Soziale Netzwerke anonym

WDR.de-Umfrage zur Anonymität im Netz

Anonymität als Option

Stand: 27.07.2011, 08:07 Uhr

Wie wichtig ist Anonymität im Netz, fragte WDR.de seine User. Sie antworteten im Gästebuch, auf Facebook und per Twitter. Klarnamen schützen vor Pöbeleien, aber Pseudonyme bedeuten Freiheit. Es wurde diskutiert und gestritten. Ein Fazit.

Von Insa Moog

Am Freitag (22.07.2011) startete die Userumfrage zur "Anonymität im Netz". Aktueller Anlass für eine Diskussion, die seit Beginn des WWW geführt wird, war das Klarnamen-Gebot in den Community-Richtlinien des Netzwerkes "Google Plus", das vor wenigen Wochen noch im Beta-Stadium an den Start ging. Pseudonym oder Klarname - das Meinungsbild variiert je nach Kommunikationskanal.

Unsere Twitter-Follower sprechen sich in der Mehrheit für ein Recht auf Selbstbestimmung und damit auch für die Option zur anonymen Kommunikation per Nickname aus. @CaeVye schrieb dazu: "Nicknames sind eindeutig und erlauben 'Öffentlichkeitsräume'. Sie erzählen den Kollegen doch auch nicht die Vereinsgespräche."

Anonym Zwitschern bevorzugt

Einen Zwang zur Verwendung des Realnamens wie von Google gefordert, lehnen die Twitterer mehrheitlich ab. "Ohne Klarname ist wichtig, wenn's um wichtige Inhalte geht, da Repression droht", schreibt @infosocke. @JochenRochen unterscheidet zwischen den Anlässen der Online-Kommunikation. Ist der Hintergrund beruflich, muss daher "natürlich" der Echtname genannt werden, "ansonsten finde ich Namenserfindungen toll". Unter ihren erfundene Namen, Nicknames, sind diverse Blogger, Youtuber oder sogenannten Netzaktivisten berühmt geworden, während ihre Realnamen oft einem geringeren Anteil der User bekannt sind. Deshalb, so twittert @KaWie, "werden sie auch lieber mit diesem (dem Nickname, Anm. d. Red.) angesprochen". In mehreren Tweets fordern User eine Entscheidungsfreiheit: Wer sich äußert, muss nicht nur entscheiden können, auf welche Weise er das tut, sondern auch, unter welchem Absender. Ist das möglicherweise schlicht ein ungeschriebenes Gesetz des Web 2.0?

Facebook: Daumen hoch für Klarnamen?

Soziale Netzwerke

Im Netz der sozialen Medien

Zu Google Plus werde niemand gezwungen, erinnert User Christof J. im Thread zum Thema auf der WDR.de-Page auf Facebook. Anders als bei Twitter sind Profile unter Klarnamen dort Standard. "Facebook-Nutzer geben ihre tatsächlichen Namen und Daten an", heißt es nicht umsonst in den Netzwerk-Grundsätzen. Kommunikation und Content-Teilen, die sozialen Kernfunktionen von Facebook, stützen sich darauf, als die Person auffindbar zu sein, die Freunde und Bekannte aus dem echten Leben kennen. Netzwerk-Gründer Mark Zuckerberg wird jedenfalls nicht müde, das zu betonen. User Michael K. sieht im Bekenntnis zur "Offline-Identität" sogar einen Trend für die Zukunft: "Das Netz wird erwachsen. Anonymität ist nicht mehr attraktiv, man will auffallen zu jedem Preis", und weiter: "Wer zu seiner Identität steht und auch ernstgenommen werden will, der hat schon lange erkannt, dass es mit Anonymität nicht geht." Außerdem könne man ohnehin über die Privatsphäre-Einstellungen festlegen, dass man nicht gefunden werden kann, ergänzt Rüdiger B. darunter.

"Zu dem stehen, was man mitzuteilen hat" formuliert Antonius E. und erntet dafür "Gefällt-mir-Klicks" von weiteren Usern. Wer auf Facebook unterwegs ist, will auch gefunden werden, so die mehrheitliche Ansicht der Diskutierenden. Google so scheint ist, wird dagegen anders bewertet: "Google hat eine wahnsinnige Datensammlung. Falls ich mir einen G+ Account zulege, dann wahrscheinlich unter falschem Namen", schreibt Bettina N.

Anonym, wo Anonymität erlaubt ist

Unter WDR.de-Beiträgen können User ohne Anmeldung und anonym kommentieren. Von den disktutierenden Usern verwenden auch im Gästebuch zum Thema nur rund zehn Prozent eigenen Angaben zufolge ihren richtigen Namen als Absender. Über die Sinnhaftigkeit von Anonymität wird trotzdem gestritten. "Natürlich anonym!" betont, dass schon Kinder in der Schule lernen sollten, im Netz nur mit Nickname zu agieren. Klarnamen sind etwas für Langweiler, findet "Mülheimer". Klaus Lohmann geht mit den Verfechtern der Anonymität dagegen hart ins Gericht: "Man muss so langsam konstatieren, dass es Ihnen und vielen anderen hier nicht um das Medium Internet geht, sondern um die paranoide und feige Flucht vor unserer Legislative." User "Karl-August" reagiert: "Wie soll man bitte schön vor der Legislative flüchten können? Anonymität im Internet sollte doch eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein." Im realen Leben gebe man doch auch nicht jedem Namen und Daten preis. Das Pseudonym als Schutzschild und Individualrecht eines jeden Users oder eben als Tarnkappe für Kriminelle - wie die Diskussion zeigt, sind beide Assoziationen, so unterschiedlich sie sind, weit verbreitet.

Wer würde "Marianne" anpöbeln?

"Marianne" findet eine andere Interpretation: Das Klarnamen-Gebot aus den Google-Plus-Richtlinien "bedeutet doch wohl nicht seinen behördlich registrierten Namen, sondern nur einen Namen anzugeben, mit dem man auch im wahren Leben agiert". So könne man doch viel höflicher auf eine "Marianne" reagieren, als beispielsweise auf "Mondgesicht99". Ein natürlicher Name als Hemmnis für pöbelnde User. Und dennoch, gerade in Foren sei ein Nickname angebracht, meinen einige User. Damit nicht jeder Dritte auch längst überholte Äußerungen zutage fördern könne. Spekuliert wird über verschiedene technische Möglichkeiten, die eigene IP-Adresse zu maskieren, denn diese führe auch bei der Verwendung von kreativen Pseudonymen weiterhin direkt zum eigenen Rechner.

Anonymität muss zumindest als Option gegeben sein, haben die WDR.de-User auf allen drei Kanälen gefordert. Dass die Kommunikation unter Klarnamen die Diskussionsatmosphäre verbessert, hat dabei niemand bestritten. Wer ein Netzwerk zur Kontaktpflege nutzt oder in Foren diskutiert, passt sich aber offenbar der Mehrheit bzw. der jeweils typischen Kommunikationsform an.

Google Plus hat zugehört

Währenddessen ist der Protest vieler User von Google-Plus-Machern gehört worden. Am Dienstag (26.07.2011) reagierte Bradley Horowitz, Vizepräsident des Bereichs "Product Placement", in einem Post. Darin stellt er zumindest in Aussicht, dass ein Nickname als Ergänzung zum Realnamen an prominenter Stelle geführt werden darf. Ob dieser Kompromis Kritiker befrieden wird, bleibt abzuwarten.