Helgoland: Zwischen Himmel und Meer

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Helgoland – Zwischen Himmel und Meer

Stand: 04.07.2021, 20:15 Uhr

Ein kleiner Felsen mitten im Meer – windumtost und voller Geschichte(n): Das ist Helgoland, Deutschlands einzige Hochseeinsel. 70 Kilometer vor der Küste entdeckt Anne Willmes nicht nur das kleinste Naturschutzgebiet und die größte Robbenkolonie, sondern auch die nördlichste Kleingartenanlage Deutschlands.

Anne Willmes genießt die Ruhe ebenso wie die Begegnungen mit den Insulanern, die Spannendes zu erzählen haben. Ein Fischbrötchen an den bunten Hummerbuden ist ein Muss, genau wie ein Tagesausflug zur winzigen Nebeninsel "Düne" und ein Besuch bei Radio Ankerherz, dem einzigen Inselradio. Eine steife Brise macht die Inselumrundung mit dem Börteboot zu einem Abenteuer. Und auch bei der frühmorgendlichen Joggingrunde mit Inselpastorin Pamela Hansen über den Klippenrandweg kämpft Anne Willmes gegen den Wind. Laut wird es am Lummenfelsen, wo Tausende von Basstölpeln brüten. Und ganz still ist es in den historischen Bunkeranlagen 18 Meter unter der Erde, wo die Helgoländer Schutz fanden, als im April 1945 in einer Nacht 7.000 Bomben fielen.

Hochseeinsel mit Gipfelkreuz

Helgoland ist die einzige deutsche Hochseeinsel. Sie liegt knapp 70 Kilometer vom Festland entfernt und gehört zum Kreis Pinneberg in Schleswig-Holstein. Pinneberg heißt auch der höchste Punkt der Insel. Er liegt 61,3 Meter über dem Meeresspiegel und ist gleichzeitig die höchste Erhebung des Landkreises. Helgoland ist knapp einen Quadratkilometer groß; ihre Nebeninsel Düne, die mit der Hauptinsel bis zur Neujahrssturmflut 1721 durch einen Damm verbunden war, misst 0,7 Quadratkilometer. Hier befindet sich auch der kleine Flughafen. Mit der Fähre oder dem Katamaran erreicht man Helgoland von Cuxhaven, Hamburg, Büsum und Bremerhaven aus je nach Abfahrort in zwei bis drei Stunden.

Der Spitzname "Roter Felsen" geht auf den bis zu 60 Meter hohen, rotweiß geäderten Buntsandstein zurück, aus dem die Felsinsel besteht. Bekannteste Sehenswürdigkeit ist die "Lange Anna", ein 47 Meter hoher Brandungspfeiler, der bis 1860 durch eine natürliche Felsbrücke mit der eigentlichen Hauptinsel verbunden war. Direkt am Hafen stehen die bunten Hummerbuden, die zu den Wahrzeichen der Insel gehören. Früher brachten die Fischer hier ihre Ausrüstung unter. Nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges und der Wiederbesiedelung Helgolands wurden die bunten Hütten in ähnlicher Form als Verkaufshütten wieder aufgebaut. Heute lädt eine maritime Meile mit Galerien, Kneipen und Cafés zum Bummeln und Stöbern ein. Die Insel ist gestuft in Unter-, Mittel- und Oberland, auf dem auch der Leuchtturm steht. Wer nicht den Fahrstuhl benutzen will, muss Treppen steigen. Auf der Haupttreppe sind es 184 Stufen bis nach oben. Autos gibt es nur mit Elektroantrieb und Fahrräder nur im Ausnahmefall.

Anne Willmes steht mit ausgebreiteten Armen neben einem Gipfelkreuz mit Aufschrift "Pinneberg"

Anne Willmes am Helgoländer Gipfelkreuz auf dem Pinneberg auf exakt 61,3 Meter.

Butterfahrten, Whisky und ein Shanty-Chor mit Tradition

Helgoland war mal Piratennest, Seefestung und Warenumschlagplatz. 1807 eroberte Großbritannien die Insel und befreite sie von der Steuer- und Zollpflicht. Daran änderte sich auch nichts, als Helgoland 1890 zum Deutschen Reich kam: Die Vergünstigungen blieben. Mit den Butterfahrten in der 60er- und 70er-Jahren kamen bis zu 10.000 Gäste nach Helgoland – pro Tag. Noch heute können Besucher hier zoll- und mehrwertsteuerfrei einkaufen: Kleidung, Parfüm, Tabak und Hochprozentiges gibt es deutlich günstiger. Die Helgoländer leben überwiegend vom Tourismus. Heiner Stepper, besser bekannt als "Helgoheiner", kam vor über 25 Jahren aus München auf die Insel und gilt unter Whiskykennern als der Experte. Am Donnerstagnachmittag lädt er zum Whisky-Tasting ein. Manchmal singt dann der Shanty-Chor "Helgoländer Karkfinken", gegründet 1949, einer der ältesten Shanty-Chöre Deutschlands. "Karkfinken" heißt "Spatzen" auf Hallunder. Der alte friesische Dialekt ist allerdings vom Aussterben bedroht, nicht einmal zehn Prozent der Insulaner können ihn noch sprechen und verstehen.

Männliche Chormitglieder in weißen Hemden

Die "Helgoländer Karkfinken" singen Shantys auf Hallunder.

Börteboote

Als 1826 das Seebad gegründet wurde, gab es auf Helgoland keinen Hafen, an dem die großen Dampfschiffe anlegen konnten. Fischer und Lotsen fuhren mit ihren Holzbooten zu den vor Anker liegenden Schiffen raus und brachten die Gäste an Land und am Ende ihres Inselaufenthalts wieder zurück. Der Name Börteboote geht auf das ein- bzw. ausbooten der Passagiere zurück. Börteboote sind aus massivem Eichenholz gebaut, zehn Meter lang, drei Meter breit und acht Tonnen schwer. Das universelle Transportmittel der Insel hat einen Meter Tiefgang. Heute ankern immer weniger Schiffe vor der Insel, sondern laufen direkt in den Helgoländer Hafen ein, doch die Börteboote sind ein fester Bestandteil von Helgoland – und sind seit 2018 immaterielles Kulturerbe der UNESCO. Zu ihrem Erhalt wurde sogar ein Verein gegründet. Sven Köhn ist stellvertretender Brückenkapitän, verantwortlich für den Einsatz der Börteboote, mit denen auch Inselrundfahrten angeboten werden. Einmal im Jahr findet die Börtebootregatta statt, eine traditionelle Wettfahrt, bei der auch Gäste mitfahren können.

Anne Willmes mit Kapitän Sven Köhn in einem Börteboot auf See, im Hintergrund die roten Felsen von Helgoland

Börteboote gehören zu Helgoland wie die Lange Anna, erfährt Anne Willmes auf einer Tour rund um die Insel mit Kapitän Sven Köhn.

Über die Paniktreppe in den Bunkerstollen

Ein alter Maulbeerbaum gilt als das "Wunder von Helgoland": Als einziger Baum überstand er den Zweiten Weltkrieg. Die Nationalsozialisten machten aus der Insel einen wichtigen Militärstützpunkt. Als Tausende Bomben auf die Insel fielen, flüchteten die Insulaner in zivile Bunkeranlagen. Das sogenannte Panik-Treppenhaus führt in das unterirdische Tunnelsystem. In 18 Meter Tiefe überlebten mehr als 2.000 Menschen die Angriffe der britischen Luftwaffe, die am 18. April 1945 innerhalb von 104 Minuten etwa 7.000 Bomben abwarf. Zwei Tage später wurden alle Insulaner aufs Festland evakuiert. Hier hörten und sahen sie am 18. April 1947 den "Big Bang", die größte von Menschen gemachte nichtnukleare Detonation der Welt: Die Alliierten hatten auf Helgoland 6.700 Tonnen Munition und Sprengstoff in die Luft gejagt und sämtliche militärische Anlagen gesprengt. Die Insel aber hielt stand. Erst am 1. März 1952 kehrten die ersten Helgoländer auf ihre Insel zurück. Bis heute ist der 1. März auf Helgoland ein Feiertag. Nach der Zerstörung wurde die Insel wieder aufgebaut. Der Baustil der Häuser hat eine skandinavische Anmutung und entspricht dem Geschmack der 50er- und 60er-Jahre.
Die unterirdischen Bunker sind heute ein Museum; die Leitung hat Jörg Andres. Täglich um 10 Uhr und um 16 Uhr finden Führungen statt. Tickets gibt es bei der Touristen-Info.

Anne Willmes sitzt auf einer Bank in einem Gang des Bunkerstollens

Wie fühlte sich die Helgoländer Bevölkerung im Bunker bei der Bombardierung? Anne Willmes versucht es nachzuempfinden.

Die Sendung ist eine Wiederholung vom 4. Juli 2021.

Lesetipps für Helgoland

Reiseführer

Nicole Funck, Michael Narten
Reiseführer Helgoland
Reise Know-How Verlag, 10. akt. Aufl. 2023
ISBN 978-3831737246
Preis: 16,90 Euro

Zur Unterhaltung

Pamela Hansen
Die Inselpastorin. Mein Leben mitten in der Nordsee
Rowohlt, 2. Aufl. 2020
ISBN 978-3499000669
Preis: 15,00 Euro

Isabel Bogdan
Mein Helgoland
Mare Verlag, 2021
ISBN 978-3866486546
Preis: 18,00 Euro

Peter Andryszak
Helgoland maritim: Eine Insel in ihrem Element
Maximilian Verlag, 2018
ISBN 978-3782213141
Preis: 9,95 Euro

James Krüss
Mein Urgroßvater und ich
Verlag Friedrich Oetinger, 2009
ISBN 978-3789140433
Preis: 13,00 Euro

Moderation: Anne Willmes

Redaktion: Iris Möller-Grätz

Autorin: Beate Höfener

Internettext: Petra Berthold