, Freunden oder Kollegen. Diese Aktivitäten tauchen in der Statistik nicht auf. (Die "Kreise" fungieren bei Google+ als Untergruppen der Kontakte, Anm. d. Red.)

WDR.de: Wie unterscheiden sich Google+- von Facebook-Usern?

Keuchel: Man muss erst einmal generell verstehen: Google+ ist nicht Facebook. In die Entwicklung haben wir zwei Jahre Forschungsarbeit gesteckt. Die hat ergeben, dass viele Nutzer das Gefühl haben, nicht mehr Herr ihrer Daten zu sein. Auf diesen Nutzerwunsch haben wir bei der Entwicklung von Google+ Rücksicht genommen. Wir stellen fest, dass unsere Nutzer sehr diskussionsfreudig sind. Und, das hören wir oft als positives Feedback, die Qualität der Kommentare ist höher als ein LOL („laughing out loud“, auf Deutsch: laut lachen, Anm. d. Red.) oder rofl (rolling on the floor laughing“, auf Deutsch: vor Lachen auf dem Boden rollen, Anm. d. Red.). Ohne jemandem zu nahe treten zu wollen, aber in anderen Netzwerken ist das häufiger der Fall.

WDR.de: Eine inoffizielle Seite zeigt die Top 200 der deutschsprachigen Google+-Nutzer mit den meisten Followern. Darunter sind vor allem männliche Blogger, Nachrichtensites, Erstliga-Fußballvereine …

Keuchel: Fotografen sind auch sehr stark auf Google+ vertreten, sie nutzen sehr gern die Mobilversion von Google+, die App. Sport ist sehr populär auf Google+. Der HSV war der erste Bundesligaverein, der in Deutschland eine Google+-Seite hatte.

WDR.de:… Angebote von Männern für Männer?

Keuchel: Man kann in der Tat feststellen, dass Google+ weiter sehr männlich dominiert ist, in meinem Stream finden sich aber auch viele aktive Plusserinnen. Über 50 Prozent der Nutzer sind männlich.

WDR.de: Haben Sie eine Erklärung dafür?

Keuchel: Es ist ja ein recht neues Angebot. In der Regel werden solche Internetthemen von Männern eher ausprobiert und gestestet als von Frauen. Das stammt noch aus alten Zeiten, aber das wird sich sicher weiter angleichen.

WDR.de: Sie müssen sich sicher oft den Facebook-Vergleich gefallen lassen. Wie kann sich Google+ langfristig gegen Facebook behaupten?

Screenshot WDR.de bei Google+

WDR.de-Seite bei Google+

Keuchel: Wenn man sieht, wie Google am Markt agiert, wird einem auffallen, dass Google immer den mittel- bis langfristigen Erfolg im Auge hat. Ich verstehe, dass man fragt: Wie wollt ihr gegen fast eine Milliarde User von Facebook anstinken? Wir konzentireren uns darauf, was gut für den Nutzer ist. Bislang ist die Rechnung aufgegangen. Google+ ist mehr als ein soziales Netzwerk, es ist das Google der Zukunft.

WDR.de: Wie das?

Keuchel: Google+ ist der soziale Klebstoff, der sämtliche Google-Produkte miteinander verbindet. Seit dem Start haben wir verschiedene Dienste integriert: Google Docs, Hangouts (Videochatfunktion, Anm. d. Red.), lokale Suche, Youtube, Gmail. Wir sind mit großem Ehrgeiz dabei, weitere zu integrieren und Produkte insgesamt sozialer zu machen.

WDR.de: Google+ soll dabei auch die Suchmaschine sozialer machen, hieß es 2011. Was bedeutet das in der Praxis?

Keuchel: Um relevant zu bleiben, muss Google natürlich auf die Veränderungen des Webs eingehen. Bewertungen haben heute einen hohen Stellenwert. Wenn ich bei einer Suche beispielsweise sehe, dass ein guter Freund von mir ein Restaurant positiv bewertet hat, hat das einen Einfluss auf meine Restaurantwahl, insofern sind solche sozialen Signale für uns von großer Bedeutung. Darum spielt der +1-Button (Pendant zum Like-Button bzw. "Gefällt mir" von Facebook, Anm. d. Red.) eine große Rolle. Wir werten die sozialen Signale aus, stehen damit aber noch ziemlich am Anfang.

WDR.de: Wie verändert sich also für den User die Suche?

Keuchel: Wer bei Google+ eingeloggt ist und dann die Google-Suche benutzt und nach Restaurants sucht, findet neben den anderen Treffern auch Ergebnisse aus dem eigenen Netzwerk - wenn Freund XY ein passendes Restaurant auch schon dem +1-Button bewertet hat. Google wird sich langfristig von einer Such- zu einer Wissensmaschine wandeln. Wir werden den Nutzer nicht nur Webseiten, sondern bestenfalls schon Antworten präsentieren, wenn er sucht.

WDR.de: Wie geht es mit Google+ weiter?

Keuchel: Wir sehen noch eine ganze Reihe von interessanten Möglichkeiten, viele Dinge, die man bei Google+ noch nicht kann, wie etwa Veranstaltungen planen. Der Netzwerk-Effekt, der an dem Punkt einsetzt, an dem alle Leute darüber reden und es dann selbst ausprobieren wollen, hat noch nicht eingesetzt. Viele haben gesagt, da ist ja nichts los, meine Freunde sind ja nicht hier. Deshalb wird das nächste Jahr besonders spannend - für das Wachstum.

Das Interview führte Insa Moog.

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