Ein Mitglied der Deutschen Bischofskonferenz hat die Hände gefaltet

Forschungsprojekt "Sexueller Missbrauch"

Bischöfe starten neuen Aufklärungsversuch

Stand: 24.03.2014, 06:00 Uhr

Die katholische Kirche will offenbar einen weiteren Versuch starten, ihre Geschichte sexuellen Missbrauchs aufzuarbeiten. Dazu stellt die Deutsche Bischofskonferenz am Montag (24.03.2014) ein Forschungsprojekt vor. Ob es tatsächlich zur Aufklärung führt?

Von Nina Magoley

Die katholischen Bischöfe haben einen Neustart bei der wissenschaftlichen Erforschung sexuellen Missbrauchs in der Kirche beschlossen. Das hat die Deutsche Bischofskonferenz vergangene Woche bei ihrer Frühjahrsvollversammlung in Münster beschlossen. Ein Forschungsverbund aus Wissenschaftlern verschiedener Fachrichtungen soll mit der Aufarbeitung des im Jahr 2010 bekannt gewordenen Missbrauchsskandals beauftragt werden. Mehrere interdisziplinäre Forschungsverbünde hätten sich für das Projekt "Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz" beworben, hieß es vorab. Der Beauftragte für Fragen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger im kirchlichen Bereich, Bischof Stephan Ackermann, will das Projekt am Montag (24.03.2014) in Bonn vorstellen.

Erster Aufklärungsversuch gescheitert

Stephan Ackermann, Bischof von Trier

Der Missbrauchsbeauftragte Stephan Ackermann

Dabei hatten die Bischöfe bereits Anfang 2011 ein groß angelegtes Projekt gestartet und das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) damit beauftragt, Zahlen, Fakten und Ursachen des sexuellen Missbrauchs im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) zu ermitteln. Unter Leitung des Kriminologen und KFN-Chefs Christian Pfeiffer sollten umfangreiche Aktenstudien belastbare Zahlen zum Missbrauch erbringen, den Verlauf der Taten aus der Sicht der Opfer nachvollziehen, das Handeln der Täter analysieren und klären, wie sich die Kirche gegenüber Tätern und Opfern verhalten hat.

Doch Anfang 2013 gingen den Bischöfen die Recherchen der Kriminologen offenbar zu weit. Sie beriefen sich auf den Datenschutz - und auf das Kirchenrecht: Paragraf489/2 des "Codex Iuris Canonici" besagt nämlich, dass Akten zu Vorfällen sexuellen Missbrauchs nach zehn Jahren vernichtet werden müssen. Lediglich eine Notiz dazu sei aufzubewahren, so das Gesetz. Von dieser Aufforderung wollten offenbar einige Bistümer Gebrauch machen, bevor die Forscher die Aktenregale zu Gesicht bekämen. Zwischen Kirche und Kriminologen eskalierte der Streit, Anfang 2013 entzog die DBK Christian Pfeiffer den Studienauftrag, die Aufklärung wurde gestoppt. "Das Vertrauensverhältnis zwischen dem Direktor des Instituts und den deutschen Bischöfen ist zerrüttet", erklärte Missbrauchsbeauftragter Ackermann zur Begründung.

Kriminologe: "Inakzeptable Zensur"

Christian Pfeiffer, Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen

"Zensur": Kriminologe Christian Pfeiffer

Aus Sicht von Forschungsleiter Christian Pfeiffer hatten die Erzdiözesen während seiner Recherchen erst allmählich begriffen, "dass die Forschung hier sehr gründlich vorankommen möchte". Die Fragebögen des KFN hätten vielen nicht gefallen, und die DBK habe dann die Kontrolle über die Ergebnisse sichern wollen. Der Verein Deutscher Diözesen (VDD) habe schließlich sogar verlangt, dass alle Ergebnisberichte der Forscher erst zur Genehmigung eingereicht werden müssten. Auch wollte sich der VDD die Veröffentlichungsrechte vorbehalten - für Pfeiffer eine inakzeptable Form der Zensur.

Externer Beirat geplant

Kardinal Reinhard Marx (r.) ist neuer Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz,(l) Erzbischof Robert Zollitsch.

Neuer DBK-Vorsitzender Kardinal Reinhard Marx

Das neue Forschungsprojekt soll nun, der Ausschreibung zufolge, von 2014 bis 2017 laufen. Noch einmal kündigt die Kirche also an, Einsicht in das Vorgehen der Täter und das Verhalten von Kirchenverantwortlichen erhalten zu wollen. Geplant seien exemplarische Tiefeninterviews und "Austausch mit Betroffenen des Missbrauchs", hieß es vorab. Zudem soll es im Vorfeld der Untersuchungen einen externen Beirat aus kirchenunabhängigen Personen geben.

"Diesmal müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein"

"Das Projekt kommt viel zu spät", meint WDR-Kirchenexperte Theo Dierkes. Seit dem Stopp des ersten Verfahrens sei schließlich schon mehr als ein Jahr vergangen. Wenn es eine Chance geben solle, dass die Untersuchung diesmal wirklich die ganze Missbrauchshistorie der Kirche ans Licht bringt, dann seien drei Bedingungen zu erfüllen, sagt Dierkes: "Erstens muss gesichert sein, dass die Wissenschaftler ihre Ergebnisse ausnahmslos veröffentlichen dürfen." Außerdem müsse der unabhängige Beirat auch während der Untersuchungsphase bestehen bleiben. Und drittens müsse klar sein, dass die Forscher Zugang zu sämtlichen vorhandenen Akten oder zumindest erhaltenen Einzelfallnotizen bekommen. Ob diese Bedingungen erfüllt sind, werde man wissen, wenn die DBK am Montag (24.03.2014) nähere Details zum Projekt bekannt gibt.

Ende Januar 2010 waren am katholischen Canisius-Kolleg in Berlin Fälle sexuellen Missbrauchs bekannt geworden. Dies brachte eine Lawine weiterer aufgedeckter Missbrauchs-Fälle auch an vielen anderen katholischen Schulen und Internaten ins Rollen. Im Zentrum des Missbrauchsskandals stand schließlich auch das Bonner Aloisius-Kolleg.