Tausende von Jugendlichen auf Wallfahrt
Im Dom ist der Teufel los
Stand: 17.08.2005, 11:46 Uhr
Pilgerströme statt Touristenmassen: Der Kölner Dom ist seit Mittwoch (17.08.2005) fest in der Hand der Weltjugendtags-Besucher. Die Wallfahrt gehört zum Pflichtprogramm - aber auch daraus machen die Jugendlichen ein großes Happening.
Von Marion Kretz-Mangold
Es wimmelt von Jugendlichen: Vor dem Dom, neben dem Dom, auf dem Bahnhofsvorplatz. Sie tragen Fahnen in ihren Landesfarben und Banner mit dem Emblem ihrer Heimatpfarrei vor sich her, manche winken auch mit simplen Regenschirmen: Zu groß ist die Gefahr, sich in der Menge zu verlieren. Es ist kurz vor zwölf, und die Schlange der Wartenden windet sich vom Römisch-Germanischen Museum bis vor das Südportal. Die Domschweizer am Eingang blicken kritisch über die Menge, dann hinter sich ins Kirchen-Innere: "Stopp, wir machen erst mal zu."
Partyfeeling statt Pflichtprogramm
Die Ausgesperrten stimmen Marienlieder an, beten das Vaterunser; andere geben italienische Schlager mit dem Megaphon zum Besten - halblaut, aber unüberhörbar. Die Wallfahrt zum Schrein der Heiligen Drei Könige ist zwar fester Bestandteil des Weltjugendtages, zählt als eine von drei Katechesen, an der die jungen Gläubigen teilnehmen müssen. Aber auch hier gilt: Party-Feeling statt Pflichtprogramm - religiöse Begeisterung der etwas anderen Art.
"World youth day, you know"
Dabei wirkte die Szenerie frühmorgens am Rhein, zwei Kilometer nördlich, noch sehr besinnlich: Da setzten sich die ersten Gruppen in Bewegung, um betend und singend zum Dom zu wandern, am Schrein vorbei zu pilgern und dann auf der anderen Rheinseite den Gottesdienst zu besuchen. Und so ziehen sie los, Polen, Italiener, Deutsche, mit Rosenkränzen und Pilgerhandbüchern in der Hand und an den Lautsprechern vorbei, aus denen die Gebete schallen. Auf den Passagierschiffen auf dem Rhein sitzen Ausflügler und blicken den Pilgern neugierig hinterher. "They come from all over the world", lässt sich eine ältere Frau erklären. "World youth day, you know."
Begeisterung auf der ganzen Linie
In die zaghaft angehobenen Gesänge platzt dann ein "Halle-halle-luja! Praise the lord!" Ein Trupp Amerikaner, wie sich herausstellt, der "from California to Cologne" gekommen ist. Angeführt werden sie von David, einem gebürtigen Nigerianer, im normalen Leben Lehrer und jetzt "absolut überwältigt von allem hier": von der Gastfreundschaft, von der Geduld der Freiwilligen, vom Eröffnungsgottesdienst mit dem Kardinal am Abend vorher. Gut, die Nacht war sehr kurz, "aber das ist eine einmalige Sache hier". Da tauchen die Domtürme auf, "das Schönste, was wir im Leben jemals gesehen haben". "Awesome", nennt er das.
Das volle Touristen-Programm
Nein, im Dom war er noch nicht, das hat er sich für heute aufgehoben. Und er freut sich auf den Schrein, in dem die Heiligen Drei Könige liegen sollen: "Es ist, als folgten wir dem Stern, der sie leitete. Das gibt Kraft!" Aber David wechselt mühelos von spiriuteller Betrachtung zu den Erfordernissen des Augenblicks - macht Fotos vom Dom und von seiner Gruppe, plaudert mit einem Landsmann aus Georgia ("Da gibt's aber nicht viele Katholiken!") und springt schnell in den Souvenirshop, um ein Dom-Poster zu kaufen ("Das muss ich haben!"). Und weil es sich vor dem Südportal schon staut, scheucht er seine Gruppe auf den Turm: "Die Gelegenheit gibt's nicht wieder."
Andacht vor Maria mit dem Kinde
Im Dom ist es um diese Zeit noch ruhig und kühl. Die Menschen wandern herein, den Kopf im Nacken, machen Fotos. Andere suchen sich eine Ecke zum Beten oder scharen sich um einen Priester, der sie auf den Besuch einstimmt. Das Gemurmel wird aber immer lauter, die Geistlichen sind kaum noch zu verstehen. Als David mit seiner Gruppe eine Stunde später wieder vom Turm herunterkommt ("awesome"), ist der Dom innen schwarz von Menschen. Alle streben nach rechts, zum Schrein, werfen nur einen kurzen Blick auf die Gräber mittelalterlicher Fürsten und den Lochner-Altar mit dem Bild Mariens mit dem Kinde. David steht lange davor, lässt sich nicht vom Geschiebe und Gedränge irritieren, wischt sich verstohlen die Augen. "Das war das Größte", sagt er später. Am goldenen Schrein bleibt er dann länger als die meisten anderen, macht auch kein Foto. Das hier, merkt man, ist ihm zu wichtig.
Die weihevolle Stimmung verfliegt aber sofort, als er ausgerechnet im Kölner Dom jemanden aus seiner afrikanischen Heimat trifft. Er lacht immer noch, als er eine Kerze anzündet und die Pilgerplakette in Empfang nimmt. Draußen vor der Tür, zurück im Lärm der Megaphone und Tambourine, sagt er: "Ich werde das hier nie vergessen." Dann muss er los, seine Schützlinge suchen.