Das Dach des Hindu-Tempels neben einem rauchenden Fabrikschlot

Europas größter Hindu-Tempel im südindischen Stil

Hindus feiern Tempeljubiläum in Hamm

Stand: 15.02.2008, 06:00 Uhr

Seit genau fünf Jahren ist Hamm Uentrop spirituelles Zentrum für Hindus aus ganz Europa. In dem ungewöhnlichen Gebäude ist viel los: zum Beispiel eine besondere Hochzeit.

Von Anneke Wardenbach

Indische Musik plätschert aus Lautsprechern, der Duft von Räucherstäbchen zieht in Schwaden durch die halbdunkle Halle. Vor dem großen bunten Schrein in der Mitte sitzt ein Priester auf dem Fliesenboden, hantiert mit Früchten, Blumen und Öllämpchen. Er murmelt eine Litanei - neben ihm wartet das exotisch gekleidete Brautpaar aus Meschede im Sauerland.

Die Braut ist katholisch - na und?

Rund 50 Tamilen drängen sich im Halbkreis und verfolgen das Ritual. Viele tragen farbenfrohe indische Gewänder, andere dagegen westlich-feierlich Schlips und Anzug. Denn die Braut ist katholisch. Für die Hindupriester war das kein Hindernis. "Unser Pfarrer in Meschede wollte das Paar nicht trauen, weil der Bräutigam Hindu bleiben wollte, also sind wir hierher gekommen", erzählt Brautvater Jacob Kurusu. "Ich war sehr neugierig, weil ich die vielen Rituale nicht kenne, aber die Atmosphäre ist ja sehr entspannt."

Hindus in Hamm zeigen keine Berührungsängste

So klangen schon christliche Lieder in der Säulenhalle des Tempels: Dargeboten vom Chor Cantate '86 im Rahmen einer Benefiz-Veranstaltung nach der Tsunami-Katastrophe von 2005. "Wir wurden auch mal zu einem Gebet eingeladen anlässlich eines Massakers an Kindern in Sri Lanka. Die Hindu-Gemeinde zeigt sich aktiv und sehr interessiert an einer guten Nachbarschaft und Zusammenarbeit", sagt Michael Bethge, Pfarrer der Hammer Stadtkirche St. Paulus.

Ursprünglich ein Schrein im Privatkeller

Täglich kommen etwa 25 Menschen zum Gottesdienst, freitags bis zu 100. Allein in NRW leben etwa 20 bis 25.000 Hindus, schätzt Hauptpriester Siva Paskaran. 1989 legte der Bürgerkriegs-Flüchtling aus Sri Lanka mit einem Schrein in einem Keller den Grundstein für den Sri Kamadchi Ampal Tempel in Hamm. Seine Gemeinde ist seit der Eröffnung des großen Tempels vor fünf Jahren von etwa 100 auf 300 Mitglieder gewachsen, mehrheitlich Tamilen. Drei Inderinnen und eine deutsche Frau seien sogar extra wegen des Tempels nach Hamm gezogen.

Jeder Schrein ist einer anderen Gott-Figur gewidmet

In der Tempelhalle heben sich die einzelnen farbenfrohen Schreine mit ihren kunstvollen Figuren und verschnörkelten Symbolen stark von den weißen Kacheln ab. "Es gibt nur einen Gott, aber er spielt verschiedene Rollen im Laufe unseres Lebens. Dementsprechend nimmt Gott verschiedene Gestalten an. Genau wie ich mal als Vater, als Ehemann oder als Arbeitskollege auftrete - und doch eine Person bin!", erklärt Priesterschüler Srinath Gunarajah, der früher in Hamburg in einem Jugendheim arbeitete.

Einzigartige Sehenswürdigkeit

Knud Skrzipietz vom Stadtmarketing Hamm kommt der lange Name des Tempels flüssig über die Lippen: "Wir haben damit etwas ganz Besonders, damit treten wir gerne an die Öffentlichkeit!" Bilder des Tempels schmücken Werbeprospekte der Stadt, das Tourismusbüro bietet Führungen an. Das jährliche Tempelfest lockt mehr als 20.000 Besucher aus ganz Europa nach Hamm. Sie begleiten die Göttin dann auf ihrer Prozession durch die Straßen rund um ihr großzügiges heiliges Haus im östlichen Ruhrgebiet.

Unaufgeregtes Zusammenleben

"Als der Tempel gebaut wurde, gab es auch Stimmen dagegen, teilweise scheinheilige Einwände. Tempel im Industriegebiet, das ginge doch nicht, das sei doch eine Missachtung," erinnert sich Pfarrer Bethge. "Aber ich denke, das ist weg. In unseren evangelischen und katholischen Gemeinden möchten immer wieder Gruppen den Tempel kennen lernen. Ich kann mir vorstellen, dass die Tamilen sich inzwischen besser angenommen fühlen. Es ist keine Sensation mehr. Wenn Leute kommen, ist es einfach, weil sie sich interessieren, nicht weil sie schaulustig sind! Über den Tempel kommt eine fremde Kultur an sie heran, ohne sie zu bedrohen", freut sich der Pfarrer.