"Ich habe kein 10-Punkte-Programm"
Kardinal Reinhard Marx neuer Vorsitzender der DBK
Stand: 12.03.2014, 16:48 Uhr
Eineinhalb Stunden, nachdem sich die 62 Bischöfe zur geheimen Wahl ins Gebäude des münsterischen Priesterseminars zurückgezogen hatten, öffnete sich die Tür zum Hof. Heraus trat als Erster der neugewählte Vorsitzende, Kardinal Reinhard Marx. Der 60-Jährige strahlte und stellte sich den Fragen der mehr als 100 wartenden Journalisten.
Er ist die neue Stimme der katholischen Kirche in Deutschland. Marx zählte zwar zu den Favoriten, allerdings war er erst im vierten Wahlgang mit absoluter Mehrheit in sein neues Amt gewählt worden. "Das macht deutlich, dass es eine vielfältige Angebotspalette von Kandidaten gegeben hat", rechtfertigte der Neugewählte sein Ergebnis. Im Vorfeld war viel über mögliche Kandidaten spekuliert worden. Marx zählte zu den Favoriten, aber auch der Berliner Bischof Rainer Woelki, der Trierer Bischof Stephan Ackermann und der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck waren als mögliche Nachfolger des bisherige Vorsitzenden Robert Zollitsch gehandelt worden. Am Ende setzte sich der Münchener durch.
Mit direktem Draht zum Papst
Die Wahl stieß auf großes Medieninteresse
Marx gilt in der katholischen Kirche in Deutschland als Schwergewicht. "Einflussreich, machtbewusst, durchsetzungsstark", so beschreiben ihn Beobachter. Als Mitglied des von Papst Franziskus einberufenen Gremiums, das den Papst bei der Leitung der Weltkirche berät, hat Marx direkten Zugang zum Papst. Es sei sicherlich gut, dass nun das römische Amt und der Vorsitz der Bischofskonferenz in einer Hand lägen, meinte Marx. Der 60-jährige Erzbischof bekleidet darüber hinaus noch eine ganze Reihe von weiteren Ämtern in der katholischen Kirche: Marx ist seit 2008 Erzbischof von München-Freising. 2010 nahm ihn Papst Benedikt ins Kardinalskollegium auf. Der Erzbischof ist in der Deutschen Bischofskonferenz Vorsitzender der Kommission für Gesellschaftliche und Soziale Fragen und auf europäischer Ebene Präsident der EU-Bischofskommission COMECE. In Rom ist der Bischof nicht nur Mitglied der Kardinalsgruppe: Vor einigen Tagen übertrug ihm Papst Franziskus auch die Aufgabe des Koordinators des neu einberufenen vatikanischen Wirtschaftsrates, der über die Wirtschafts- und Verwaltungsstrukturen des Heiligen Stuhls wachen soll.
Genug Zeit für das Amt des Vorsitzenden?
Angesichts dieser Fülle von Aufgaben war im Vorfeld der Wahl diskutiert worden, ob der Münchener Erzbischof überhaupt ein geeigneter Kandidat sei und Zeit habe, die katholische Kirche in Deutschland im Inneren zusammenzuhalten und nach außen wirkungsvoll zu repräsentieren. Marx zeigte sich von solchen Vorbehalten unbeeindruckt. "Man kann ja auch Aufgaben abgeben", meinte der Erzbischof nach seiner Wahl. Ins Detail ging er dabei nicht. Auch auf die Frage von Journalisten, wie er die durch Skandale geschwächte katholische Kirche in Deutschland künftig wieder stärken wolle, antwortete Marx nur ausweichend. "Ich habe nicht – wie vielleicht Politiker nach einer Wahl – ein 10-Punkte-Programm. Das braucht Zeit. Wir werden in der Deutschen Bischofskonferenz zunächst einmal intensiv miteinander reden."
Kritiker mahnen zum Dialog
Weisner hat große Erwartungen
Der Sprecher der Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche", Christian Weisner, war aus München angereist war, um mit kritischem Blick die Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz zu beobachten, gratulierte dem neuen Vorsitzenden. Weisner hofft, dass die katholische Kirche in Deutschland von Marx’ einflussreicher Position in Rom profitiert. "Gleichzeitig wünsche ich mir von Marx mehr Kollegialität und Dialogbereitschaft als er bislang in seinem Bistum gezeigt hat", sagte Weisner. "Die gewaltigen Herausforderungen, vor denen die römisch-katholische Kirche in Deutschland angesichts der Glaubens- und Vertrauenskrise steht, werden nur in kollegialer Gemeinschaft der Bischöfe, im konstruktiven Dialog mit Priestern, mit allen pastoralen Mitarbeitern und dem Kirchenvolk sowie in enger Anbindung an den von Papst Franziskus in Rom angestoßenen Reformkurs bewältigt werden können."
Kirchensteuer-Rückerstattung in flüssiger Form
Für die Menschen in seiner westfälischen Heimat Geseke kam der Wahlausgang nicht überraschend. "Ich hatte nichts anderes erwartet", sagte Bürgermeister Franz Holtgrewe (CDU). Auch bei den St. Sebastianus-Schützen, in deren Vorstand der Kardinal noch immer aktiv ist, freute man sich. Marx hat noch familiäre Kontakte nach Geseke und besucht regelmäßig das Schützenfest. "Überstunden abfeiern nennt er das", berichtete Schützenvorstand Hans-Peter Busch. Marx bleibe möglichst bis zum Schützenfestmontag, um die Parade abzunehmen. Danach sage er dann: "Komm, jetzt gehen wir mal eben rein, und jetzt gibt es Kirchensteuer-Rückerstattung. Das heißt, er gibt die erste Runde Bier aus."